Greifswalder Verwaltung empfiehlt, mutmaßlichen Neonazi nicht zur Schöffenwahl zuzulassen

Die Greifswalder Stadtverwaltung hat bei der Auswahl der Bewerber zur Schöffenwahl, die in der Amtszeit 2014 bis 2018 am Amtsgericht Greifswald und am Landgericht Stralsund als ehrenamtliche Richter teilnehmen sollen, ganz genau hingesehen und einem mutmaßlichen Neonazi die Befähigung für das Amt abgesprochen.

ZWEIFEL AN GUTSCHES NEUTRALITÄT GEGENÜBER ALLEN BEVÖLKERUNGSSCHICHTEN 

In der Beschlussvorlage (pdf, 200 Kb), über die am 8. April die Greifswalder Bürgerschaft abstimmen wird, begründet die Verwaltung ihre Entscheidung mit „erheblichen Zweifeln“ an der notwendigen „Unvoreingenommenheit und Neutralität gegenüber allen Bevölkerungsschichten“ des Bewerbers Marcus Gutsche, der zum „Kern der aktiven Neonazi-Szene Greifswalds zählen“ soll. Um dies zu dokumentieren, wurde sein Name in der insgesamt 98 Personen umfassenden Vorschlagsliste, in die alle Bewerber aufgenommen wurden, die die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 31 bis 34 GVG erfüllen, durchgestrichen.

schöffenliste marcus gutsche
(Auszug Vorschlagsliste Schöffenwahl)

Die Beschlussvorlage wird im April sehr wahrscheinlich die notwendige Zweidrittelmehrheit in der Bürgerschaft erreichen. Die Bürgerschaft hat das ausdrückliche Recht hat, sich gegen die Aufnahme von Bewerbern in die Vorschlagsliste auszusprechen. Im Herbst 2013 geht es dann vor einen Wahlausschuss beim Amtsgericht, der die Schöffen und Hilfsschöffen für den  Greifswalder Amtsbereich bestimmen wird.

RICHTIGE ENTSCHEIDUNG GEGEN VERNETZTEN ANTI-ANTIFA-FOTOGRAFEN

Die Entscheidung der Greifswalder Verwaltung, Marcus Gutsche bei der Schöffenwahl auszuschließen, ist folgerichtig und verhindert womöglich einen kleinen PR-Coup der Greifswalder Neonazis. Das verantwortungsvolle Ehrenamt, das von Bürgerinnen und Bürgern mit hohem Maße an „Unparteilichkeit, Selbstständigkeit und Urteilsfähigkeit“ bekleidet werden soll, ist nicht mit rechtsextremen Einstellungen und Menschenbildern kompatibel.

(Originalfoto: Indymedia)

Marcus Gutsche wurde in Berlin geboren und soll dort Mitglied der verbotenen Kameradschaft Tor gewesen sein. Er zog vor einigen Jahren nach Greifswald, um ein Studium an der hiesigen Universität aufzunehmen, doch seine Energie verlegte der heute Dreißigjährige nicht in den Hörsaal. Dafür engagierte er sich umso stärker in lokalen rechtsextremen Strukturen und auch über deren Ortsgrenzen hinaus.

Als Fotograf dokumentierte er NPD-Demonstrationen und politische Gegner. Solche Fotos fanden später ihren Weg auf den immer wieder mit Gutsche in Verbindung gebrachten Blog der Nationalen Sozialisten Greifswald (NSG), wo die Bildaufnahmen unter anderem Drohungen gegen Nazigegner illustrierten. Einer der Höhepunkte seiner anti-antifaschistisch motivierten Recherchearbeit war der Versuch, ein Treffen des städtischen Bündnisses gegen eine NPD-Demonstration im Mai 2011 zu infiltrieren.

18 Gedanken zu „Greifswalder Verwaltung empfiehlt, mutmaßlichen Neonazi nicht zur Schöffenwahl zuzulassen

  1. ich find es ja prinzipiell schwierig, klarnamen und adressen zu veröffentlichen… auch ein nazi hat das recht auf privatsphäre. bislang wurde er immer nur als „marcus g.“ benannt und nun plötzlich nachname und adresse.
    natürlich sind die nazis immer fleißig wenn es darum geht, demonstranten und aktivisten zu fotografieren und ausführliche online-karteien zu erstellen, aber muss man das selbe tun? damit nimmt man sich selbst doch die grundlage, ebendies zu kritisieren…

    1. Ich bin bis jetzt mit dem Betroffenen auch so verfahren, auch wenn meine Person auf der NSG-Seite mit Klarnamen genannt und bedroht wird. Da es aber nun diese Beschlussvorlage gibt, diese Daten öffentlich zugänglich sind und sich im Kommentar zur Liste ganz konkret auf Marcus Gutsche mit Klarnamen bezogen wird, sehe ich keinen Grund mehr, diesen hier künstlich weiter zu anonymisieren.

      Aus der Privatsphäre ist er in dem Moment getreten, in dem er sich als Schöffe bewarb, seine Adresse soll erstens veraltet sein und ist zweitens nach dem Polizeiaufgebot im Dezember 2011 ohnehin bekannt.

  2. Ist er denn der einzige auf der Liste oder steht da noch jemand drauf, bei dem ähnliche Zweifel bestehen könnten? R. Mettkopp ist nicht dabei, aber eventuell andere nicht so bekannte Namen.

  3. Ob sich der RCDS dazu äußern wird? Ich meine, er sagte ja damals bei der „Enttarnung“ auch, dass es keine Beweise für eine neonazistische Gesinnung gäbe? Wird es jetzt auch heißen: Die Streichung ist unfair und undemokratisch, weil es sich nur um einen „mutmaßlichen“ Neonazi handelt?

    Und: Wie wird sich die CDU in der Bürgerschaft verhalten? Wird sie ebenfalls auf die Geisterbahn des RCDS aufspringen, die schon im Tunnel stecken blieb, ehe sie überhaupt erst richtig Fahrt aufnehmen konnte?

  4. in anderen Fällen war die Verwaltung jedoch schlampig. So bei Vorschlag Nr. 36. Der Bewerber drüfte gar nicht aufgestellt werden. Denn er wohnt weder in Greifswald, noch darf ein Angehöriger der Justizorgane als Schöffe tätig werden. So viele Punkte sind nun wahrlich nicht zu beachten. Überhaupt auffallend viele Mitarbeiter im öffentlichen Dienst oder gar juristisch tätig. Muss ja attraktiv sein.

  5. Pingback: Störungsmelder

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