Es war ein trauriges Bild, das sich in der gestrigen Nacht im Audimax bot. Müde Gesichter, die auf die Displays ihrer Notebooks starrten, Resignation, die durch die Flure schlich und nur hin und wieder von Durchhalteparolen überdeckt wird. Über dem Hörsaal 4 waberte eine Glocke aus Resignation.
Grund für Entäuschungen gab es dieser Tage genug: So gelang es nicht, die studentischen Massen zu der Protestaktion zu mobilisieren, der AStA entsolidarisierte sich und von dem revolutionären Feuer, dass via Twitter versprochen wird, ist nichts zu spüren. Gerade der AStA sollte sich schämen. Jahr für Jahr wiederholt sich das Klagelied ob der Verdrossenheit in Sachen Hochschulpolitik Greifswalder Studierender. Unterdessen erklärt die erst 22jährige AStA-Vorsitzende Solvejg Jenssen in einer AStA-Presssemiteilung: „Die Besetzung eines Hörsaals mit der Einschränkung des Lehrbetriebs halten wir aktuell und lokal für kein probates Mittel, um Missstände zu beheben.“
Grundsätzlich befürworte ich den Einzug ins Audimax und bedauere gleichzeitig, wie hilflos das Treiben dort regelmäßig wirkt. Heute wurde mir per Mail eine gepfefferte Polemik mit der Bitte um Veröffentlichung zugeschickt, der ich natürlich gerne nachkomme. Der Autor möchte seine Anonymität gewahrt wissen, um nicht zum meistgehassten Greifswalder zu werden.
Gastpolemik: Der Hauch eines konservativen REvolutiönchens
Erst Österreich, dann Westdeutschland und jetzt Greifswald: Die sogenannten Bildungsstreiks haben nun auch unser beschauliches Hansestädtchen erfasst. Am Abend des ehrwürdigen 9. Novembers wurde dem eh schon vielbelegten Datum ein weiteres Ereignis angereiht. Das Audimax der Universität Greifswald wurde erst etwas verhalten zur Zone „der offenen Diskussion und des Dialogs“ und, je später die magische hausmeisterliche Schließzeit um 22 Uhr rückte, schließlich doch für „besetzt“ erklärt. „Audimax bleibt weiterhin bewohnt“ weiterlesen →
Seit gestern sind die lodernden Studentenproteste auch in Greifswald spürbar geworden, oder nicht? Um 16 Uhr fanden sich einige wenige zum Protestieren im Audimax ein, überall wurde von Besetzung gesprochen bzw. geschrieben. Aber Besetzung sieht anders aus.
Keinen Ärger mit dem Wachdienst
Allgemeine Erleichterung machte sich bemerkbar, als die Uni-Leitung mitteilte, die Proteste vorerst in den Räumlichkeiten dulden zu wollen, und die Nachricht, dass der Wachdienst nicht um 22 Uhr abschließen würde, sorgte für Euphorie im Revolutionstaumel. Die Befürchtungen bezüglich des Wachdienstes sind symptomatisch für das, was derzeit in der Rubenowstraße geschieht. Zahnlose Tiger träumen von der Revolution und laben sich an der Auch-in-Greifswald-wird-was-besetzt-Stimmung. Es weht ein Hauch von 1968 durch die Köpfe und das Gebäude, mehr aber auch nicht.
In den Kommentaren des webMoritz wird das Problem sichtbar: Da entsolidarisieren sich einerseits Studierende, wie jene mit dem Benutzernamen Juliane: „Hahaha, da die uni-verwaltung es wohl erlaubt hat, kann von „Besetzung“ keine rede mehr sein! Traurig traurig, dass die Asylanten der Uni anderen ihre Hörsäle blockieren und sie so am lernen hindern.“
Während andererseits über die Rolle des ASta, der sich bisher noch nicht für die vermeintlichen Besatzer stark gemacht hat, diskutiert wird: „Nein ret marut, das wurde nicht vom StuPa beschlossen! Es wurde die Idee eines bundesweiten Aktionstages begrüßt und der AStA beauftragt mit den BD-Organisatoren diesbezüglich zusammenzuarbeiten. Das StuPa hat keine Besetzung beschlossen und auch nicht den AStA beauftragt.“ (Thomas Schattschneider)
Eine Minorität macht auf Studentenunruhig
Unterdessen berauschen sich die Protestler im Hörsaal 4 an ihrem Aktionismus und geben sich studentenunruhig; obwohl sie nicht mal 0,5% der Immatrikulierten ins besetzte Uni-Gebäude locken konnten. Am späteren Abend wurde dann ein Foto durchs Netz geschickt, dass trotzig verkünden will, dass man willens sei, auch nachts die „Besetzung“ aufrechtzuerhalten.
Das Bild spricht für sich, vermutlich wurde deswegen kurz darauf wild getwittert, dass sich inzwischen schon mehr Schlafsäcke im Audimax befänden. Dann wurde Bier und Musik organisiert und die Aktion vermittelte immer mehr den Charme einer studentischen Pyjama-Party.
Stell dir vor, es ist Besetzung und keiner geht hin
Die Ostsee-Zeitung macht sich in der heutigen Ausgabe über die Ereignisse des gestrigen Abends lustig:
„Das Fernsehen war da, der Pressesprecher der Uni, Redakteure des Webmoritz und auch die OZ (nur inoffiziell) hatten erfahren, dass gestern 16 Uhr in Greifswald ein Bildungsstreik im Audimax per Besetzung des Hörsaals 5 beginnen sollte. Und ein paar Leute mit Schlafsäcken erschienen. Andere standen nur rum – aber keiner wollte verantwortlich sein, Ziele formulieren oder so. Nach 20 Minuten machte der Scherz die Runde: Die Zahl der Anwesenden reicht nur zur Toilettenbesetzung. Und: Die suchen einen freien Hörsaal. Der wurde in Hörsaal 3 gefunden. In der 5 fand eine Vorlesung statt.“
Dass aber in der vergangenen Nacht noch etwas entwickelt wurde, konnte Redakteur Eckhard Oberdörfer zu Redaktionsschluss nicht ahnen. Aber bereits am Vormittag korrigierte die OZ via Twitter ihre Berichterstattung und veröffentlichte einen Online-Artikel.
Auch Greifswald TV hat es irgendwie geschafft, im Rekordtempo einen kurzen Beitrag über die Besetzung zu produzieren (ab Minute 05:32), und bringt darin sogar den Fleischervorstadt-Blog ins Fernsehen. Ich fühle mich gebauchpinselt. Wo aber bleiben eigentlich die Kommilitonen von Moritz TV? Und was ist mit Radio98eins?
Zurück zu den Besetzern ins Audimax. Heute wurden die ersten Arbeitsergebnisse der Nachtschichten veröffentlicht, dazu zählen ein alternativer Raumplan und eine Grundsatzerklärung, die auf dem eigens ins Leben gerufenen Streikblog erschienen ist. Um 16 Uhr wird ein großes offenes Plenum im Audimax stattfinden. Dort wird sich zeigen, wie es weitergeht.
Es regt sich was im Audimax, aber als 1968 Unruhe in der Luft lag, muss es anders gerochen haben. Damals wurde zwar weder getwittert noch gesocialt, aber es ging doch irgendwie mehr um den Kampf für das Ganze.
Wie schon befürchtet, entwickelt sich die unangekündigte Besetzung des Audimax zum Debakel. Ich war nicht vor Ort, aber die Impressionen, die über Twitter veröffentlicht werden, sprechen für sich.
@webmoritz: Hörsaalbesetzung: Uni-Pressesprecher Meßerschmidt, Kanzler Flieger und Ostseezeitung sind da. Aber keine Studenten…
@vlbruex: @webmoritz wie soll sich so eine aktion auch rumsprechen, wenn halb greifswald am wochenende nach berlin etc. fährt???
@webmoritz: Hörsaalbesetzung läuft schleppend bis gar nicht an. Bis jetzt ist noch nichts geschehen. Mit dieser Anzahl an Leuten könnte man eher ein Klo besetzen. Endlich hat man einen freien Hörsaal zum besetzen gefunden: Hs3 im Audimax. Halboffiziel heißt es die Besetzung sei abgeblasen. Stattdessen gibt’s ein orgatreffen für den Bildungsstreik. Jetzt ist es auch offiziell. Zudem werden die Medien gebeten den Raum zu verlassen…
@FranzKuentzel: Hochschulgruppen von #Gruene #Jusos #Sds machen sich #lächerlich und schaffen es nicht #Hörsaal an der EMA #Uni Greifswald zu #besetzen „Audimax-Besetzung wird zur Farce“ weiterlesen →
Gerüchten zufolge wird in diesen Minuten das Audimax der Greifswalder Universität besetzt. Studiengebühren gibt es hier zwar noch nicht, aber die allein sind ja auch kaum ein Indikator für Studienbedingungen.
Einer Umfrage innerhalb der Kommentare zu einem Bildungsstreik-Artikel zufolge, ist die Einstellung der Greifswalder Studierenden gegenüber einer Besetzung des Audimax gespalten.
Hoffentlich wird die Besetzung nicht peinlich, denn eine engagierte Beteiligung der Studierendenschaft ist die Bedingung für das Unterfangen. Machen nur wenige mit, kann es zum Debakel werden.
Und was geschieht eigentlich mit Streikbrechern?
Eben gerade per Twitter verbreitet: „Hörsaalbesetzung: Uni-Pressesprecher Meßerschmidt, Kanzler Flieger und Ostseezeitung sind da. Aber keine Studenten…“