Bei der bevorstehenden Landtagswahl wird in Greifswald der parteilose Einzelkandidat Steven Fothke (SF) antreten, der sich gemeinsam mit seiner Verlobten Ly Dang (LD) für die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) engagiert. Vorgestern führten wir ein Gespräch über Erwerbsarbeit und Grundeinkommen, den Einzelwahlkämpfer Fothke und dessen Finanzierung, über seriöses Auftreten und das Gefühl, Teil einer Idee zu sein.
„ES GEHT DARUM, DIESE IDEE WEITERZUTRAGEN“
FLV: Was treibt dich an, bei der Wahl mitzumachen, obwohl dieses Unterfangen relativ aussichtslos ist?
SF: Es geht mir darum, diese Idee weiterzutragen und die Leute dazu zu animieren, sich über das bedingungslose Grundeinkommen zu belesen, beziehungsweise über das solidarische Bürgergeld, wie es bei der CDU jetzt heißt.
FLV: Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?
SF: Das BGE ist ein Einkommen, dass allen zustehen würde — unabhängig davon, ob sie arbeiten, arbeiten möchten, nicht arbeiten oder nicht arbeiten möchten. Das ist ein Betrag, der die Existenz sichert und dir die Angst vor existenzieller Unsicherheit nehmen soll.
FLV: Was unterscheidet das BGE von der früheren Sozialhilfe oder von Hartz IV?
SF: Du musst keinen Bedarfsantrag stellen und damit weder dich noch deine Familie bloßstellen. Drei Millionen Anspruchsberechtigte beantragen in Deutschland kein Hartz IV, um sich und ihren Familien diese Bedürftigkeitsprüfungen zu ersparen. Das BGE dagegen ist bedingungslos.
FLV: Ist das solidarische Bürgergeld auch bedingungslos?
SF: Ja, bedingungslos kriegst du 600 Euro, davon sollen 200 Euro Gesundheitsprämie sein. Mietkosten werden zusätzlich gezahlt, so dass unterm Strich 400 Euro übrig bleiben, die jeder definitiv hat. Das sind nur 10 Prozent mehr als Hartz IV, aber die sind bedingungslos: Du musst dich nicht offenbaren und keine Bedürftigkeitsprüfungen ablegen, die ja eigentlich gegen unser Grundgesetz verstoßen.
„DER VERALTETE BEGRIFF ‚ERWERBSARBEIT‘ FUNKTIONIERT NICHT MEHR“
FLV: Manche Kritiker nennen das Grundeinkommen „Stilllegungsprämie“. Glaubst du, dass Leute, die ein Grundeinkommen beziehen, noch arbeiten gehen werden?
SF: In Deutschland werden jährlich 60 Milliarden Stunden Erwerbsarbeit geleistet und etwa 96 Milliarden Stunden unbezahltes Ehrenamt, was mehr ist als die geleistete Schwarzarbeit, die auf etwa 4 Milliarden Stunden geschätzt wird. Ich glaube einfach daran, dass wir arbeiten. Mich stört, dass Politiker auf den „guten Bürger“ hoffen und diese ehrenamtlichen Tätigkeiten schätzen, aber in Bezug auf das BGE dann wieder misstrauisch fragen, wer denn dann noch arbeiten ginge.
Nein, das bedingungslose Grundeinkommen ist keine Stilllegungsprämie, sondern ermöglicht dem Einzelnen, zu überlegen, was er macht. Und das wird Arbeit sein.
FLV: Was bedeutet denn Arbeit?
SF: Wir verstehen unter dem Begriff ‚Arbeit‘ heute Erwerbsarbeit. All diese Leistungen und Existenzsicherungen spiegeln wir zwar mit dem Wort ‚Arbeit‘ wider, meinen aber Erwerbsarbeit. Aufgrund dieser angeführten Stundenbeispiele wird aber deutlich, dass das nicht stimmt. Existenzleistungen erbringen auch ehrenamtliche Arbeiten, die durch das BGE aufgewertet würden. Wir müssen weg von diesem längst veralteten Begriff ‚Erwerbsarbeit‘, der funktioniert nicht mehr.
Die SPD macht Wahlwerbung mit „guter Arbeit“, wahrscheinlich, weil sie sich nicht trauen – und das auch zu Recht – das Wort „Vollbeschäftigung“ in den Mund zu nehmen. Die schreiben „gute Arbeit“, damit Leute „gut leben“ können. Ist denn ehrenamtliche Arbeit, von der man momentan nicht leben kann, keine gute Arbeit?
FLV: Damals gab es diesen BGE-Slogan „Was würden Sie tun, wenn Sie ein bedingungsloses Grundeinkommen bekämen?“ Was würdest du denn dann arbeiten?
SF: Ich bin dabei, Lehrer zu werden und bin das auch — glaube ich — durch und durch.
LD: Lehrern würde zum Beispiel durch ein Grundeinkommen ermöglicht, auch einfach mal Pause zu machen, wenn sie nicht mehr können oder einen Burnout haben.
„KENNT IHR JEMANDEN, DER MIT DEM GRUNDEINKOMMEN KANDIDIEREN WÜRDE?“
FLV: Das BGE wird parteiübergeifend diskutiert, vom solidarischen und liberalen Bürgergeld der CDU und FDP, über die Grünen und die Piraten bis zu Katja Kipping von der Linken. In deinem Wahlkampf fokussierst du dich ausschließlich auf dieses Thema – es ist der einzige wahrnehmbare Inhalt deiner Kandidatur.
SF: Ja, das ist die Idee.
FLV: Wie kam es eigentlich dazu? Wie bist du mit dem Thema Grundeinkommen in Berührung gekommen?
SF: Das Thema verdanke ich meiner Verlobten. Sie hat sich zuerst damit beschäftigt und mich dann quasi dazu gezwungen, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Das habe ich auch getan und die Idee des BGE sehr gut gefunden. Ich habe dann beschlossen, meine Examensarbeit nicht in Geschichte, sondern in Philosophie über Arbeitsbegriff und Menschenbild im BGE zu schreiben.
Wir wollten im September zur Woche des Grundeinkommens einen Vortrag zum BGE in der Museumswerft veranstalten. Dazu wollten wir noch eine zusätzliche Referentin einladen und das war Susanne Wiest, nachdem wir erfuhren, wer sie eigentlich ist. Wir haben uns dann getroffen und nach einem einstündigen Gespräch hat sie nicht nur diesen Vortrag zugesagt, sondern auch gefragt, ob wir jemanden kennen, der bei der Landtagswahl mit der Idee des BGE kandidieren würde. So kam es zu meiner Kandidatur.
„WIR HABEN OFT DAS GEFÜHL, AUF UNS ALLEINE GESTELLT ZU SEIN“
FLV: Habt ihr über den Kontakt zu Susanne Wiest hinaus noch Berührungspunkte in die BGE-Szene?
SF: Ja, der Kontakt ist da. Ich habe – nachdem die Kandidatur feststand – die Frage gestellt, ob man mir Material schicken kann. Ich habe kein Geld, möchte aber trotzdem einen guten Wahlkampf machen. Wenige Stunden später kam die Antwort und inzwischen sind die BGE-Postkarten angekommen. Das ist ein Netzwerk, das funktioniert.
LD: Wir haben dann auch Adrienne Goehler getroffen. Die war mal Senatorin für Kultur und Wissenschaft in Berlin und auch Direktorin der Hamburger Kunsthochschule. Dadurch hatte sie viel mit Künstlern zu tun, hat sie begleitet und gesehen, was so aus denen wird. Sie hat gemeinsam mit Götz Werner das Buch 1000€ für jeden. Freiheit, Gleichheit, Grundeinkommen geschrieben. Wir haben sie bei einer ihrer Lesungen getroffen und uns mit ihr unterhalten. Das war sehr spannend und sie hat uns auch ermutigt.
FLV: Wie sieht es aus mit euren Unterstützern?
SF: Wir erfahren, wie gesagt, Unterstützung durch das Netzwerk Grundeinkommen und natürlich durch Susanne Wiest, die dort auch aktiv und für uns erreichbar ist, wenn wir Fragen haben. Und auch durch unsere Freunde von der Museumswerft. Ansonsten haben wir aber auch sehr oft das Gefühl, auf uns alleine gestellt zu sein.
FLV: Gibt es Leute, die deinen Wahlkampf finanzieren?
SF: Nein, überhaupt nicht. Wir haben ein enges Budget und geben wenig Geld aus, für den gesamten Wahlkampf etwa 200 bis 250 Euro. Das ist jetzt noch nicht soviel, dass ein Spendenkonto notwendig würde.
FLV: Wo wir gerade beim Thema Wahlkampf sind: Im St. Spiritus fand das Wahlforum der Ostsee-Zeitung statt und es fehlten zwei Kandidaten: der NPD-Mann aus Ueckermünde und du. Wurdest du nicht eingeladen?
SF: Ja, ich wurde leider nicht eingeladen. Dass ich darüber nicht ganz glücklich bin, habe ich dann auch auf der Veranstaltung gesagt, als ich das Mikro kurz ergreifen durfte. Soviel zur Kommunalpolitik hätte ich andererseits aber auch nicht sagen können, ich trete mit einer Idee an.
„ICH MÖCHTE NICHT IM BAUMWOLLPULLOVER DASTEHEN“
Bei Facebook kommentierte jemand dein Foto, weil er deine Kleidung unpassend fand. Es entwickelte sich dann eine Minidiskussion, die ihre Zuspitzung in der Frage erfuhr, ob du dich als BGEler nicht in Jogginghose präsentieren müsstest. Wieso Hemd und Weste?
SF: Ich will so seriös wie möglich an dieses Thema gehen und dazu gehört in meinen Augen auch gepflegte Kleidung. Ich möchte ernst genommen werden — sowohl von der Politik als auch von der Gesellschaft und möchte dann nicht im Baumwollpullover dastehen und sagen: „Wählt eine Möglichkeit zur Freiheit!“. Es ist auch nicht schlimm, wenn man das so macht, aber das ist nicht mein Stil.
Man muss dazu sagen, dass das am Anfang nicht gewollt war – weder Name noch Foto. Wir wollten am Anfang nur für diese Idee Werbung machen und sie deswegen in den Vordergrund rücken. Je mehr Leute diese Idee wählen, desto stärker wird sie. Nun kommt das Problem: Der Begriff Grundeinkommen steht nicht auf dem Wahlzettel.
FLV: Aber das war ja eigentlich das Ziel, oder nicht?
SF: Das war das Ziel. Bei der Bundestagswahl konnte man hinter den Namen – damals Susanne Wiest – in Klammern den Begriff Grundeinkommen platzieren. Das funktioniert bei der Landtagswahl leider nicht.
FLV: Empfindest du es eher als vorteilhaft oder nachteilig, dass du als Einzelbewerber ohne Partei antrittst?
Hürden wie zum Beispiel diese 100 Unterschriften zu sammeln, fand ich gut. So kommt man ja zum allerersten Mal ins Gespräch mit Leuten, die das BGE noch nicht kennen. Wenn man aber einen richtigen Wahlkampf führen möchte, ist es wirklich schwierig, finanziell mit den Parteien mitzuhalten. Wir haben ja Glück, dass wir in Greifswald sind. Andere sind auf dem Land und müssen auf größerer Fläche auf sich aufmerksam machen.
FLV: Wie schätzt du deine Chancen ein, am 4. September nach Schwerin gewählt zu werden?
SF: Diese Chance ist sehr gering. Mein persönliches Ziel sind 500 bis 600 Stimmen.
FLV: Viel Erfolg dabei!
____________________________
Weitere Links:
- Blog: Grundeinkommen im Landtag
- Facebook: Seite zur Kandidatur
Interessant. Vielen Dank.
Gerade die Überlegungen zum „solidarischen Bürgergeld“ scheinen mir relativ naiv zu sein. Fothke sagt: „Du musst dich nicht offenbaren und keine Bedürftigkeitsprüfungen ablegen, die ja eigentlich gegen unser Grundgesetz verstoßen.“
Das stimmt so nicht. Auf der offiziellen Website zum BG findet sich dies: „Die Kosten der Unterkunft und zusätzliche Bedarfe werden nach Bedürftigkeit gewährt.“ Aha!
http://www.solidarisches-buergergeld.de/index.php/de/konzept
Wenn also ein Teil des Geldes nur gegen Bedürftigkeitsprüfung gewährt wird, dann haben wir keinen Gewinn. Gewinnen werden nur die Spitzenverdiener, da deren Steuersatz auf 25 % sinkt. Die wirklich Bedürftigen (ALG II-Berechtigte) müssen weiterhin alles offenbaren, um z.B. ihre Miete zu bekommen, für sie ändert sich nichts. Der Erfinder des BG, Straubhaar, ist als INSM-Botschafter seiner Aufgabe gerecht geworden, und findet auch noch MItstreiter.
Zur Kritik am BG: http://www.initiative-gm.de/althaus-buergergeld-und-bedingungsloses-grundeinkommen.htm
Vor falschen Freunden beim bGE muss dringend gewarnt werden.
Das ist mein Kandidat!! 🙂
Steven, ich habe Dich zum Fressen gern!!!
Hätten wir mehr Männer wie Steven, könnten wir uns die hässlichen Wahlplakate mit den darauf abgebildeten Kackbratzen in HGW sparen!!!
Gibt es zu diesen interessanten Zahlen eine fundierte Quelle – also eine einzige mit einer Erhebungsmethodik, der diesen Vergleich halbwegs zulässt? Diese Zahlen in dieser Relation klingen für mich absolut erschreckend und sehr unlogisch.
Unglaublich! Schöne Zahlen. Ach, wozu denn so’ne Spendenkonto.
Dieses Interview hier muss nicht budgetiert werden und bringt was. Diese stetig steigenden Werbebudgets im „Wahlkampf“ sind prinzipiell Mist. Jedesmal mehr Plakate, der platten Idee folgend, einem mal flink die Stimmen abkaufen bzw. diese behalten zu wollen. Für dieses „man kann alles verkaufen … mit schicken Bildern und flotten Sprüchen“-Prinzip wird mehr und mehr GELD ausgegeben. Auch wenns funktionieren mag, weil massentauglich – die Wahlstimme ist nun mal nicht der eine Euro – für’ne schokoriegel oder so – den man mal so simpel fallen lässt. Davon scheinen aber die meisten Parteien auszugehen – was sie für mich irgendwie sofort unwählbar macht. Bleibt mal so distanziert von diesem Standard – 250 Euro *das gefällt mir*. (und ich schau mir jedes Wahlplakat was ich seh länger als 1,3 Sekunden an – und find alle lustig. Egal was da für ein Spruch oder wessen Grinse-Gesicht da drauf ist. Ich fühl mich bei jedem Wahlplakate vereimert.)
Sehr gut, wenn die Entwicklung des Baumwolle-Weltmarktpreises und die daraus resultierenden Problem so verfolgt.
Schließe ich mich an. Sehr sympathisch das Alles (das Nichtzitierte auch) – wählbar. Bin ich ja mal gespannt, obs die 600 Stimmen werden.
@Gregor Kochhahn:
ja sicher is’es naiv, wenn man immer zu Grunde legt, dass ALLES andere so weiterlaufen soll/MUSS. Dafür wird doch jede gute Idee schon im Ansatz abgewatscht, weil das Gesamtmist ja am Laufen gehalten werden soll/muss(?). Ideen sind nie zu 100% in Bestehendes einbettbar, sondern Ansätze. Oder salopp: diese kleine Revolution kann man doch mal probieren – beschissener kanns‘ eh nicht werden. Das ist nicht naiv. Aber es ist vielleicht naiv zu glauben, dass Ideen doof sind, weil man glaubt, dass ALLES andere so weiter laufen kann. 😉 Manchmal ergibt sich ALLES von selbst aus einer guten Idee.
(Nein, ich führe das nicht weiter aus, weil ich bin kein Politiker, nur ein alternativ- und kompromisloser Wähler. Von mir aus auch ein lapidarer Protestwähler – kann ich auch gut mit leben.)
-FIN-
600-1000€ als BGE zusätzlich in der Tasche würde auch die arbeitende bzw. arbeitswillige Bevölkerung freuen. Besser könnte man die Binnennachfrage gar nicht anregen. Wenn man das ganze Geld sparen würde, könnte man sich schon nach 3 Jahren ein neues Auto kaufen zum Beispiel. Tourismus, Gastronomie, Einzelhandel, alle würden davon profitieren, die Krankenkassen, wenn man 200€ abdrücken muss. Und die Banken, wenn noch mehr Deutsche Geld anlegen und sparen könnten. Ohne Existenzsorgen könnten viel mehr Ideen entwickelt und umgesetzt werden, wenn mehrere Personen ihr BGE zusammenlegen würden. Mehr Konsum bringt dem Staat natürlich auch höhere Steuereinnahmen. In Familien mit wenig Einkünften gäbe es weniger Probleme und die Kinder könnten sich gleich viel besser auf die und in der Schule konzentrieren. Deutschland, ich sehe eine Zeit von Wohlstand für Alle anbrechen. Dass darüber noch diskutiert wird und diese Meinungsmache, dass dann keiner mehr arbeiten gehen wird.
Vielen Dank für das Interview. Klingt erstmal sehr verlockend. Mich aber irritiert die dahinterliegende Idee: warum soll jemand Anspruch auf Geld haben, nur weil er in Deutschland geboren wurde? Ich denke, dass sich mit dem BGE eine Anspruchshaltung entwickelt, die ich nicht gut heiße. Niemand hat irgendwo ein Recht auf Geld.
Zudem glaube ich, dass das BGE die weitere Spaltung der Gesellschaft unterstützen würde: zwischen denen, die „nur“ vom BGE leben und denen die es vorrangig finanzieren (einer besteuerten Erwerbsarbeit nachgehen).
Dass man seine Bedürftigkeit mehr oder weniger ganzheitlich offen legt, finde ich im Grunde nicht verkehrt (Auswüchse muss man natürlich abschaffen!). Denn: ich gebe gern einen großen Teil meines Einkommens in die Sozialkassen. Aber ich will damit nicht die unterstützen, die es nicht nötig haben. Ich finde es richtig, dass der Staat, dem ich mein Geld für Sozialausgleich anvertraue, auch prüft, wer das nötig hat.
Bedingungsloses Einkommen ist im Grunde eine Ide(ologi)e, die das Paradies herdenkt. Das ist, soweit ich es sehe, noch nicht eingetroffen und wird es auch nicht, solange sich menschliche Grundkonstanten/-verhaltensweisen nicht ändern.
Hier ein Bundesverfassungsgerichtsurteil zum bedingungslosen Grundeinkommen und zu den gegenwärtigen Sozialhilfesätzen.
„Der Staat hat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges
Leben zu sichern“ [BVerfG v. 21.5.1990, BVerfGE 82, S. 60 [80]]
warum nicht! dann fällt der ganze Beamten Apparat weg & der Staat spart sich Millionen die er dann wiederum in seine Bürger investieren kann. Jedoch muss man aufpassen, dass nicht dann alle Welt kommt um auch von diesem Vorteil zu misbrauchen, daher sollte es überall ein Grundeinkommen geben. Dies ist natürlich auch NUR möglich wenn sich die Menschen nicht wie die Hasen vermehren!!! wir brauchen Qualität u. nicht Quantität – Kultur u. Bildung ….
96 Mrd. Stunden ehrenamtliche Arbeit würden auch weiterhin geleistet werden, weil es die Menschen aus Überzeugung, Spaß oder anderen privaten Gründen tun. Aber warum sollte man mit einem BGE in der Tasche weiterhin der „Erwerbsarbeit“ nachgehen? Also dem Job, vor dem es den meisten am Sonntagabend schon vor Montag graut…
@ MA
Achtung, Wahrnehmung: man gibt dem Staat doch nicht einen Teil seines Einkommens, er nimmt es sich, bzw. der Gesetzgeber. Nicht das ich das verkehrt finden würde.
Es geht ja meiner Meinung nach nicht darum, paradiesische Zustände für das Individuum zuschaffen. Die BGE-Empfänger verwalten das Geld nur. Viel Kohle bliebe am Monatsende nicht übrig und das Meiste gelänge in die Wirtschaft, zu den Banken, zurück an den Staat.
Es würde sich auch lohnen, weiter einer Erwerbsarbeit nachzugehen, aus dem ganz einfachen Grund: mehr Einkommen, höheres Lebensniveau. Was sind schon 600€: 200€ Gesundheitsprämie, 200€ Miete, 200€ Lebensmittel etc.
Ich könnte mir auch Vorstellen, dass die Klufft zwischen nur BGE-Empfängern und Arbeitenden+BGE-Empfängern nicht von Bedeutung wäre, sondern dass es eine teilweise Spaltung der Gesellschaft in Konsumenten und Produzenten von Waren, Produkten und Dienstleistungen gäbe.
Naja ihr habt schon Recht mit euren Bedenken, was Missbrauch und menschliche Verhaltensweisen anbelangt. Ich seh das schon etwas optimistisch, dass davon die wirtschaftschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung profitieren könnten, aber heh, sowas ist ein Prozess, da sollte man sowas ausprobieren.
@Angelika Geyer
Besten Dank für diesen Hinweis.
Was heißt „Mindest“, „Voraussetzungen“ oder „ein menschenwürdiges Leben“? Straßen? Geldzuwendungen? Bildung? Fernsehen? Internet? Arbeit? Selbstwert? Abwasserleitungen? … Und wie viel davon? …
Das ist sehr schwierig zu bestimmen. Und ob das mit BGE geregelt/umgesetzt ist? Ich denke nicht.
Ich finde es schwierig, vom „Staat“ zu erwarten. Denn wer ist „der Staat“? Der Staat bin ich und Du und alle anderen die hier leben und sich Verwaltungsstrukturen geschaffen haben/vorgefunden haben/mit bzw. in ihnen leben.
Wie gesagt: BGE ist eine nette Ide(ologi)e – ich kann dem viel abgewinnen. Dennoch: Viel wichtiger ist für mich u.a. Identifikation und Selbstverantwortung. Und das ist mit Geld (BGE) nicht „zu machen“. Übrigens wurde noch nie eine Ide(ologi)e mit Geld in die Köpfe gebracht. Vielmehr verrät Geld oft genug und leider die Ideale.
@ BBB
Zur Wahrnehmung: vielleicht bin ich hier etwas einseitig. Richtig, der Staat nimmt. Dennoch: wenn ich das nicht will/dem (innerlich) nicht zustimme, dann habe ich die Möglichkeit (aus diesem Land) zu gehen. Ich bin ein freies Individuum. (Natürlich: in Sachzwängen etc.)
Zum Konsum: der Konsum soll mit dieser dünnen Geldschicht angeregt werden? Das kann ich mir nicht/kaum vorstellen. Die großen Margen werden doch nicht mit Brot, Obst oder Gemüse gemacht. Und viel mehr ist dann nicht drin (bei nur BGE). Diesen Zustand haben wir doch jetzt schon.
Zu Ausprobieren: klar. Sollte man ausprobieren. Nur nicht mit 85 Mill Menschen. Würde gern sehen, wie das in einem kleineren „Projekt“ funktioniert, z.B. in einem Bundesland wie MV.
Meine Anfrage liegt in der Grundhaltung: steht mir dieses Geld bedingungslos zu oder nicht. Und ich denke nicht.
„Identifikation und Selbstverantwortung“!?. stell dir vor du hast endlich die sicherheit selbst zu enscheiden woraus dein leben bestehen soll. du kannst endlich die verantwort für dein leben übernehmen. zb dich selbst für dein bildungsweg entscheiden weil du nicht mehr von deine eltern abhängig bist. kannst dir endlich erlauben mehr zeit mit deienem kind zu verbringen. kannst endlich die arbeit verichten die dein leben füllt.
traumhaft oder?
da könnte ich mich wohl endlich mit deutschland identifizieren. mit den menschen die hier leben und die grundlage haben sich selbst zu verwirklichen.
@ traumhaft
All die Beispiele sind wirklich gute Dinge. Ich bin mir nur nicht sicher, ob man sie mit einem Grundgeldbetrag mehr als bisher anstrebt. Das ist wahrscheinlich eine Glaubensfrage. Ich denke nicht, dass ein Grundgeldbetrag diese Sicherheit bietet. Sollte Geld Lebenssicherheit bieten?
Tut mir Leid, aber
Grundeinkommen und BG sind Hirngespinste.
Jede Subvention (und beide Modelle wären das) wird vom Markt über kurz oder lang gefressen. Am Ende sind die Leistungen um genau den Betrag teurer, den die Subvention ausmacht (s. Untersuchungen zur Eigenheimförderung)
BGE und BG sind ein Fressen für den Einzelhandel und die Vermieter, weil so endlich wieder Musik im Markt ist.
Wie schon H IV zeigt, hilft ein bundesweit gleicher Betrag auch nicht weiter. In prosperierenden Gegenden ist es nur eine Kleinigkeit, in anderen Gegenden stört die Höhe den Wirtschaftskreislauf, weil dann nur noch Konzerne, der Staat oder subventionierte Betriebe (Behindertenwerkstätten z.B.) überleben können. (die notwendige Höhe eines Lohnes läßt sich dann nicht mehr erwirtschaften).
Eine Folge könnte u.a. sein, daß dann mehr Zwangsarbeit gefordert wird, weil z.B. die Reinigung öffentlicher Flächen nicht mehr machbar ist. (gerne können wir darüber diskutieren, ob Putzkräfte ordentlich bezahlt sind, aber erst will ich einen Vorschlag hören, wo diese zusätzlichen Mittel an anderer Stelle gespart werden sollen)
Im Übrigen ist widerlegt, daß finanzieller Spielraum automatisch Ehrenamtl. Engagement bringt: Ganz Ostdeutschland war fast 10 Jahre mit ALGI alimentiert, ohne daß hier auch nur annährend eine Ehrenamtslandschaft entstand wie im Westen (mit 50h Job und alle dem). dabei gab es hier ausreichend ABM etc, um Leute von Außen in Vereine zu bringen (zwingen).
Letztendlich bleibt auch ein stabiler Grundsatz der Staatsfinanzierung: Kapital ist und bleibt flüchtig, besteuerbar sind nur lokal verrichtete Arbeit und Umsätze. Davon sind immer die ärmeren 2/3 betroffen. Freigesetztes Kapital wird nur freiwillig besteuert. Je größer der Haufen, desto mehr Wege der Steuerumgehung bestehen ganz real (Einkauf im Ausland z.B. wenn die Konsumsteuern steigen)
Und keine Staatsausgabe (Subvention) finanziert sich selbst, es gibt zu viele Lecks im angeblichen „Kreislauf“.
Und einen Versuch auf BGE oder BG wird es nicht geben (können), schon die Finanzierung wäre spannend (wieviel Panzer oder Bomber weniger?). Außerdem riecht das ganze extrem nach Blut&Boden. Dürfen Asylsuchende auch profitieren? Und Schweizerinnen, die umziehen. Um darf ich den Anspruch auch mit nach Mexiko nehmen? Und warum nicht für alle AfrikanerInnen, die hier leben wollen? Und wird es dann Leute geben, die sich hier für einen Hungerlohn den Arsch aufreißen, um den subventionierten „Überlebenskünslern“ den Statt zu machen (Müll, Schule, Grünanlage, Kinderbetreuung?)
Ein Trugbild, um die Leute abzulenken. Mehr nicht. Aber super attraktiv, weil ja jedeR profitiert…. (wer’s glaubt).
Zukunft (mit den beliebten stattlichen Aufgaben) wird es nur geben, wenn die Subvention des oberen Drittels eingestellt wird und der Staat (jede Kommune!) die Finanzen in den Griff bekommt. Leistungen müssen nach Leistungsfähigkeit gestaffelt bezahlt werden , also kostenlose Bildung für die Armen und Schulgeld für die Leistungsfähigen z.B. Und nicht eine Leistungsbefreiung wie bei der KV für die Leistungsfähigsten.
tut mir leid, mein Pessimismus.
@ Gregor Kochan
Danke für Ihren Hinweis. Wir sind ebenfalls gegen eine umfangreiche Bedürftigkeitsprüfung bei einem Antrag auf Unterkunftskosten. Es tut uns leid, dass wir dies nicht betont haben.
Unsere Absicht lag nicht darin das Solidarische Bürgergeld Modell mit der Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens gleichzusetzen. Wenn man den heutigen OZ-Artikel liest, könnte man ebenfalls meinen, wir vertreten das Solidarische Bürgergeld. Dies ist ein Trugschluss und eine verkürzte und unzureichende Version des Interviews. Das Solidarische Bürgergeld hat Übereinstimmungen im Menschenbild und dem erweiterten Arbeitsbegriff mit anderen Konzepten des BGEs. Es bietet nur eine Form der möglichen Finanzierung. Wir wünschen uns, dass alle Konzepte in Betracht gezogen werden, wenn es darum geht tatsächlich ein BGE einzuführen. Auf meinem Blog ist zu sehen, dass ich die Idee des BGEs vertrete und nicht ein Konzept bevorzuge.
Mit freundlichen Grüßen Steven Fothke.
P.S.: Der zweite Link geht auf das veraltete Althaus Modell ein.
@ Steven Fothke
Danke für den Hinweis! Es sah in der Tat so aus, als ob es eine, meiner Ansicht nach, zu starke Ausrichtung auf das BG gegeben hätte. Trotzdem muss gerade beim bGE immer gefragt werden: Qui bono?
Und da gibt schon Konzepte, und dazu zähle ich auch das solidarische BG, die andere Interessen als die der Betroffenen im Blick haben. Ich hoffe, wir bleiben im Gespräch. Sie wollen, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, im September eine Diskussionsrunde veranstalten. Ich hoffe, ich erfahre davon.
Wir, d.h. die Landesgrünen, wollen demnächst eine Konferenz zur Zukunft der sozialen Sicherungssysteme einladen. Auch das bGE wird in unterschiedlichen Konzepten sicher diskutiert werden.
MfG
Gregor Kochhan