Kurze Wege, lange Nächte – das Greifswalder Wochenende im Überblick #21

Junge Menschen haben das Reden satt  / über Millionen Probleme, die jeder hat / sie tanzen durch die Nacht ins Licht der Liebe hinein / junge Menschen wollen alleine sein / junge Menschen werden erzogen / junge Menschen sind sehr skeptisch / gegenüber Mythen und Drogen / junge Menschen sagen ich will Spaß, junge Menschen wagen dies und das / fahren Auto und begegnen sich zu Fuß / junge Menschen geben dem Schicksal Interviews*

kurze wege lange naechteDas Wochenende hat mannigfaltige Zerstreuungsangebote für viele anzubieten — Queers und Querulanten, technoide Zeitreisende und Fastfood-Verweigerer, Mindfuckers und Schmachtpopfanatikerinnen können auf ihre Kosten kommen. Eine unvollständige Übersicht.

GENDER TROUBLE:  „WARUM HAST DU NE MASKE AUF?“

Die aus studentischem Kontext erwachsene Gender Trouble AG veranstaltet monatlich die gleichnamige Party für homo-, trans- und bisexuelle Nachteulen. Unbehaglich soll es dort — entgegen dem namentlichen Bezug auf Judith Butlers berühmtestes Buch — allerdings nicht werden. Das Motto der Party heißt „Maskenball“ und wer sich mit dem dafür notwendigen Accessoire ausstattet, bekommt einen Euro Rabatt auf den Eintritt.

gender trouble greifswald (Bild: Flyer)

Der Veranstaltungsort wurde kurzfristig getauscht, deswegen findet die Party nicht wie angekündigt im Kontor-Keller, sondern in der Sonne statt.

Fakten: 10.02. | 23 Uhr | Zur Sonne | 4 / 3 EUR (bis 24 Uhr)

ADHERENCE: SCHICHTEN UND VERDICHTEN

adherence flyer

Die elektronische Dunkelreihe Adherence dreht am Freitag in der Tschaika ihre dreizehnte Runde. Auflegen werden die beiden DJs Sander Bekeschus und Patrick Boltze, die ihr Publikum auf eine technokulturelle Zeitreise durch die beiden vergangenen Dekaden des Genres mitnehmen werden und das als musikalischen Brückschlag zwischen neu und alt verstehen.

Adherence ist Greifswalds einzige richtig unkommerzielle Techno-Veranstaltung, in der nicht das Publikum bestimmt, sondern die DJs den Verlauf des Abends diktieren. Kein Eintritt, kaum Risiko!

Fakten: 10.02. | 22 Uhr | Tschaika | frei

KLEX: PUNK-ALARM AUS ERFURT

Am Freitag wird ein Punkpaket aus der Landeshauptstadt des Freistaats Thüringen ins Klex geliefert. Darin enthalten sind mit Missrata und Unt’n Rum zwei Erfurter Bands, die erstens noch gar nicht so schrecklich dienstalt sind, die zweitens eine gehörige Wut im Bauch erahnen lassen und die außerdem drittens auf eine Frau am Frontmikro setzen.

misrata(Foto: wiki.punk.de)

Unterm Strich ist das musikalische Ergebnis beider Bands derber Natur — jugendlich kompromißlos und mehr oder weniger unzähmbar.

Fakten: 10.02. | 22 Uhr | KLEX | 4 EUR

IKUWO: DER MUT ZUR ENTSCHLEUNIGUNG

Wo an anderen Orten hektisch gezappelt wird, wird das Publikum des IKUWOs am Sonnabend vom DJ-Kollektiv HW Rhapsody aus Leipzig in sanften Zügen durch die Nacht gewogen. Slow Food Funk nennen die das und der Name ist auch Programm:

„Unter dem Diktat der tendenziellen Langsamkeit wird von den Herren Onetake, liebkos und Miami Müller zwischen deepem House, schleppendem Hip Hop, glitzernder Disco und knackigem Funk alles an- und ineinander gefügt, was um die magischen 100 Beats pro Minute herum Schritt halten kann.“

slowfood ikuwo(Bild: Flyer)

Erwartet werden darf  buntes Downtempo-Entertainment mit Hüftschwung. Let´s go for the slow flow!

Fakten: 11.02. | 22 Uhr | IKUWO | 5 EUR

CKKT:  SINGER/SONGWRITER IM DREIERPACK

Die Veranstaltungen des Café Koeppen Konzert Teams (CKKT) sind auf gutem Weg, zum festen Bestandteil des Greifswalder Kulturlebens zu werden. Dem Format Singer/Songwriter im Zweiwochentakt bleibt man im Koeppen treu und präsentiert an diesem Wochenende einen ganzen Bardenstrauß. Neben Guillermo Morales werden auch Bischler und Ilja Schierbaum (ex-Schrottfisch) auftreten.

guillermo morales (Bild: Flyer-Ausschnitt)

Dabei entsteht ein Sound, der abwechselnd als melodiös, feinfühlig, intim, warm, poetisch, persönlich, nah, direkt, zerbrechlich und fragil, folk-verwurzelt oder wahrhaftig beschrieben wird — Singer/Songwriter eben. Als Vorgeschmack sei auf einen Mitschnitt eines Auftritts von Guillermo Morales bei Tex Drieschners Musiksendung TV Noir verwiesen.

Fakten:11.02. | 21 Uhr | Koeppen | 10 / 6 EUR (erm.)

FORELLENFRIEDHOF UEBERLAUT: FURCHTLOS VOR DEM DUNKEL

Irgendwer hat wieder die Sonderlinge vom Forellenfriedhof Überlaut rausgelassen und muss nun eine weitere Dunkelsause verantworten.

forellenfriedhof

Als Tanzschrittmacher treten am Sonnabend die beiden DJs  Lazarus Kyon und Vincent Stoa auf, die eine Melange aus  Gothic, Postpunk, Coldwave, Angstpop, Industrial und EBM versprechen.

Doch damit nicht genug, denn dem Umhergetolle auf dem Dancefloor steht eine Dunkelkammer gegenüber, in der Hörspiele und Klangcollagen von Edgar Allan Poe bis zum modernen Mindfuck zur weinseligen Ruhepause einladen. Ein Abend für Zeitreisende ohne Furcht vor der Dunkelheit!

Fakten: 11.02. | 22 Uhr | Klex | 2 EUR
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*Das voranstehende Zitat entstammt dem Song “Junge Menschen” vom Album „Sei à gogo“ (1992) der 1998 aufgelösten Band Lassie Singers, das nach einem Original Funny van Dannens umgesetzt wurde. Der Foto-Ausschnitt darunter zeigt die polnische Band Masala. Das dazugehörige Foto wurde im November 2010 während des Polenmarktes im IKUWO aufgenommen.

6 Gedanken zu „Kurze Wege, lange Nächte – das Greifswalder Wochenende im Überblick #21

  1. „Adherence ist Greifswalds einzige richtig unkommerzielle Techno-Veranstaltung, in der nicht das Publikum, sondern die DJs den Verlauf des Abends diktieren“

    „Diktieren“ DJs nicht immer irgendwie den Verlauf des Abends? Und – wenn man das jetzt werten wollen würde – ist das nun gut oder schlecht?
    Hat ein DJ/eine DJane nicht auch in gewisser Weise die Aufgabe, das Publikum zu unterhalten. Diktat ist meiner Meinung nach an dieser Stelle eine ziemlich unglückliche Formulierung. Es geht doch immer um den Austausch von Energien und Stimmungen. Ein DJ, der am Publikum vorbeispielt, macht grundlegend was falsch und wird mit ner leeren Tanzfläche belohnt. Ein DJ, der jeden Musikwunsch erfüllt, macht sich zum Nappel…
    Naja, seltsamer Absatz in einem sonst wieder gelungenem Wochenendplaner.

    1. Ich als Nicht-DJ bewerte „diktatorisch“ positiv, solange es um die Rolle von DJs und DJanes geht, deswegen verwende ich die Bezeichnung regelmäßig. Ich finde es ja prima, wenn DJs auf das „Publikum eingehen“ können und die richtige Energie fühlen, jedoch sollen sie das meiner Meinung nach am Equalizer, den Effektgeräten oder von mir aus auch mit ihren Loopern und Sequenzern machen.
      Ich habe schon verdammt viele DJs erlebt, die ängstlich auf den Dancefloor schielen und sofort reagieren, wenn der sich leert. Schlussendlich bewerten sie sich selbst mit der Frage, wieviele Leute gerade tanzen und unterwerfen sich so der Diktatur der Hüftschwinger, des Publikums.
      Wenn DJs tatsächlich Künstlerinnen sind — und deren Selbstverständnis geht ja in einem Großteil der Fälle in diese Richtung — sollte man sie auch dankbar von der „Aufgabe“ befreien, dass Publikum zwanghaft zum Zappeln zu bringen und den Gästen zum zehntausendsten Mal ihren Hit zu gönnen.

      [selbstkritik-mode]als angetrunker und euphorisierter Gast verhalte ich mich allerdings auch manchmal so [/selbstkritik-mode]

      DJanes sollen für mich in erster Linie einen hervorragenden Musikgeschmack haben und den auch in verschiedenen Umgebungen mit einem Publikum teilen können. Was dann passiert liegt ja zumeist auch in der Waghalsigkeit der Gäste…

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