Vortrag: Saufen, Schlagen, Seilschaften

Greifswalder Burschenschafter

Die Gewerkschaftliche Hochschulgruppe DGB Campus Greifswald und der Geographenkeller veranstalten heute einen Vortragsabend und laden zur Beschäftigung mit und der Kritik an Studentenverbindungen ein.

Das Thema wurde in der Vergangenheit immer wieder kontrovers diskutiert. Vor mehreren Jahren waren zwei Mitglieder der als rechtskonservativ bis rechts eingeschätzten Burschenschaft Rugia immer wieder bei NPD-Veranstaltungen aktiv, vor einem guten Jahr griffen drei bewaffnete Rugianer das IKUWO an. Wenige Wochen zuvor wurde im Anschluss an eine antifaschistische Demonstration das Haus der Markomannia von zugereisten Teilnehmerinnen mit Steinen attackiert.

Greifswalder Burschenschafter

Erst gestern Abend stand ein von Alexander Schmidt gestellter Antrag im StuPa zur Diskussion, der dem AStA einerseits die Aufklärung über Studentenverbindungen untersagen sollte und andererseits durchgesetzt hätte, dass die noch verbliebenen Exemplare des bereits existierenden Aufklärungsflyers vernichtet würden (die beiden Seiten dieses Flyers sind hier und hier abrufbar). Dieser Antrag wurde nicht angenommen.

Kritischer Überblick aus antifaschistischer Sicht

Der Referent des heutigen Abends ist Jörg Kronauer, Mitautor des Buchs Studentenverbindungen in Deutschland: Ein kritischer Überblick aus antifaschistischer Sicht. Er wird unter dem Vortragstitel Saufen, Schlagen Seilschaften – zur Kritik des Verbindungs(un)wesens über die Wurzeln und den Werdegang studentischer Verbindungen referieren und ihre gesellschaftliche Bedeutung diskutieren.

„Das in den Verbindungen gepflegte Gesellschaftsbild gilt als konservativ und von einem eigenen Eliteanspruch geprägt, die Geschlechterrollen sind klar verteilt, Rituale beherrschen einen großen Teil des Zusammenlebens. Die Beziehungen, die in einer Studentenverbindung geknüpft werden, sind auf lebenslange Dauer angelegt. Häufig schaffen es Mitglieder von Verbindungen, begünstigt durch gute Kontakte ihrer „Alten Herren”, bis nach „ganz oben”, sei es in der Justiz, der Politik, der Wirtschaft oder in den Medien.

Auch wenn sich einige Verbindungen gegen den Vorwurf wehren, rechts zu sein, fanden doch viele Rechtskonservative und Nazis ihre politischen Anfänge in studentischen Korporationen. Immer wieder werden auch Angehörige von Burschenschaften im Nazimilieu aktiv. Gleichzeitig entsprechen die studentischen Verbindungen heute wieder einem gesellschaftlichen Trend zum Konservatismus und zu nationalistischer und militaristischer Ideologie. Schließlich sind die Verbindungen mitunter auch einfach durch die gemeinsamen Wohnmöglichkeiten, die sie bieten, für Erstsemester an einem neuen Studienort attraktiv.“

Der gleiche Vortrag fand bereits gestern in Rostock statt.

Fakten: 12.01. | 19.30 | Geographenkeller | Einritt frei

11 Gedanken zu „Vortrag: Saufen, Schlagen, Seilschaften

  1. Hallo liebe Greifswalder,

    ich habe den Vortrag gestern in Rostock verfolgt und kann eine Teilnahme sehr empfehlen. Der Referent thematisiert das Studentenverbindungswesen sehr differenziert und fundiert und macht seine Kritik dadurch natürlich nur umso glaubwürdiger. Der Saal in der Uni war voll. Darunter waren auch viele Vertreter der Rostocker Studentenverbindungen.
    Etwas enttäuscht war ich eigentlich nur von dem viel zu disskussionsunfreudigen Publikum. Hoffentlich haben bei euch sowohl die Kritiker als auch die Mitglieder der Verbindungen mehr auf die Thesen von Jörg Kronauer zu entgegnen.

    Liebe Grüße aus Rostock
    Elisabeth

  2. Na da müssen die Verbindungen ja bald wieder ma ne Veranstaltung machen, auf der sie dann „aktive Toleranz“ fordern können.
    Aber diesem verstaubten Verbindungswesen scheint ja doch noch jede Menge Reiz innezuwohnen. Oder erklärt sich das alles über Lust am gesteigerten Alkoholkonsum und die Hoffnung auf gute Kontakte?
    Ich finde den elitären Anstrich fast schon wieder entlarvend ironisch, so einige Verbindungsstudenten, die ich kenne, können keinen Satz geradeaus sprechen, denken aber, die gehören zur Elite, nur weil sie sich n Schlips umbinden können.

  3. neben allem ideologisch fragwürdigen, ist es ja vor allem die schiere blöde plumpsbubenhaftigkeit, die solche quatschigen verklüngelungs-institutionen wie burschen-, schwestern- und andere seilschaften verdächtig macht.

    verdächtig als hervorbringer und bewahrer unnötiger und schlicht lästiger hierarchisierungsstrukturen beispielweise.

    es handelt sich ja dort um das versprechen einer menschwerdung in gleichgeschalteten entmenschlichungs-brauchtümern. kaum muttis fittiche entflohen, befindet sich der geplagte bubi schon wieder als junger fuchs inmitten eines beknackten kneip-konvents, dessen zuvorderst als ach so stilvoll stilisiertes besäufnis im verlauf des abends zu einem orgiastischen heer wild durcheinandersaufender, ihre bierdeckel bestrichelnde, sich auf die scherpen kotzender männerwildsäue entartet.

    hotel honkhausen statt hotel mama.

    burschis – tapsige, ungelenk angezogene herumwatschler, halb pinguin, halb teddybär, mit umgehängter geschenkschleife.

    gar eine frivole aufforderung diese niedlichen, rosig bebackten glücksbärchis auszupacken und ihnen ans neckische, von den alten herren geerbte, gilb-gebeutelte ripp-dessous zu gehen?

    der burschenschafter als geschenk, das man nicht umtauschen kann?
    ihre verbindungshäuser als obdach für völlig überholte ladenhüter-traditionen?

    der corps als faschings-zusammenrottung komplettverwirrter mit lustigen hütchen auf? oder studentenverbindung als selbstidentitäre wegmarke im leben eines geltungsgeilen taugenichts, der später hohe ämter in wirtschaft, wissenschaft und wichtigtuerei anstrebt?

    wieso statt „saufen, schlagen, seilschaften“ nicht einfach mal „strippen, stricken, seilspringen – gesellige kneipenabende mit erotik, crafts & arts und sport, töff töff!“.

  4. Trotz meiner Skepsis gegenüber ALLEN studentischen Vereinigungen, Verbindungen und pol. Organisationen muss ich mal sagen, dass sich dieser Vortrag nur aufgrund seiner Ankündigung anhört wie eine Kader-Schulung für zukünftige Linksradikale…

    Außerdem wurden so ein paar Kleinigkeiten vergessen bzw. unterschlagen:
    Das Haus der Burschenschaft „Markomannia“ wurde bereits mehrfach (Ich meine zweimal) versucht anzuzünden. Jedes Mal waren Bewohner darin… Auch wenn der zweite Teil des Texts ein Auszug ist, möchte ich hierzu anmerken, dass mir allein schon mehrere aktive SPD Mitglieder bekannt sind, die in Verbindungen tätig (umtriebig) sind.

    Im Übrigen kann und muss ich mich jedoch, dem bereits Dargestellten anschliessen: Viele Verbindungsmitglieder, insb. von Burschenschaften sind weder besonders eloquent noch erfolgreich im Studium oder auch nur nett oder wenigstens verträglich…aber wir wissen ja, nicht nur aus der Geschichte, was aus Verallgmeinerungen werden kann…Ähnliches lässt sich auch von andere Gruppen und deren Mitgliedern sagen…

  5. @Benjamin:
    Ich bin sehr vorsichtig damit, die „Anzündversuche“ des Markomannenhauses so zu bewerten und einen politischen Hintergrund herzustellen. Weil mir der nicht eindeutig genug ist, habe ich beide Sachen genausowenig erwähnt, wie stattgefundene, physische Angriffe von und gegen Burschen oder linksalternative Personen.

  6. @Jockel:
    Dann wäre ich mindestens genauso vorsichtig mit pauschalen Behauptungen, für deine Neutralität bist du, wie viele andere auch, nicht unbedingt bekannt !
    Des weiteren habe auch ich keinen politischen Bezug der Brandstiftungen (denn das waren sie nun mal) hergestellt, ich möchte damit nur deutlich machen, dass wie auch bei dem Angriff auf ein Mitglied einer Verbindung (u.a. Nasenbeinbruch) durchaus zu bemerken ist, dass es, sagen wir einmal, strafbare und in jedem Fall verwerfliche Arten gibt seine Meinung (ob politisch oder nicht lassen wir mal außer Acht, obwohl der Zusammenhang doch wirklich interessant ist) Ausdruck zu verleihen.
    Taten wie diese (den Angriff auf das Ikuwo eingeschlossen) MÜSSEN von jedem, immer verurteilt werden. Polemik, Diffamierungen und einseitige Darstellungen führen zu einer Spaltung. Jeder muss immer zu einer Seite stehen…der Informationsfluß leidet…und das nutzt wiederum überhaupt niemandem !

  7. Hab noch nie soviele, so junge und gleichzeitig so selbstverschandelte Männer gesehen wie bei der Veranstaltung in Rostock. 30 Typen, die mit Anfang/Mitte Zwanzig in einem Style auflaufen, den Opa in der 1930ern schon drauf hatte. Was hat euch nur so ruiniert?

  8. Es war sehr voll. Stimmung war insgesamt gut und friedlich. Die Angehörigen der Burschenschaften und der anderen Studentenverbindungen schauten zwar grimmig, beteiligten sich aber an einer kontroversen Diskussion.
    Beleidigungen oder Ausfälligkeiten gab es nicht.
    Runde Sache, guter Vortrag, friedliche Leute.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert