Kaum jemand hat heute Vormittag die Anhänger der NPD auf dem Greifswalder Marktplatz erwartet, doch gegen 11 Uhr erreichte die rechtsextreme „Asyltour“ die Hansestadt und ihre Anhänger richteten sich vor dem Rathaus ein. Trotz dieser unangenehmen Überraschung dauerte es nicht besonders lange, bis etwa 100 Zivilgesellschafter eintrafen und in deutlicher Überzahl den ohnehin verregneten Auftritt der Neonazis störten.
Cornelia Schulze (Bündnis Greifswald Nazifrei) war mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden. „Trotz der extrem kurzen Mobilisierungszeit, Schietwetters und der sommerbedingten Abwesenheit vieler GreifswalderInnen haben wir zumindest ein Zeichen gegen die rassistische Hetze der gewaltbereiten Faschisten von der NPD setzen können.“
Aggressiveres Auftreten nach Rostock: Verhinderter Schöffe attackiert Antifaschisten
Den NPD-Anhängern steckte offenbar die Blamage von Rostock am vergangenen Freitag noch tief in den Knochen. Dort wurde der „Asyltour“ mit zahlreichen Eier-, Obst- und Gemüsespenden ein vorzeitiger Offday verpasst, den die Neonazis nicht so schnell wieder erleben wollten. Wie das Bündnis Greifswald Nazifrei berichtet, wurde heute der NPD-Stand von etwa 20 „Schlägernazis“ bewacht, „die sich weiträumig auf dem Markt verteilten, um etwaige Gegenprotestler einzuschüchtern.“
Darunter war auch wieder der hier lebende Neonazikader Frank Klawitter, der nach dem Verbot der Heimattreuen Deutschen Jugend und seinem Rausschmiss aus dem THW nun die Leitung des Ordnerdienstes bei NPD-Veranstaltungen in Mecklenburg-Vorpommern und auch außerhalb des Bundeslandes verantwortet.
Die Veranstaltung verlief – abgesehen von einigen Tomatenwürfen — weitestgehend friedlich und störungsfrei. Als die anwesende Polizei jedoch einen mutmaßlichen Gemüsewerfer festnehmen wollte, stürmte plötzlich eine Gruppe Neonazis auf einen Teil der Protestierenden los und wurde gewalttätig. Unter ihnen soll auch der in Greifswald wohnende Aktivist Marcus G. gewesen sein; dieser soll einen Gegendemonstranten mit einem Fußtritt verletzt haben. Gegen ihn wurde nun Anzeige wegen Körperverletzung erstattet. G. bewarb sich in diesem Jahr um ein Schöffenamt am Greifswalder Amtsgericht, wurde allerdings aufgrund “erheblicher Zweifel” an der notwendigen “Unvoreingenommenheit und Neutralität gegenüber allen Bevölkerungsschichten” abgelehnt.
In einer ziemlich kruden Darstellung der heutigen Ereignisse, die Greifswalder Neonazis vor wenigen Stunden bei Facebook veröffentlichten, heißt es, dass die NPDler „von dem Jedermannsrecht“ Gebrauch gemacht und zwei Personen gestellt hätten. „Ein Antifaschist ist dabei wohl aus unbekannten Gründen gestürzt. Ob es an dem nassen Boden lag, er stolperte, von den eigenen Genossen umgerannt wurde oder es eine andere Ursache hatte ist unklar.“
Vielleicht sind die Neonazis um Marcus G. in Gedanken noch im letzten Schwedenurlaub. Inwieweit sich aber deren Interpretationen des Jedermann-Festnahmerechts mit dem Gesetz vertragen, wird hoffentlich bald gerichtlich entschieden.
- Spontaner antifaschistischer Protest gegen die NPD in Greifswald (PM Bündnis Greifswald Nazifrei, 29.07.13, pdf-Dokument, 0,04 MB)
- Und jeder Treffer Beifall – NPD-Kundgebung in Rostock (Kombinat Fortschritt, 26.07.13)
- Nazis auf dem Markt in Greifswald – wehe, wenn sie losgelassen! (Grüne Vorpommern-Greifswald, 29.07.13)