Ein satirischer Cartoon aus dem Sommerkalender des Moritz Magazins erregte in dieser Woche wegen der klischeehaften Darstellung von Griechen und Rumänen die Gemüter. Zeichner Kai-Uwe Makowski, der den Tapir seit 1998 auf die studentischen Medien loslässt, nimmt in einem schriftlichen Interview Stellung dazu und redet über die Grenzen von Satire, ertrunkene Flüchtlinge, geistige Kleingärtner, die Empörungsmaschinerie Internet und über Markus Söder.
FVB: Kai-Uwe Makowski, gegenwärtig braut sich ein bundesweiter Shitstorm wegen einer Ihrer Tapir-Cartoons zusammen, der als rassistisch kritisiert wird. Sie sorgen nicht zum ersten Mal mit einer Zeichnung für Unmut. Gibt es etwas, das Satire nicht darf? Und wer entscheidet, was Satire darf? Die Satiriker? Die Leser? Die Herausgeber? Das Grundgesetz?
KUM: Satire darf alles. Über Grenzfälle entscheidet das Bundesamt für Satire in Bonn.
Gibt es für Sie als Cartoonisten Tabus? Wäre für Sie beispielsweise denkbar, im nächsten Moritz einen Cartoon über im Mittelmeer ertrunkene Flüchtlinge zu veröffentlichen, oder fänden Sie das pietätlos?
Die ertrunkenen oder noch zu ertränkenden Flüchtlinge sind ein ganz hervorragendes Thema. Gerade hierüber ist die Empörung in der bundesdeutschen Öffentlichkeit nämlich viel zu gering. Sind ja nur ein paar Afrikaner. Ein knackiger Cartoon, in dem der Tapir den organisierten Mittelmeertransport von Flüchtlingen anpackt und wie jeder gute Geschäftsmann 20% Schwund aufgrund „höherer Gewalt und äußerer Umstände“ mit einberechnet, würde die Gleichgültigkeit des gemeinen Deutschen ganz hervorragend beleuchten.
Und bevor jetzt jemand anfängt mit „Ich bin gegen das Ertrinken von Flüchtlingen.“: Die Flüchtlinge ertrinken ja nicht zum Spaß. Die Ursachen von Flucht und Vertreibung sind vielfältig. Nicht zuletzt die menschenverachtende Politik unserer Regierung, welche durch die überwiegende Mehrheit der Deutschen immer wieder ins Amt gehoben wird, ist an der Misere schuld. Die Leute müssen aus ihrer Lethargie mal rauskommen und Parteien wählen, die eine vernünftige Flüchtlingspolitik betreiben.
Wie steht es mit Ihrer publizistischen Verantwortung? Ist die Reproduktion medial aufgebauter Klischees steuerflüchtiger Griechen und arbeitsscheuer Rumänen in Zeiten der Griechenland-Krise und wohlgepflegter Ressentiments gegenüber Flüchtlingen aus Südosteuropa nicht grob fahrlässig?
Ich bin ja kein Journalist. Als Produzent feinster Satire ist es sogar meine Pflicht, diese Klischees (von wem auch immer sie aufgebaut werden) aufzugreifen, zu überspitzen, sie aus dem Zusammenhang zu reißen und meinen Lesern zu servieren. Wem das schmeckt, der kommt wieder für mehr. Wer keinen Gefallen daran hat, kehrt wieder zu Hanni und Nanni zurück.
(Je-Suis-Motiv, das sich unter Fans derzeit auf Facebook verbreitet)
Sie schrieben einmal in einem Kommentar – damals warfen Ihnen Kritiker Antisemitismus vor –, dass Sie in ihrem Cartoon einen Köder ausgelegt hätten, um diese geistigen Kleingärtner zu entlarven. Sitzen die Gärtner gerade eher am Stammtisch oder beugen Sie sich über ihre Tastaturen, um sich über den jüngsten Tapir zu echauffieren?
Ich frequentiere keine Stammtische und kenne niemanden, der an solchen teilnimmt. Insofern ist meine Qualifikation für Aussagen über Stammtischtäter gering. Habe letztens Interviews mit Besuchern einer Festzeltveranstaltung der CSU gehört. Da fragte ich mich, wie viel Bier man trinken muss, um den Söder gut zu finden. Die fanden alle den Söder gut. Voll die Paralleldimension. Und ich komme ursprünglich aus Bayern, bevor jemand fragt. So in etwa stelle ich mir Stammtische vor. Aber wie gesagt, zu echten Stammtischen kann ich nichts sagen.
Ich konnte jetzt allerdings einige Erfahrungen mit der Empörungsmaschinerie des Internets sammeln. Hier kann ich mit Sicherheit sagen: Mit dem Internet ist es wie mit der Sonne. Die scheint auch noch auf den größten Volldepp. Und dass es im Netz von geistigen Schmalspurfahrern nicht gerade wenige gibt, das kommt doch für keinen von uns wirklich überraschend.
Haben Sie vor der Veröffentlichung dieses Tapirs (Respekt) mit so viel Wirbel gerechnet?
Die Veröffentlichung des Cartoons erzeugte exakt Null Wirbel. Die erfolgte nämlich vor einigen Monaten. Die Chefredaktion des Moritz-Magazins hatte nichts zu beanstanden. Der Kalender erscheint, soweit ich weiß, in einer Auflage von mehreren Tausend Stück und wurde im April kostenlos an Studierende in Greifswald verteilt. Es gab meines Wissens keine Reaktion hierauf. Ich habe den Cartoon im April auf der Facebookseite vom Tapir online gestellt. Er sammelte bis heute 38 Likes und einen Kommentar. Der Kommentar war „tststs“. Dass die Diskussion jetzt aufflammt, kommt überraschend, freut mich aber sehr. Ist ja mein Ziel, die Leute wachzurütteln. Wenn da nur ein „tststs“ kommt, war es einfach noch nicht genug.
Vielen Dank.
- #Tapirgate: Greifswalder Satire-Comic löst bundesweiten Shitstorm aus (Fleischervorstadt-Blog, 28.07.2015)
tststs