Ein Gastbeitrag von Hubertus Ass
Seichte Unterhaltung und Klamauk ist ja nicht so meins. Zwar hab ich in meinem Leben auch schon mal gelacht, aber das meiste, was der Allgemeinheit als lustig gilt, ertrage ich lieber in grenzdebilen Zuständen und verbinde dies mit der innigen Hoffnung, vom süßen Schlaf erlöst zu werden.
Manchmal kommt man jedoch nicht umhin, sich der Komödie – in diesem Fall eher der Tragikomödie – zu stellen. So geschehen am letzten Wochenende, als mein Chef wieder seiner wahren Berufung folgte und sich beim Sommertheater zum Henry machte. Im Hof des Café Koeppen wurde auch bei der zweiten Aufführung jede Sitzgelegenheit von einem sehr gemischten Publikum in Beschlag genommen, um sich Die geheimen Leben von Henry und Alice anzusehen.
EINE SCHRECKLICH KLEINE FAMILIE
Der Zugang zum Stück ist leicht, denn wer nicht in einer Langzeitbeziehung steckt oder schon mal eine hatte, kennt sie meist aus dem engeren Umfeld — selbst wenn es nur durch die eigenen Eltern ist. Bei Henry und Alice hat der Alltag schon längst die Liebe abgelöst, unverblümte Garstigkeit hielt Einzug. Zwischen Fernseher und „Orca“ — einem Goldfisch, der das eigene Kind ersetzt — lebt das Ehepaar in klassischer Rollenverteilung. Diese Ausgangssituation ist zwar aus etlichen Sitcoms bekannt und auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär, doch die Inszenierung verhehlt diesen Kontext nicht, sondern konterkariert ihn stattdessen offensiv mit ein paar kurzen Musiksamples bekannter Sitcom-Klassiker.
Der unerträglichen Schwierigkeit ihres Seins entfliehen Alice und Henry in erotisch aufgeladene Tagträumereien. Dabei schwingen Wehmut und die verzweifelte Hoffnung, die früher vorhandene Nähe und Leidenschaft wiederzubeleben, mit. Die Rollenwechsel zwischen Realität und Phantasie sind manchmal so verwirrend angelegt, dass sie dem Publikum Raum zu Spekulationen lassen und somit angeregte Diskussionen provozieren.
SOMMERTHEATER IM GREIFSWALDER PRATER
Genretypisch ist David Tristrams Stück eine Ausschlachtung gnadenlos überzogener Klischees, die jedoch durch anspruchsvolle Dialoge und tollen Wortwitz nie platt wirken. Katja Klemt als Alice und Hannes Rittig als Henry brennen auf der Bühne ein mimisch-gestisch-dialektisches Feuerwerk ab, welches nicht nur Auge und Ohr erfreut, sondern den sitcomtypischen Krawall und das Remmidemmi bei weitem übertrifft. Das Publikum belohnte diese rundum gelungene Inszenierung von Uta Koschel mit überschwänglichem Szenen- und Schlussapplaus – einige Gäste dürften dieses Vergnügen mit verkaterten Bauchmuskeln bezahlt haben.
Tolles Ambiente, gute Stückwahl, professionelle Schauspieler und eine runde Inszenierung — da konnte nicht mal ich mir das Lachen verkneifen!
Die geheimen Leben von Henry und Alice
David Tristram
Regie: Uta Koschel
Nächste Vorstellungen: 8./9./14./15./23./24. August
Koeppenhaus | 20 Uhr | 13/9 EUR
Eine geniale Inszenierung,- sowas kann nur Uta Koschel ! Gerade dieses Verwischen von Realität und Spiel, faszinierte: Wo hört das Eine auf und fängt das Andere an, intelligente Unterhaltung war das ! Wie oft fühlte man sich doch ertappt, die Liebe ein Spiel ? Antwort : Ja ! Immer wieder ! Wunderbar – einfach nur wunderbar waren die Beiden: Katja Klemt und Hannes Rittig. Da spürte man den Geist des Ensembles, das vor knapp 2 Jahren aufgelöst wurde! Gut, das man die wunderbaren Schauspieler wieder in Aktion erleben durfte. Neben Lachtränen gesellten sich bei mir beim Schlußapplaus Tränen der Wehmut hinzu ! Deshalb: Macht weiter mit Theater im Café Koeppen ! Die Theaterfans in Greifswald freuen sich !