Grünen-Blog zu keck und jetzt abgestraft

Der jüngste Greifswalder Blog macht Schlagzeilen. Auf dem (Wahlkampf)-Medium der Grünen wird der Finger gerne in die zahlreichen Wunden gesteckt und nach Herzenslust im Kreis gedreht. Offenbar etwas zu weit aus dem Fenster  soll sich jetzt aber Michael Steiger gelehnt haben.

Ulf Dembski, Senator für Jugend, Soziales, Bildung und Kultur, soll von Steiger  in einem Beitrag als “von CDU-Milben verseuchter Bettvorleger“ betitelt worden sein. Dembski reagiert jetzt (zurecht) beleidigt und sagte eine gemeinsame Podiumsdiskussion am 31. März ab.  Mehr Informationen dazu finden sich in einem Artikel von Gabriel Kords auf dem webMoritz.

Pikant an der Angelegenheit ist, dass unlängst — genau am 23.Februar —  in der Bürgerschaft aus den Reihen der CDU der Satz „Den Steiger soll man lieber aus der Stadt jagen“ gefallen sein soll. Von dieser Entgleisung erfuhr man nichts in der Zeitung, lediglich im Blog der Grünen. Die Lokalzeitung hievte das Thema ihrerseits auf die erste Seite und versehen es mit der sportiven Überschrift Grüne starten mit Foul in Wahlkampf.

Hoffen wir, dass alle Beteiligten sich vom Sportsgeist der Autorin Cornelia Meerkatz anstecken lassen und den Fall entsprechend sportlich nehmen: Gelbe Karte, kleine Entschuldigung, wieder aufs Feld und weiterkämpfen!

Grüner Wahlkampf wird noch lustvoller

Die Greifswalder Grünen gestalten ihren Kommunalwahlkampf zunehmend moderner und scheinen sich von den elektionären Entwicklungen in den USA inspiriert haben zu lassen.

Schon im Februar wies ich auf den eigens eingerichteten Blog hin, auf dem bisher täglich Beiträge publiziert werden. Doch damit nicht genug. Inzwischen ist die Gruppe auch via Twitter aktiv und scheint die Erfahrungen im Umgang mit den neuen Medien sichtlich zu genießen. Fehlen nur noch Podcasting und Videobotschaften an die zukünftige Wählerschaft. Zum Glück bleibt uns das erspart und es kommt sogar noch besser.

Anstatt blind den beispielhaften Vorreitern in Sachen WählerInnen-Aktivierung hinterherzulaufen, wird hier lustvoll Technikaffinität, Politik und parlamentarisch-oppositioneller Duktus verbunden. Es scheint einfach mehr Vergnügen zu bereiten, selbst und unmittelbar zu veröffentlichen, als auf die – im Schlimmstfall gekürzte –  Veröffentlichung eines Leserbriefes in der Ostsee Zeitung zu warten.

Was nicht heißen soll, dass keine Leserbriefe mehr geschrieben werden. Gerade heute widerspricht Dr.Ulrich Rose in der Ostsee Zeitung zurecht einem Leserbriefautoren, der scheinbar einige Zusammenhänge der umstrittenen Vertragsverlängerung des Theater-Intendanten Prof. Nekovar mißverstanden hatte.

Der webMoritz berichtete gestern über den neuesten Streich der Grünen Wahlkampagne: das wandernde Telefon. Seit gestern rotiert diese besondere Art der technisch-vermittelten Bürgersprechstunde zwischen den Kandidaten, so dass jeden Tag eine andere Listenangehörige unter 0176 43096623  erreichbar ist. Das ist besser als jeder Live-Chat und eine wirklich hervorragende Idee.

Ideenreich gestaltet sich in meinen Augen das gesamte Auftreten der lokalen Grünen. Bisher konnte beim Kommunalwahlkampf 2009 keine andere Partei in Greifswald so sehr durch Originalität und Zeitgeist glänzen wie die Grünen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit jetzt die anderen Parteien medial nachziehen, zu erwarten ist es nicht.

Beinahe bedauerlich bleibt nur, dass der Ikarus der Hansestadt sein Versprechen nach der verlorenen Bürgermeisterwahl 2008, für die bevorstehende Kommunalwahl ein starkes Bündnis zusammenstellen zu wollen, nicht einhält und abgetaucht ist. Seine Kampagne wäre sicher einige Beiträge wert gewesen.

Oberbürgermeisterwahl 2008: KandidatInnen im Gespräch

Gestern fand im Hauptgebäude der Uni die Podiumsdiskussion mit den Oberbürgermeister-KandidatInnen statt.

Veranstaltet vom AStA-Greifswald und moderiert von einem etwas blassen Thomas Schattschneider und einem manchmal haspeligen, aber trotzdem keck-souveränen Alexander Köcher, der mit selbstbewusstem Witz den KandidatInnen das Wort abschnitt und so mehr oder minder penibel der Einhaltung des zeitlichen Rahmens Sorge trug.

Die Veranstaltung hangelte sich die ersten 90 Minuten durch ein im Vorfeld erstelltes Fragen-Korsett, dass einen flüssigen Ablauf ermöglichte und Unterschiede zwischen den KandidatInnen aufzeigte. Eigentlich gibt es keine Neuigkeiten vom gestrigen Abend zu berichten, alles blieb im erwarteten Rahmen, von wenigen Ausnahmen abgesehen.

König entspannt, aber nicht überzeugend

Der amtierende Oberbürgermeister Arthur König gehört nicht zu den Ausnahmen. Er klopfte sich – einem Märchenonkel gleich – auf die Schulter und verwies auf die Leistungen und Ergebnisse der vergehenden Legislaturperiode. König hat die Wiederwahl beinahe in der Tasche und dieser Umstand verlieh ihm eine sehr entspannte Aura.

Inhaltlich konnte er allerdings nicht überzeugen. Da war die Sache mit dem Verkauf der WVG-Anteile, die Idee, Tourismus zu fördern, ein Steinkohlekraftwerk zu befürworten und zu guter Letzt die Sache mit seinem Prestige-Millionengrab Stadthalle.

Gesichtsloser Geostratege

Zu Rainer Mutke (SPD) müssen nicht viele Worte verloren werden. Viele seiner Antworten zielten ins Leere und verloren sich. Auch Mutke befürwortet das Kraftwerk, allerdings begründete er dessen Notwendigkeit mit geopolitischen und -strategischen Überlegungen. Europas Energiezukunft soll zukünftig von Lubmin aus gesichert werden.

Der Kumpeltyp

Birgit Socher, als Kandidatin der LINKEN, vergaß nie zu erwähnen, dass sie als einzige Frau ins Rennen ginge. Allerdings wirkte sie nicht wie eine Kämpferin emanzipatorischer Ideen, im Gegenteil.

Sportbegeistert und ein wenig gluckenhaft, trotzdem symphatisch, duzte sie mit fester Blickrichtung gen Moderation die imaginäre FragenstellerIn und zeigte die Grenzen des Gestaltungsspielraums für OberbürgermeisterInnen auf; Kommunalpolitik leicht erklärt!

Phrasen des Ringkämpfers

Olaf Tammert muß man eigentlich hoch anrechnen, dass er die studentische Zuhörerschaft weitesgehend ignorierte und seinen Wahlkampf auch an diesem Ort an die nichtstudentischen Bewohner der Neubaugebiete adressierte. Positiveres bleibt über den ehemaligen Ringer nicht zu berichten.

Widersprüchliche Argumentationen (z.b. beim Thema Gewerbesteuer) und sich permanent wiederholende, wahlkämpferische Phrasendrescherei strapazierten die Geduld des höflichen Publikums. Er wirkte an diesem Abend mehr als deplatziert und ließ sich sogar zu kämpferischen Gesten (Faust in die Luft recken), gewürzt mit einer großzügigen Portion Pathos, hinreißen, die man — medial vermittelt — eher von Auftritten hitzköpfiger Populisten kennt.

Oppositionelle Eloquenz

Ulrich Rose hatte den Gestus eines klassischen Oppositionspolitikers inne. Eloquent, informiert, zynisch und von den herrschenden Zuständen sichtlich angepisst, schien es so, als wäre ihm bewußt, dass das Gros seiner Stimmen studentischer Natur sein wird. Umso sympathischer fand ich seine Vorstellungen davon, was mit den — durch das abrupte hauptwohnsitzliche Ummelden von Studenten in die Stadtkasse fließenden — 1,6 Millionen Euro anzustellen sei.

Während die anderen KandidatInnen das Geld (bzw. einen Teil davon) zugunsten der Studenten ausschütten wollten, verwies Rose auf die grassierende Kinderarmut in Greifswald und erklärte die Bekämpfung dieses strukturellen Problems (z.b. durch die Erstausstattung mit Schulmaterialien) zum allgemeinen Interesse der Stadt. Roses Beiträge wirkten normativer und unterschieden sich dadurch von den Anderen. So erklärte er seine Vorstellungen von staatlicher Daseinsfürsorge und leitete aus diesem Verständnis seine Vorschläge ab.

Seine Ideen über die zukünftige Gestaltung des Verkehrs in der Stadt entspringen dem Geist eines modern-ökologischen Vernunftsmenschen und der Erfahrung eines Fahrradfahrers.

Die Veranstaltung war sehr gut besucht, das Publikum höflich, neugierig und duldsam. Nach 90 Minuten moderierter Diskussion wurde von der Möglichkeit der direkten Fragen an die KandidatInnen rege Gebrauch gemacht. Der AStA hat eine rundum erfolgreiche Veranstaltung organisiert und durchgeführt, dafür gebührt ihm Respekt. Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass die BewerberInnen für das höchste Amt der Stadt Gelegenheit hatten, sich und ihre Positionen vorzustellen. Nach meiner Einschätzung gelang es allerdings allein Ulrich Rose, nachhaltig für seine Ideen und Zielsetzungen zu werben.