Ein Gastbeitrag von Peter Madjarov
So links haben die Greifswalder Studierenden schon lange nicht mehr gewählt: Die Solidarische Universität erringt 11 von 12 Sitzen im Senat und die Hochschulgruppen, die sich als „progressiv“ verstehen und oft gemeinsam agiert haben, dominieren das Studierendenparlament. Dieses ist zwar sicher nicht so radikal wie an anderen Universitäten, wurde aber bei den Wahlen in seinem gemäßigt linken Kurs bestätigt.
Die linksdominierten studentischen Gremien verbanden im letzten Jahr administrativen Pragmatismus mit linken Herzensthemen, gegen welche die Konkurrenz kaum ankommen konnte. Dieser Kurs wurde nun bei den Wahlen bestätigt. Die ehemals starken konservativen Gruppen spielen keine Rolle mehr. Als Korrektiv zu dieser Hegemonie ist die PARTEI-Hochschulgruppe entstanden, die jedoch auch linksoffen ist.
DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG LIEGT IN DER VERGANGENHEIT
Hochschulpolitik spielt sich zu einem Großteil in der universitären Selbstverwaltung ab. Und Verwaltung ist immer irgendwie bürokratisch, weshalb sie wohl auch nie ihr graues Image wird ablegen können. Trotzdem beschäftigte sich das StuPa im letzten Jahr insbesondere nach dem Ausscheiden des satzungsversessenen Christoph Böhm weit weniger mit Paragraphenreiterei als früher. Die dominierende lose Allianz der Hochschulgruppen von SDS bis Piraten („Progessive“) setzte Satzungsfragen zudem meist ans Ende der Tagesordnung und beschäftigte sich zuerst mit Themen außerhalb des eigenen Gremiums. Und diese waren oft erstaunlich politisch: Aufrufe und Unterstützung für linke Demos, ein antimilitaristischer Aktionstag oder Kritik an Burschenschaften.
Zudem wählte es einen AStA, der ähnliche Interessen hatte und als bevorzugte Protestform gegen die Unterfinanzierung der Uni Demonstrationen wählte. Auch die studentischen Senator*innen traten ähnlich auf, verbanden Pragmatismus mit einer aktivistischen Komponente, wenngleich die Kritik an Rektorin Weber weniger hart ausfiel als an ihrem Vorgänger. Die beiden konservativen Senatoren waren hingegen — des öfteren auch physisch — nicht präsent. Vor diesem Hintergrund müssen auch die Wahlen 2014 gesehen werden: Der aktuelle Kurs wurde bestätigt, es scheint kein Bedürfnis nach Veränderung zu geben. Die bisher prägenden Personen (allen voran Milos Rodatos) und Gruppen erhielten ein starkes Ergebnis, sowohl StuPa als auch Senat wurden mit einem klaren „Weiter so!“ ausgestattet. Die bisher betriebene gemäßigt linke Politik scheint alternativlos.
(Foto: Simon Voigt/webMoritz)
SENATSWAHL: MISSION ACCOMPLISHED
Bei den Senatswahlen scheint etwas zum Abschluss gekommen sein, das 2011 eingeleitet wurde: Während bis dahin vor allem Fakultäten gegeneinander antraten, gewann damals mit der Solidarischen Universität erstmals eine Liste, die einerseits alle Fachrichtungen ansprach, sich andererseits aber als trotz aller Vielfalt linke Kraft verstand. Nach Vorbild des Instituts Solidarische Moderne sollte in Verbindung mit parteiunabhängigen Initativen eine linke Hegemonie entstehen. Nun konnte sie zum vierten Mal in Folge die Zahl ihrer Sitze steigern. Bemerkenswert ist, dass 7 der 11 Sitze an Medizinstudierende gingen (was auch an der hohen Wahlbeteiligung der Universitätsmedizin liegt), das kulturelle und politische Engagement der Gewählten jedoch mehr über sie aussagen dürfte als ihr Studiengang.
Die rechten Gruppen hingegen traten nun zwar erstmals wieder auf einer Liste an, machten jedoch keinen geschlossenen Wahlkampf, der zudem noch vor Lustlosigkeiten sprühte. Dieses Abrutschen in die Belanglosigkeit drückte sich in einer Halbierung der Stimmen- und Sitzzahl aus.
STUPA-WAHL: FDP und FRAUENDEFIZIT
Die Wahl des Studierendenparlaments war hingegen schon mit Bewerbungsschluss entschieden. LHG, RCDS und JU konnten keine bis kaum eigene Leute zu einer Bewerbung motivieren, während die „Progressiven“ (mit Ausnahme der GHG) über eine konstante Basis verfügen. So sind auch die Zahlen wenig überraschend: die konservativen Gruppen machen einen auf FDP und erhielten 4,6 Prozent, während Jusos (23,8 %), HoPis (18,6 %) und SDS (14,3 %) sich freuen können. Interessanter dürfte sein: alle Kandidatinnen kommen unter die Top 8. Die einzig geforderte Veränderung ist wohl, dass das StuPa weiblicher werden muss.
DER NEUE FAKTOR: ERNSTHAFTE SATIRE
Am meisten frischen Wind dürfte die PARTEI-Hochschulgruppe in die Hochschulpolitik bringen. Zwar scheiterte sie bei der Senatswahl, erhielt im StuPa aber 16 Prozent der Stimmen. Von vielen als unpolitisch verlacht, ist ihr Abschneiden jedoch auch aus linker Sicht erfreulich. Mit ihrer Satire dürfte sie manch kleinkarierte StuPa-Debatte ad absurdum führen, sie ist aber gleichwohl ernst zu nehmen. So schaffte sie es mit ihrer Forderung nach einer Toni-Kroos-Universität bereits, notwendige Kritik mit einem Augezwinkern zu äußern, das etwa der Uni-ohne-Arndt-Kampagne manchmal fehlte.
Peter Madjarov studiert Jura in Greifswald und war 2009 und 2011/12 für die Grüne Hochschulgruppe Mitglied des Studierendenparlament sowie 2011/12 für die Liste Solidarische Universität im Senat. Er ist aktiv beim AKJ Greifswald, Bündnis ’90 Die Grünen und Greifswald Nazifrei.
Tschuldigung – bei aller liebe zum Inhalt und Freude über das Wahlergebnis: 10 mal das Wort „links“ in den verschiedensten Formen, dazu eine Überschrift, die dasselbe noch einmal enthält… Sprachlich unzumutbar.