Deutschland, entblättert lautet der markige Titel eines aktuellen und unbedingt lesenswerten Artikels der ZEIT. Seit Montag ist der Beitrag auch in der Online-Ausgabe einsehbar.
Die mit dem Erich-Klabunde-Preis für sozial engagierten Journalismus ausgezeichnete Redakteurin Anita Blasberg und der Wirtschaftsjournalist Götz Hamann beschäftigen sich sehr ausführlich mit der deutschen Medienkrise – so es sich um eine Krise handelt – und beschreiben die problematische Melange aus fehlenden Anzeigenkunden, Sparmaßnahmen, sinkender Qualität und schlussendlich einer daraus resultierenden Bedrohung des demokratischen Systems.
Neben der Süddeutschen Zeitung geht es unter anderem um die Ostsee-Zeitung und den Nordkurier, um das seit vier Jahren geschlossene OZ-Büro in Anklam und den Wandel von Journalisten zu Content-Managern. „Erst spart man an der Qualität, dann verliert man Leser, dann spart man noch mehr, um die Verluste aufzufangen, und am Ende hat man die Zeitschrift kaputtgespart.“
Fehlende journalistische Qualität weist der Ostee-Zeitung-Blog der titelspendenden Zeitung mehrmals täglich nach. In Kombination mit den dort erscheinenden Artikeln rezipiert man gewissermaßen die kommentierte Ausgabe des Regionalblattes.
Die Ostsee-Zeitung druckt Artikel von Pressesprechern
Die Greifswalder Lokalredaktion der Ostsee-Zeitung schaffte es ebenfalls in den ZEIT-Artikel, wird dort gerügt und man schämte sich fast ein wenig, im Erscheinungsgebiet zu leben, wüsste man nicht bereits um die Problematik: „Die traditionsreiche Ostseezeitung druckt Artikel von Pressesprechern wie Dirk Lenz. Unter seinem Kürzel D.L. hat der Autor über die erfolgreiche Ausbildung an der Berufsfachschule Greifswald geschrieben – ohne die Erwähnung, dass er für deren Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich ist.“
Einen ausführlichen und erkenntnisreichen Kommentar über die Arbeit der Greifswalder Lokalredaktion hat auch der webMoritz-Vater Sebastian Jabbusch 2008 veröffentlicht.
Darin geht es um tendenziöse Berichterstattung vor der Oberbürgermeisterwahl 2008, um den WVG-Verkauf, den BiG-Skandal, den Umgang mit Pressemitteilungen und nicht zuletzt um das anfängliche Schweigen der Redaktion zur Schelsky-Affäre, die das hiesige CDU-Netzwerk in keinem guten Licht erscheinen ließ.
Aussitzen, abwarten, ausschweigen
Das Ausschweigen und Aussitzen hat sich in den vergangenen Jahren als mehr oder weniger erfolgreiche Handlungsstrategie der Redaktion erwiesen, sieht man von den schwindenden Leserzahlen und dem demolierten Image der Lokalzeitung ab. Zuletzt verzichteten die Medienmacher aus der Bachstraße darauf, ihre Greifswalder Leser und Leserinnen darüber zu informieren, dass Mitglieder der rechten Burschenschaft Rugia nachts das IKUWO angegriffen haben. Stattdessen gelang es, auch noch den sechsten Artikel zum tragischen Schicksal der Hündin Ira zu veröffentlichen.
„Die OZ ist eher das Verteidigungsorgan der herrschenden politischen Kräfte“ wusste ein Stadtpolitiker für Jabbuschs Kommentar zu berichten und Dr. Ulrich Rose von den kommunalen Grünen ergänzte: „Das große Problem am Greifswalder politischen Diskurs ist, dass dieser nicht existiert. Daran trägt die völlig recherchefreie Berichterstattung der Ostsee-Zeitung ein gerüttelt Maß Mitschuld. Die Lokalzeitung gehört zum schwarzen Block dazu.“
Bis zur Publikation seiner Fundamentalkritik im webMoritz und dem Greifswalder Stadtblatt war Jabbusch übrigens noch freier Mitarbeiter bei der Ostsee Zeitung. Danach musste er dort sicher nicht mehr nach einem Auftrag fragen. Übrigens hat sich inzwischen auch Bloggerkollege daburna mit dem Dossier beschäftigt.
(Foto: Marco Herzog)
Diese manipulative, verzerrende Meinungsmache der OZ, der kein Medium entgegensteht, das auch von einem Großteil der hiesige Bevölkerung gelesen wird, müsste viel mehr und viel lauter skandalisiert werden. Das politische Engagement o.ä. in dieser Stadt ist der Laune einiger weniger ausgeliefert (siehe Arndt- Debatte)
Aber wahrscheinlich würde auch das deutschlandweite Skandalisieren nix nützen, wen interessiert schon Vorpommern :-p
Sehr gut zusammengetragen! Danke!
Schade, dass der Zeit-Artikel so sehr lang ist und einigen Lesern Mitleidstränen entlocken dürfte (die armen, gehetzten Redakteure). Ich habe mit den Redakteuren kein Mitleid. Wer zu feige ist, dort nicht mehr mitzumachen, ist auch zu feige, heikle Themen ins Blatt zu bringen.
Noch zum letzten Absatz im Eintrag:
„Danach musste er dort sicher nicht mehr nach einem Auftrag fragen.“
Hat er denn gefragt? Er sollte es doch wenigstens versuchen, falls er dafür Zeit hat und ein paar Geschichten anbieten. Bei der permanenten Materialknappheit in der OZ wäre es den Versuch wert. Dann könnte im Falle der Ablehnung im Blog stehen: Er bekommt keine Aufträge mehr – Wirklichkeitsform statt Möglichkeitsform.
http://www.stern.de/kultur/tv/streit-um-zdf-chefredakteur-brender-cdu-gefaehrdet-pressefreiheit-1524014.html
der obere link passt allgemein auch sehr gut in diese sparte… deutsche presse und ihre auslieferung….
vielen dank für den artikel und die verweisenden links!
Ich hab schon mal gefragt. Ich bin da nicht mehr willkommen…
@ S. Jabbusch
Ja wenn das so ist, dann gilt die Wirklichkeitsform.
Wer, wie Redakteure der Greifswalder Zeitung, sich für fehlerfrei halten, kann natürlich nichts mit Leuten anfangen, die behaupten: „Doch die machen Fehler, mitunter sogar presserechtlich relevante.“ Denn für einen sich fehlerfrei Dünkenden hat dann, logisch, der Kritiker die Fehler gemacht. Und Leute, die Fehler machen, als Freie beschäftigen und auf die Leser loslassen? Wo kämen wir da hin?
Mit Jabbusch wäre dann ja nur noch ein weiterer Redakteur (wieder) bei der OZ, der sich für fehlerfrei hält. Vermutlich sogar der Redakteur Greifswalds, der glaubt, der Fehlerloseste zu sein. Da ist sogar der Ist-Zustand als besser zu nennen. Zumal Jabbusch als nunmehr Oberpirat (Welche politische Richtung/Zugehörigkeit war es eigentlich vorher?) und Arndt-Verbannungs-Vorreiter nun wahrlich nicht für vorurteilsfreie Berichterstattung (!) stehen könnte. Den Nachweis für das, was ich schreibe, tritt er ja Tag für Tag im webmoritz an.