Wird der ermordete Klaus-Dieter Gerecke jetzt endlich staatlich anerkanntes Opfer rechter Gewalt?

Gedenkstein für getöteten Obdachlosen in Greifswald

Bald vierzehn Jahre sind seit dem grausamen Mord an dem Obdachlosen Klaus-Dieter Gerecke vergangen. Ihm wurde in der Nacht zum 24. Juni 2000 in der Gützkower Straße von drei Heranwachsenden regelrecht das Leben aus dem Leib geprügelt, bis er schließlich aufgrund massiver Schädel-, Gesichts- und Rippenverletzungen verstarb. Heute erinnert eine Gedenkplatte an den damals 47-Jährigen, dessen Tod nun möglicherweise vor einer Neueinordnung steht.

Gedenkstein für getöteten Obdachlosen in Greifswald(Foto: Antifaschistische Aktion Greifswald)

Wie die Schweriner Volkszeitung (SVZ) berichtet, wurden bundesweit mehr als 3300 ungeklärte Tötungsdelikte auf Anhaltspunkte für eine mögliche politisch rechte Tatmotivation überprüft. Hinzu kamen 137 aufgelöste Fälle, die aber möglicherweise falsch eingeordnet wurden. Bis zum Frühjahr sollen insgesamt 745 Fälle genauer untersucht werden; die Ergebnisse könnten dann zu neuen Ermittlungen oder Änderungen in der Statistik führen. Laut SVZ beinhalten diese Überprüfungen auch zwölf oder dreizehn Straftaten, die zwischen 1991 und 2011 in Mecklenburg-Vorpommern begangenen wurden — darunter der Mord an Klaus-Dieter Gerecke.

„DA IST DER ASSI, KLATSCH IHN TOT!“ 

Gerecke blieb in diesem dunklen Jahr nicht der einzige Obdachlose, der in Greifswald von rechten Jugendlichen ermordet wurde: Drei Monate später erschlugen drei Neonazis am Mensavorplatz Eckard Rütz, weil dieser “dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche liege”, wie einer der Täter später vor Gericht erklärte. Anders als bei dem Verbrechen an Eckard Rütz sah das Gericht bei den Mördern von Klaus-Dieter Gerecke jedoch kein rechtsextremes Motiv — Auslöser der Tat sei vielmehr die Forderung von Bargeld gewesen.

Der 21-jährige Haupttäter wurde später zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Vor Gericht gab er an, von den beiden 18-jährigen Mittäterinnen — für sie endete das Verfahren mit Bewährungsstrafen — mit den Worten „Da ist der Assi, klatsch ihn tot!“ aufgehetzt worden zu sein. Polizeisprecher Axel Falkenberg bestätigte später, dass das Gericht zwar „niedere Beweggründe“ festgestellt habe, es von der Motivlage her „aber eindeutig gegen Obdachlose“ ging. Spätestens seit dieser Äußerung hätte die Bundesregierung Klaus-Dieter Gerecke offiziell in die Statistik Todesopfer rechter Gewalt mit aufnehmen müssen, heißt es in einer Stellungnahme von CURA — einer Organisation, die sich für Opfer rechter Gewalt einsetzt:

Obdachlose sind eine der schwächsten Gruppen in der Gesellschaft und erfahren ständig Bedrohung durch rechtsextreme Gewalt. Der Grund dafür liegt in der sozialdarwinistischen Einstellung, die in der rechten Szene vorherrscht: Wohnungslose Menschen gelten als „asozial“ und „minderwertig“. Der ideologische Kontext der Täter darf gerade bei einer tödlichen Attacke auf diese Opfergruppe nicht ignoriert werden, begründet sich doch in ihrer rechten Gesinnung die exzessive Gewalt gegen sozial schwächer gestellte Menschen.

Innenminister Lorenz Caffier (CDU) lehnte im vergangenen Mai eine erneute Überprüfung unter anderem dieses Mordfalls ab. Im Frühjahr 2014 sollen die Untersuchungen des Bundes abgeschlossen sein. Dann wird sich zeigen, ob man sich vierzehn Jahre nach dem Mord an Klaus-Dieter Gerecke traut, dieses Verbrechen als politisch motivierte Tat einzuordnen.

  • Mehr rechtsextreme Taten im Land als gedacht (SVZ, 06.01.2013)

9 Gedanken zu „Wird der ermordete Klaus-Dieter Gerecke jetzt endlich staatlich anerkanntes Opfer rechter Gewalt?

  1. Das finde ich gut. Die Gesellschaft klassifiziert Tötungs- und andere Delikte neu. Am Ende stehen dann auch Todesopfer linker Gewalt. Diese soll es ja bisher angeblich nicht geben.

    Da wäre Michael Newrzella. Der Polizist wurde von Wolfgang Grams erschosssen. Womit wir bei den magischen 3 Buchstaben sind.

    Und jetzt bitte nur sachliche Argumente, warum die Toten der RAF keinesfalls politisch motivierte Taten sind. Und bitte bleibt sachlich, wenn Ihr mir erklärt wie *hierbittepassendeseinsetzten* ich bin.

    1. Definiere doch mal „Links“, somit wirst du darauf stoßen, dass ein Dogma ist, dass jeder Mensch ein recht auf Leben hat.
      Und meiner Meinung nach war die R.A.F. wohl eher eine faschistische Gruppe die politisch nicht gerade die hellsten waren, mit ihrer verkürzten Kapitalismuskritik und ihren wirren politischen und gesellschaftlichen Ansichten.
      Die letztendlich den Tod von mehreren Menschen verursachten.

    2. Bei den Statistiken zu den Opfern politischer Gewalt wird häufig 1990 als Startzeitpunkt genommen und seitdem sind mir keine als politisch zu verstehenden Morde/Totschläge durch Menschen, die dem linken Spektrum zugeordnet werden können, bekannt.
      Beispiel: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-03/todesopfer-rechtsextremismus

      Insofern interpretiere ich deine Kritik als recht plumpen Versuch die Taten von Neonazis zu relativieren, indem du die Statistik fälschlich anzweifelst.

      Die Taten der RAF sind durch den Staat wohl hinreichend gewürdigt worden, schließlich wurden fast alle Täter verurteilt und diverse Gesetze zur inneren Sicherheit erlassen.

  2. Ihr seid so süß. 🙂 Keine Todesopfer linksmotivierter Gewalttäter (seit 1990) ?

    1. April 1991 Detlev Rohwedder (58)

    4. April 1992 Gerhard Kaindl (47)

    27. Juni 1993 Michael Newrzella (25)

    Soviel zum Thema Propagandalüge… Mein plumper Versuch, lieber FBM, spiegelt die Realität ziemlich deutlich. Aber ich bin sicher, Du findest eine Antwort, um die Wahrheit zu verdrängen.

    1. Ich habe keine Ahnung welche Kriterien an die Fälle gelegt werden. Ich nehme an, es hat etwas mit dem politischen Hintergrund des Täters zu tun, dem Motiv und vielleicht auch mit der Rolle des Opfers. Natürlich sollten die gleichen Maßstäbe an Taten angewendet werden.

      Detlev Rohwedder: „Der oder die Täter konnten bis heute nicht ermittelt werden.“ – 0 Punkte für Klaus.

      Gerhard Kaindl: Das Ziel „sei es gewesen, Rechtsradikale aus dem „Kiez“ zu vertreiben.“ – Ich weiß nicht, ob ich deshalb davon ausgehen muss, dass die Täter aus der linken/linksextremen Szene stammten. Politischer Motivation ist aber deutlich erkennbar. (Sidefact: Die Nazis waren erst mal schön beim Chinesen essen.) – 0,5 Punkte für Klaus

      Michael Newrzella: Starb bei der Festnahme von zwei RAF-Mitgliedern. Klar, der Täter ist/war Linksextremist. Ob die Tat deshalb politisch motiviert war, weiß ich nicht. Zwei bewaffnete Bankräuber hätten sich vermutlich auch einer Festnahme widersetzt. – 0,5 Punkte für Klaus.

      Das macht dann 1/3.
      Ich glaube es bringt dann auch nicht soviel hier Einzelfälle zu diskutieren. Ich bin, wie gesagt, absolut dafür, dass die Kriterien, so weit möglich, die gleichen sind und wenn dem nicht so sein sollte muss das geändert werden. Ich glaube weiterhin nicht, das organisierte linke Banden in der Gegenwart in Deutschland so morden, wie es beispielsweise der NSU getan hat.

      1. Wir kommen der Sache näher. Wenn ein bekennender Rechtsextremist seine Frau aus dem Fenster wirft und sie dabei umkommt…

        Allerdings dürfte Frau Kiesewetter dann auch nicht mehr als Opfer rechter Gewalt gewertet werden. Klar, der Täter war Rechtsextremist. Ob die Tat deshalb politisch motiviert war, weiß ich nicht. Zwei Hamburger Linksextremisten hätten vermutlich ähnlich gehandelt.

        Wirklich schlimm ist allerdings diese Trauerkultur. Neulich im Webmoritz und gerade wieder in irgendeinem Umsonst Tageblatt. Hauptsache im Kollektiv betroffen sein. Aber wenigstens mal den Namen vom Stein lesen, bevor man Klaus Dieter Ger(i)cke schreibt ist wohl zu schwer.

        Schlimm genug wenn dumme Kinder so eine Scheiße machen. In alles und jeden einen Nazi hineinzuphantasieren ist allerdings mehr als fahrlässig.

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