Pop am Wochenende: PL8 feat. Ali Baba „Zur Party!“

Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

EIN BISSCHEN MUNKELN UND RICHTIG INS KLO GREIFEN

Die großen, kurzzeitig durchs Internet getrieben, viralen Selbstläufer stammen normalerweise nicht aus Ostvorpommern. Das könnte sich gerade ändern, denn seit einigen Tagen amüsieren sich Tausende über das Ergebnis eines Demminer Schulprojekts, das der Wahlgreifswalder Ali Baba aka Ali der Rapper aka Das Original aus Schönwalde II gemeinsam mit Schülern einer achten Klasse durchführte.

ali der rapper

Ali Baba, der auch in Greifswald als eine Art Raplehrer arbeitet, nahm mit den Schülern den Song Zur Party auf, der von den ausgehhungrigen Phantasien der Jugend von heute in der nordöstlichen Provinz erzählt. Dazu wurde ein fetzig zusammengeschnittenes Video gedreht und alsbald im Internet veröffentlicht.

Schon wenige Tage danach erfreute sich das Schaffenswerk reger und vor allem unkontrollierbarer Weiterverbreitung und Zugriffszahlen im unteren fünfstelligen Bereich — kein Wunder, denn das Fremdschampotenzial des freizeit-pädagogischen Machwerks ist himmelschreiend. Dagegen nützt dann auch das Löschen des Originals wenig.

Kinder, die in der Provinz Ostvorpommerns aufwachsen müssen, haben ja bekanntlich nicht unbedingt die rosigsten Aussichten auf eine rundum erfüllte, breit inspirierte und wild-romantische Jugend. Dass sie da noch einen Raplehrer benötigen, der nicht mal die unangeschlossene E-Gitarre richtig herum halten kann, darf getrost bezweifelt werden. Wohin wollt ihr alle heute Abend? Natürlich tsu Party!

(Foto: Filmstill)

*Update*

Die Gitarre wird nicht von Ali Baba falsch gehalten, sondern von einem der beteiligten Schüler. Danke für den korrigierenden Hinweis!

Riot Grrrl Revisited: „Revolution Girl Style Now!“

Popkulturlehrstunde  mit dem testcard-Autoren Dr. Jonas Engelmann (Ventil Verlag). Es geht um Punk und Feminismus, um DIY und Selbstermächtigung, um Rebellion und Subkultur. Der Mitherausgeber des Sammelbands Riot Grrrl Revisited stellt sowohl Geschichte als auch Gegenwart dieser vor über zwanzig Jahre in den USA gewachsenen Bewegung dar.

„1990 gründeten sich Bikini Kill und Heavens to Betsy, aus denen später Sleater-Kinney hervorgingen. Damals hätte wohl keine der Beteiligten geahnt, dass 20 Jahre später eine Frau zum Superstar avancieren würde, die sich auf eben diese Bands beruft: Es gibt kaum einen Musikpreis, den Beth Ditto mit ihrer Band The Gossip in den letzten Jahren nicht bekommen hätte, kaum eine Musikzeitschrift, auf deren Cover sie nicht abgebildet war.

Riot Grrrls revisited

Höchste Zeit also, zurückzublicken und das Standardwerk zur Geschichte dieser Bewegung dem deutschen Publikum zugänglich zu machen: Riot Grrrl! erzählt die Entwicklung aus der Perspektive von Frauen, die in ihrer Wut auf den Sexismus der Punkszene und die gesellschaftlich vorgegebenen weiblichen Rollenmuster kurzerhand ihre eigene Szene gründeten – unter dem Schlachtruf: Revolution Girl Style Now!

Der durch  Filmausschnitte und Hörbeispiele ergänzte Vortrag findet in Kooperation mit dem Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung (IZfG) statt.

Fakten: 03.05. | 21 Uhr | IKUWO | Eintritt frei

Pop am Wochenende: the love „little snacks in between“

Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

the love hannah schulze

Frau mit Hund beißt ins Klavier. Die Jungs kriegen einen Korb und den dazugehörigen Ball zum Herumspielen. Ein Selbstverletzungsschutz kräuselt sich am Hals des Mädchens hinauf. Ein bisschen Strobohobo, ein Ausschnitt der Totale. Alles fliegt — nur du nicht.

Little snacks in between heißt der Song, zu dem es seit kurzem auch ein Video gibt. Aufgenommen und produziert wurde beides von Hanna Schulze, die hierorts hauptsächlich als bildende Künstlerin in Erscheinung trat, sich aber schon seit einiger Zeit mit ihrem Solo-Musikprojekt the love ein neues Terrain künstlerischen Ausdrucks erschließt. Dabei entstehen düstere Dreampop-Landschaften, die in ihren größten Momenten wie Reminiszenzen an die New Yorker Band Blonde Redhead klingen.

DER WILLE ZUM DRAMA, DER MUT ZUR MANIE 

Alles in allem eine höchst fragile Angelegenheit, klagevoll und mit dem Willen zum Drama, der manchmal eben notwendig ist. Trotz aller Entschleunigung geht es plötzlich nach vorne und auch die manischen Momenten kriegen ihren Raum.

The love veröffentlichte bislang erst vier Songs bei Soundcloud. Auf ein mögliches Album wird also noch eine Weile zu warten sein. Bis dahin bleibt genügend Zeit, sich in eines der gegenwärtig interessantesten Projekte der Stadt zu verlieben. Welcome to Zwischenreich!

(Foto: Ausschnitt Filmstill)

Pop am Wochenende: Alex Megane “Gefühle”

Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

Bewertete man Musiker allein anhand der Popularität ihrer Musikvideos auf dem Bewegtbildportal Youtube, so käme man zu dem Ergebnis, dass Techno-Trance-Chartpop-Produzent Alex Megane der kulturelle Exportschlager Greifswalds schlechthin wäre. Allein das dort präsentierte Gefühle wurde binnen eines Monats fast 54.000 Mal aufgerufen und bot Tausenden einen kurzzeitigen Realitätsfluchtplan in die Sonntagabendfilmwelt an – artifiziell, problembefreit und richtig happy.

DIE UNERTRÄGLICHE SEICHTIGKEIT DES SEINS

alex megane meine gefühleDas Video zu diesem Hit beginnt mit einer Kissenschlacht unter Verliebten, platziert in den koletzkihaft-reinen und vor allem perwollgewaschenen Morgengemächern des jungen Glücks. Anschließend wird der Schauplatz gewechselt und das Pärchen strahlt am Strand von Lubmin vergnüglich und unbeschwert vor sich hin, ehe lässig die blühenden Landschaften Ostvorpommerns mit dem Motorrad  erkundet werden. Kurzes Geschmuse mit der Muse auf dem Acker und pünktlich zum Sonnenuntergang wieder zurück am Strand – der Mann hat doch ein Bett im Kornfeld!

Der dramaturgischen Seichte des Videos steht das textuelle Fundament in nichts nach und nimmt uns auf eine sorgenfreie Reise mit nach Schlagerland zurück. Auszug gefällig?

Meine Gefühle spieln‘ verrückt
Ich könnt‘ explodiern‘ vor lauter Glück
Ich liebe das Leben, mein fantastisches Leben
Bitte hilf mir, sonst werd ich verrückt.

Ich liebe die Sonne, den Mond, das Licht
Ich liebe die Freude in deinem Gesicht
Ich liebe die Aura, die uns umgibt,
Wenn man sein Leben, wenn man sein Leben liebt.

(Textauszug Gefühle)

WILLKOMMEN IN DER SCHLAGERHÖLLE

Ebenso kantenfrei und weichgespült wummert und wohohoot auch das Songwriting vor sich hin: Das baumarktgerechte Soundgewand reißt längst ad acta gelegte Erinnerungen aus dem Schlaf und dreht nochmal die dröhnenden Autoradios auf, die einst an den Kreuzungen auf ihre Zuhörerschaft lauerten – mit unvorstellbarer Penetranz und nach Beachtung hungernd. Welcome to hell!

Vortrag und Swingparty: Leipziger Jugendkulturen gegen das NS-Regime

Morgen findet im IKUWO der Auftakt einer Veranstaltungsreihe statt, die mit Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl im September und den zu befürchtenden Wiedereinzug der NPD eine eigene, vielseitige Auseinandersetzung mit rechten Umtriebigkeiten anbieten wird.

Meuten, Gangster und Swingkids gegen das Naziregime

Den Anfang markiert ein Blick zurück in die NS-Zeit, konkret wird es hierbei um Jugend- und Subkulturen und vor allem deren Widerstand gegen das Naziregime gehen. Dabei soll der Fokus nicht auf die bekanntesten Gruppen wie die Weiße Rose oder die Edelweißpiraten gelegt werden. Stattdessen wird am Fallbeispiel Leipzig aufgezeigt, wie vielfältig die jugendliche Opposition gegen die Nazis aufgestellt war, die sich aus  Broadway-Gangstern, Jungkommunisten, Swingkids, Bündischen,  Pfadfindern und den Meuten rekrutierte.

Swingkids

Die Leipziger Meuten waren Ende der Dreißiger Jahre mit bis zu 1500 Mitgliedern die damals größte oppositionelle Jugendbewegung Deutschlands. „HJ-Heime wurden überfallen, Flugblätter verteilt, über ein Deutschland ohne Nazis diskutiert. Und an den Wochenenden ging es wandern in die Natur. Bis nach Berlin zeigten sich NS-Funktionäre und Juristen verunsichert. Es folgten Massenverhaftungen, Prozesse vor dem Volksgerichtshof und die Errichtung eines KZ-ähnlichen Jugendlagers.“

Für den Vortrag konnte der Historiker und Autor Sascha Lange gewonnen werden, der zum Thema Jugendwiderstand im Leipzig der NS-Zeit promovierte. 2010 erschien im Böhlau Verlag seine Untersuchung Meuten – Broadway-Cliquen – Junge Garde. Leipziger Jugendgruppen im Dritten Reich.

Neben seinen wissenschaftlichen Tätigkeiten ist Lange außerdem als Autor aktiv wie produktiv und veröffentlichte 2007 mit DJ Westradio. Zwischen Playmobil und Perestroika (Aufbau-Verlag) ein Buch über Jugendkultur in der DDR. Ende Februar dieses Jahres wird seine roadmovieske Wendekomödie Das wird mein Jahr. Vom Abhauen und Ankommen. (Aufbau-Verlag) in den Buchhandel kommen.

Swing Tanzen erwünscht: Antifaschistischer Jazz-Karneval

Nach dem Vortrag dirigiert Plattenunterhalter Pehle (Zonic/ Leipzig) mit Original Swing & Hot Jazz den antifaschistischen Jazz-Karneval bis in die Nacht. Swing tanzen ist hier ausdrücklich erwünscht!

Wer bereits zum Vortrag kommt, zahlt für Edukation und Tanzvergnügen nur 3 Euro. Die Party wird gegen 22.30 Uhr beginnen — wer dann erst auftaucht, muss 4 Euro berappen.

Fakten: 26.02. | 21 Uhr | IKUWO | 3 / 4 EUR (nach dem Vortrag)

Pop am Wochenende: King Tino „HGW“

Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

Es ist Nacht in Greifswald. Eine Gang sieht Krieg und beginnt eine Schießerei. Ein schwarzer BMW 5er rauscht um die Ecke, der dumpf-schleppende Dröhnbass des aufgerüsteten Autoradios eilt ihm voraus. Frauen auf der Rückbank bewegen sich stöhnend zum Rhythmus der Musik. Mit 100 km/h und dem Fuß auf dem Gaspedal schießt das Auto am Krankenhaus vorbei, auf dem Weg zu einem der unzähligen Clubs, in dem abgehalfterten Gangstern hin und wieder gezeigt werden muss, wer der Boss ist. Schlägereien stehe man offen gegenüber. Nach dem Clubbesuch geht es schnell nach Hause, denn dort soll noch gebumst werden – schließlich ist „banger banger time„.

(Foto: Shutterstock)

HGW-SLANG ROHLEXXXSCHER COULEUR

Dieses Szenario ist keiner drittklassigen, actiongelandenen Ghetto-Verfilmung entnommen –  Wort und Dröhnbass fabrizierte kein geringerer als King Tino, seines Zeichens Greifswalder Rapper mit Rohlexxxschem Stallgeruch, der sich des „HGWer Slangs“ bedient und mit ihm seine „Hood“ bewegt. „Pop am Wochenende: King Tino „HGW““ weiterlesen