Clothes make the man. Naked people have little or no influence on society. (Mark Twain)
Die Greifswalder Studierendenschaft rührt die Werbetrommel: Um medienwirksam auf den klammen Haushalt der Universität aufmerksam zu machen, soll nun mit einem selbstproduzierten Erotikkalender Geld für die Hochschule verdient werden. Diese leidet unter einem millionenschweren Haushaltsdefizit und damit — von Stellenabbau in der Lehre bis zum Renovierungsstau bei den Lehrgebäuden — verschlechtern sich auch die Studienbedingungen zusehends.
VOM LETZTEN HEMD BEFREIT: UNI BLANK
Die Idee für den anregenden Wandschmuck, mit dem auf diesen Missstand hingewiesen werden soll, wurde in den Reihen der Satirepartei Die Partei geboren. Deren hochschulpolitischer Arm verbuchte bei der letzten StuPa-Wahl nicht nur 16 Prozent der abgegebenen Stimmen, sondern stellt mittlerweile auch den Präsidenten des Greifswalder Studierendenparlaments.
Dort wurde Anfang Juli mit knapper Mehrheit ein Beschluss (pdf-Dokument) gefasst, der den AStA mit der Konzeptualisierung eines erotischen Kalenders beauftragte. Maßgabe: stilvoll und nicht billig, feministisch und nicht emanzipatorisch, Kunst statt Porno.
Fotografen und Modelle engagieren sich unentgeltlich für ihre Hochschule, enthüllen sich teilweise ins Adamskleid und protestieren gewissermaßen über Bande gegen die chronische Unterfinanzierung ihrer Universität. Auf einer eigens eingerichteten Website wird das Projekt dokumentiert.
Dort vermitteln Fotos geplanter Schauplätze einen ersten visuellen Eindruck, wohin die Reise gehen wird. Inzwischen soll es bereits 30 Anfragen von interessierten Modellen gegeben haben. Auch ein Name steht bereits fest: Der Erotikkalender wird unter dem eingängigen Titel Uni blank firmieren.
EROTIK FÜR DIE GARTENLAUBE?
Sechs Wochen sind vergangen, seitdem der Kalenderbeschluss gefasst wurde. Die angeworfene PR-Maschine hat Früchte getragen und das überregionale Medienecho reichte vom NDR bis zu Zeit Online. Die Presse bleibt am Ball und trat sich in der vergangenen Woche bei einem Fototermin beinahe auf die Füße. Danach wurde wieder viel über Nacktheit und wenig über die Unterfinanzierung der Universität Greifswald geschrieben.
Doch auf die teilweise euphorischen Presseartikel wird in sozialen Netzwerken mitunter ziemlich negativ reagiert. Kein Wunder, denn die Idee eines erotischen Kalenders trägt einen langen Bart, dessen Traditionslinien schon in den 1990er Jahren ausfransten und die heute höchstens schauderhafte Erinnerungen an unbeholfen grinsende Landwirte, lasziv dreinblickende Volleyballerinnen oder stets einsatzbereite Feuerwehrleute wecken können: Nacktfotos für den guten Zweck, Erotik auf niedrigem Niveau.
Um sich ein mögliches Resultat vorzustellen, verwies einer der Antragsteller zuletzt auf den Kalender Geist ist geil, für den sich 2013 Studierende der TU Dresden ablichten ließen. Doch wer in der dazugehörigen Bilderstrecke eine befriedigende Antwort auf die Frage sucht, wie feministische Aktfotografie in diesem Kontext aussehen kann, wird nicht fündig werden.
Fast so veraltet wie die Idee, Amateure und halbprofessionelle Models in erotischen Posen für einen guten Zweck vor die Kamera zu zerren, ist auch die Vorstellung, dass sanfte Nacktheit in einer — zwischen Werbeindustrie, Youporn und Femenprotest — allgegenwärtig sexualisierten Gesellschaft noch für nachhaltige Eruptionen sorgen kann. Damit füttert man zwar für einen Tag die Newsticker der Online-Magazine, viel mehr ist allerdings auch nicht zu erwarten.
Von dieser Relevanzfrage nicht ganz unberührt ist auch die Finanzierung des Projekts, denn bevor Uni blank Geld generieren wird, muss investiert werden. Wenn alles wie geplant klappt, soll der Erotikkalender zu Beginn der Erstsemesterwoche im Oktober 2014 vorliegen.
Wie der webMoritz berichtete, wird mit Einnahmen von 100.000 Euro gerechnet — Geld, mit dem die Studierenden zwei Stellen erhalten wollen. Angesichts der Ankündigung, dass der Kalender zwischen fünf und zehn Euro kosten würde, mutet diese Kalkulation eher blößenwahnsinnig als durchdacht an und lässt befürchten, dass die Studierendenschaft nicht nur kräftig draufzahlen, sondern später auch ziemlich doof aus der Wäsche schauen wird.
Hallo,
ich selbst frage mich auch, wie denn ein emanzipatorischer Erotikkalender am Ende aussehen soll – aber da warte ich einfach mal auf das Ergebnis und bilde mir dann meine Meinung. Der Verweis auf den Dresdener Kalender war vermutlich nicht im Hinblick auf den Stil zu verstehen – um das zu erkennen muss man sich doch nur die ersten veröffentlichten Bilder ansehen und vergleichen.
Es ist ja wohl klar, dass es bei der Aktion keinesfalls um die Generierung von Geld geht. Die 100.000 Euro, von denen du schreibst, sehe ich übrigens im verlinkten Artikel nicht. Wenn es diese Zahl mal gab, dann wird sich jemand verrechnet oder vertippt haben – irren ist menschlich.
Letztlich verstehe ich nicht, warum du so kritisch berichtest. Es ist doch offensichtlich, dass es ein PR-Gag ist und kein Hochschulrettungsmodell. Die Frage, die sich aufdrängt ist eher: „Will unsere Landesregierung so mit ihren Hochschulen Schlagzeilen machen?“
Die 100.000 Euro kommen aus diesem Artikel und an einen Vertipper glaube ich nicht, weil sich mit 10.000 Euro schlecht 2 Stellen finanzieren lassen. http://webmoritz.de/2014/08/15/erotikkalender-soll-in-der-ersti-woche-erscheinen/
Als ich neulich mit @jesthan gesprochen habe, war auch die Rede von „einer Hiwi-Stelle“ oder so.
Ich denke, dass sich da irgendwer verrechnet hat, das ist in der Tat etwas peinlich.
Hallo,
um die Sache mit den 100.000 etwas zu erklären.
Es wurde gesagt: Bei einem konservativ gerechenten Finanzplan reden wir von etwa 10.000 bis 15.000 €
Bei einem Idealfall im Verkauf von 100.000.
Der Kalender sollte auch nie für 5 bis 10 €, sondern eher für 10 bis 15 verkauft werden, wobei es sich hier nur um erste Schätzzahlen handelt.
sorry, aber bei einem projekt mit einem einnahmenfaktor von 10 zu kalkulieren ist schon ein wenig grenzwertig. und erste schätzzahlen? ihr wollt das ding in 1,5 monaten verkaufen und drucken in einer 4 stelligen auflage geht nicht von heute auf morgen. wann soll das denn genauer kalkuliert werden?