Die Qual der Wahl

Wahlen sind die demokratischen Leibesübungen schlechthin. Bedauerlicherweise wird die Beteiligung an den OB-Wahlen unter 50% liegen. Just in diesem Augenblick werden die abgegebenen Stimmen ausgezählt, das Rathaus steht offen und es gibt eine Art Liveticker zur Auszählung.

Wer den Weg ins Rathaus scheut, kann sich hier die gezeigte Projektion ansehen.

Auf dem Rückweg vom Wahllokal fiel mir auf, dass die Wahlwerbung der CDU frisiert wurde. Die fragwürdigen Plakate, die den CDU-Breitensportler Arthur König mit sechs Schornsteinfegerinnen zeigen, wurden an mehreren Standort ein wenig ergänzt, allerdings nicht mit der erwarteten Sexismus-Kritik.

Die heißen Fegerinnen sollen Garant für die Zukunft sein: Viel Glück für Greifswald. Visionen, Ideen und Kompetenzen sollten die kommunalpolitische Zukunft beeinflussen, Glück ist hierbei doch eher zweitrangig. Glück bedeutet in diesem Fall, es mal mit einem anderen Bürgermeister zu probieren. Dem König geht es gut, aber wie geht es seinem Volk?

Oberbürgermeisterwahl 2008: KandidatInnen im Gespräch

Gestern fand im Hauptgebäude der Uni die Podiumsdiskussion mit den Oberbürgermeister-KandidatInnen statt.

Veranstaltet vom AStA-Greifswald und moderiert von einem etwas blassen Thomas Schattschneider und einem manchmal haspeligen, aber trotzdem keck-souveränen Alexander Köcher, der mit selbstbewusstem Witz den KandidatInnen das Wort abschnitt und so mehr oder minder penibel der Einhaltung des zeitlichen Rahmens Sorge trug.

Die Veranstaltung hangelte sich die ersten 90 Minuten durch ein im Vorfeld erstelltes Fragen-Korsett, dass einen flüssigen Ablauf ermöglichte und Unterschiede zwischen den KandidatInnen aufzeigte. Eigentlich gibt es keine Neuigkeiten vom gestrigen Abend zu berichten, alles blieb im erwarteten Rahmen, von wenigen Ausnahmen abgesehen.

König entspannt, aber nicht überzeugend

Der amtierende Oberbürgermeister Arthur König gehört nicht zu den Ausnahmen. Er klopfte sich – einem Märchenonkel gleich – auf die Schulter und verwies auf die Leistungen und Ergebnisse der vergehenden Legislaturperiode. König hat die Wiederwahl beinahe in der Tasche und dieser Umstand verlieh ihm eine sehr entspannte Aura.

Inhaltlich konnte er allerdings nicht überzeugen. Da war die Sache mit dem Verkauf der WVG-Anteile, die Idee, Tourismus zu fördern, ein Steinkohlekraftwerk zu befürworten und zu guter Letzt die Sache mit seinem Prestige-Millionengrab Stadthalle.

Gesichtsloser Geostratege

Zu Rainer Mutke (SPD) müssen nicht viele Worte verloren werden. Viele seiner Antworten zielten ins Leere und verloren sich. Auch Mutke befürwortet das Kraftwerk, allerdings begründete er dessen Notwendigkeit mit geopolitischen und -strategischen Überlegungen. Europas Energiezukunft soll zukünftig von Lubmin aus gesichert werden.

Der Kumpeltyp

Birgit Socher, als Kandidatin der LINKEN, vergaß nie zu erwähnen, dass sie als einzige Frau ins Rennen ginge. Allerdings wirkte sie nicht wie eine Kämpferin emanzipatorischer Ideen, im Gegenteil.

Sportbegeistert und ein wenig gluckenhaft, trotzdem symphatisch, duzte sie mit fester Blickrichtung gen Moderation die imaginäre FragenstellerIn und zeigte die Grenzen des Gestaltungsspielraums für OberbürgermeisterInnen auf; Kommunalpolitik leicht erklärt!

Phrasen des Ringkämpfers

Olaf Tammert muß man eigentlich hoch anrechnen, dass er die studentische Zuhörerschaft weitesgehend ignorierte und seinen Wahlkampf auch an diesem Ort an die nichtstudentischen Bewohner der Neubaugebiete adressierte. Positiveres bleibt über den ehemaligen Ringer nicht zu berichten.

Widersprüchliche Argumentationen (z.b. beim Thema Gewerbesteuer) und sich permanent wiederholende, wahlkämpferische Phrasendrescherei strapazierten die Geduld des höflichen Publikums. Er wirkte an diesem Abend mehr als deplatziert und ließ sich sogar zu kämpferischen Gesten (Faust in die Luft recken), gewürzt mit einer großzügigen Portion Pathos, hinreißen, die man — medial vermittelt — eher von Auftritten hitzköpfiger Populisten kennt.

Oppositionelle Eloquenz

Ulrich Rose hatte den Gestus eines klassischen Oppositionspolitikers inne. Eloquent, informiert, zynisch und von den herrschenden Zuständen sichtlich angepisst, schien es so, als wäre ihm bewußt, dass das Gros seiner Stimmen studentischer Natur sein wird. Umso sympathischer fand ich seine Vorstellungen davon, was mit den — durch das abrupte hauptwohnsitzliche Ummelden von Studenten in die Stadtkasse fließenden — 1,6 Millionen Euro anzustellen sei.

Während die anderen KandidatInnen das Geld (bzw. einen Teil davon) zugunsten der Studenten ausschütten wollten, verwies Rose auf die grassierende Kinderarmut in Greifswald und erklärte die Bekämpfung dieses strukturellen Problems (z.b. durch die Erstausstattung mit Schulmaterialien) zum allgemeinen Interesse der Stadt. Roses Beiträge wirkten normativer und unterschieden sich dadurch von den Anderen. So erklärte er seine Vorstellungen von staatlicher Daseinsfürsorge und leitete aus diesem Verständnis seine Vorschläge ab.

Seine Ideen über die zukünftige Gestaltung des Verkehrs in der Stadt entspringen dem Geist eines modern-ökologischen Vernunftsmenschen und der Erfahrung eines Fahrradfahrers.

Die Veranstaltung war sehr gut besucht, das Publikum höflich, neugierig und duldsam. Nach 90 Minuten moderierter Diskussion wurde von der Möglichkeit der direkten Fragen an die KandidatInnen rege Gebrauch gemacht. Der AStA hat eine rundum erfolgreiche Veranstaltung organisiert und durchgeführt, dafür gebührt ihm Respekt. Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass die BewerberInnen für das höchste Amt der Stadt Gelegenheit hatten, sich und ihre Positionen vorzustellen. Nach meiner Einschätzung gelang es allerdings allein Ulrich Rose, nachhaltig für seine Ideen und Zielsetzungen zu werben.

Die Saubermänner kommen

Mitglieder des CDU-Ortsverbandes Altstadt/Schönwalde haben vor einigen Tagen laut Ostsee Zeitung den Wall von Dreck und Unrat befreit. Das finde ich ganz phantastisch und das gehört sicher auch erwähnt, als eine der wenigen Glanztaten aus diesem Lager. Spannender finde ich es aber, die Rollle der Ostsee-Zeitung an dieser Stelle ein weiteres Mal zu hinterfragen. Böse Zungen vergessen nie zu giften, die OZ würde sehr einseitig und stets zugunsten der lokalen CDU berichten.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an Artikel wie CDU besucht Nexö-Schule. Am 01.04. fand im Klex eine Veranstaltung statt, bei der die OB-KandidatInnen Jugendlichen Rede und Antwort stehen sollten. Alle fünf AnwärterInnen waren vor Ort und fanden auch im Artikel Erwähnung. Das überdimensionierte Bild zum Artikel und die Bildunterschrift suggerierten allerdings etwas anderes.

Wie aus fünf nur noch einer wird

Wer Olaf Tammert kennt, kann ihn mit Mühe noch im linken Bildvordergrund ausmachen, aber die Aussage des Bildes ist ganz klar, dass sich der amtierende Oberbürgermeister mit Jugendlichen trifft und sich deren Sorgen und Nöte anhört. Eben eine knallharte Gesprächsrunde mit Arthur König und einigen Jugendlichen.

Kommunalwahlkampf in Greifswald

Hätten da nicht die vier anderen KandidatInnen mit aufs Bild gepasst? Mir graut es, wenn ich daran denke, wie OZ-LeserInnen aus Zeitnot schnell die Überschrift lesen, das Bild und anschließend die Bildunterschrift betrachten. Oder etwas polemischer, ein paar Fragen zum Thema 5 KandidatInnen im Gespräch mit den Jugendlichen:

  1. Welche OB-KandidatInnen erkennen Sie?
  2. Welche OB-KandidatInnen sind namentlich in der Bildunterschrift erwähnt?
  3. Zu welcher Partei gehört der abgebildete und namentlich erwähnte Kandidat?

Die CDU räumt die Stadt auf

Bildnachweise sind bei der Ostsee Zeitung sehr wichtig. Die Aktion der Saubermänner wurde privat photographiert und dann auf die zweite Seite des Lokalteils gehievt.

CDU Greifswald Müll

Wer schon mal vormittags über den Wall spaziert ist, hat sicher schon mehrfach die Reinigungskolonnen gesehen. Die lokale CDU gibt hier eine eindrucksvolle Lektion in Sachen Wahlkampf. Unterstützt von der Greifswalder Entsorgung GmbH (das Auto) und von der Ostsee Zeitung (die ganze Aktion wäre ohne Abdruck des Bildes nutzlos) wird hier ein positives Image konstruiert. Die gleichen Saubermänner sind es übrigens, die sich für das Kohlekraftwerk Lubmin aussprechen.

Der Tammert machts

Normalerweise entsteht beim Lesen der Ostsee-Zeitung ja eine qualvolle Mischung aus Fremdscham und Wut, aber heute konnte die Lektüre des Lokalblattes entzücken.

Eckhard Oberdörfer polemisierte zu Recht auf der lokalen Titelseite gegen den OB-Kandidaten Olaf Tammert. Jener tritt ohne Partei im Rücken zur Wahl an und scheint in einer Art Parallelwelt zu leben.

Gestern früh erschien eine Meldung in seinem Lokalmedium Greifswald News, nach der die Wahl sehr viel anders als erwartet ausgehen wird:

Die Umfrage brachte eine erstaunliche Wende zum Vorschein. Ähnlich wie in der Hansestadt Rostock, gibt es in Greifswald auch den Trend für einen parteilosen. Denn in der Umfrage überholt Olaf Tammert, mit 2 Prozentpunkten, den amtierenden Oberbürgermeister. Zwar erreicht er nicht die absolute Mehrheit, aber es läuft ganz klar auf eine Stichwahl hinaus. Die Einwohner haben wohl die Wahlkampfversprechen von 2001 nicht vergessen. Es geht nicht mehr darum, lächelnd in die Kamera zu schauen, sondern Lösungen zu erarbeiten und durchzusetzen. Wir freuen uns schon auf die ersten Auftritte der Kandidaten. „Greifswald-News“ wird darüber berichten

Dazu wird dann auch ein Diagramm serviert:

TAMMERTS FIRMENNETZ

Olaf Tammert besitzt laut dem Business-Netzwerk XING mehrere kleine Firmen, die in den Branchen Coaching, Online-Medien, Tourismus, Dienstleistungen, Freizeit, Marketing, Werbung, Online-Marketing, Internet, Mobile-Marketing, IT-Leasing, IT, CMS Typo3, IT-Security, Web-Security, Email-Security, Messaging Gateway Appliance, Anti-Spam, Anti-Virus, Outbound, Produktmanagement angesiedelt sind. Kurz gesagt: Er macht scheinbar alles und nichts. Und nur drei Websites weiter in der Vorstellung des Teams (von Greifweb.de) wird er beschrieben als Unser Chef – politisch auf der Höhe. Autsch!

Über die initiierte Umfrage müssen wohl keine Worte mehr verloren werden. Dieser Mann will Bürgermeister werden? Stadtvater? Ich sehe das schon in seiner Vita, direkt verlinkt ins Rathaus. Vielleicht sucht er ja ein neues Geschäftsfeld!