Der ganz alltägliche Sexismus – ein wütender Kommentar

Unregelmäßig und in viel zu langen Abständen geistert das vielerorts verfemte F-Wort durch den öffentlichen Diskurs. Zuletzt angefacht durch die – literarisch zweifelhafte, monetär und diskussionsanregend aber überaus erfolgreiche – Abrechnung mit dem Hygienediktat in Charlotte Roches „Feuchtgebiete“.

Auch die noch wesentlich kontroverser rezipierte und äußerst fragwürdige Lady Bitch Ray setzte mit einem neuen ‚Selbstverständnis als Frau‘ Impulse; als Gegenentwurf zu sexistischem Männerrap verharrt sie zumindest nicht mehr in der klassisch-femininen Duldungsstarre großstädterischen Jungs-Gebarens.

Die Sache mit dem S-Wort

Dann kam die Krise und das omnipräsente K-Wort verdrängte erst alle Diskussionen zum Thema und avancierte schließlich zum Wort des Jahres 2008. Was leider nicht verdrängt wurde, ist der ganz alltägliche Sexismus. Es ist diesem sexistischen Normalzustand zuzuschreiben, dass der Verwendung jenes S-Wortes in Kritik an gesellschaftlichen Zuständen häufig mit Dogmatismusvorwürfen seitens der Kritisierten begegnet wird, abgekanzelt als mißverstandener Feminismus oder schlicht und ergreifend als ‚witzig‘ bagatellisiert. Umso erbaulicher, dass sich eine Frau via E-Mail beim webMoritz meldete und ihrem Unmut über einen Flyer des TV Clubs Luft machte.

Hier ist ein Auszug der Email: „Ich finde, nun ist der Geschmack der schlechten Frauenwitze wirklich überschritten. Ich würde mich sehr freuen, wenn der Webmoritz diesen offensichtlichen Sexismus durch einen Artikel thematisieren könnte. Denn Sexismus ist Diskriminierung einer Menschengruppe. Wennn auf dem Flyer über irgendeine Nationalität, Religion oder Homo/Bisexuelle hergezogen worden wäre, dann hätten sich sofort alle aufgeregt und es hätte irgendwelche Konsequenzen, Reaktionen oder ernsthafte Gespräche mit den Flyerverantwortlichen gegeben (so hoffe ich jedenfalls), aber anscheinend ist Sexismus „normal“, in der Gesellschaft genügend akzeptiert, so dass der flyer „lustig“ gefunden wird. Wo bleibt die Sensibilisierung für Vorurteile egal welcher Art. Und bereitet ein so leichtsinniger Umgang mit Vorurteilen und Klischees nicht den Weg für weiteres Gedankengut ähnlicher Art, wie weit ist da der Schritt zur „spaßeshalben“ Diskriminierung anderer Menschengruppe?“

Um was geht es konkret? Der TV Club wirbt derzeit für die Medizine-Party „Sounds like medicine“. Die Rückseite des Flyers beheimatet einen Text, der sich in puncto Frauenverachtung nur schwer überbieten läßt und hier unkorrigiert wiedergegeben werden soll muss: „Letztes Wochenende haben wir mit ein paar Freunden über Bier diskutiert. Einer sagte dann plötzlich, dass Bier weibliche Hormone enthält. Nachdem wir ihn -wegen seiner dummen Bemerkung- aufs Korn genommen haben, beschlossen wir die Sache wissenschaftlich zu überprüfen. So hat jeder von uns, rein für die Wissenschaft, 10 Bier getrunken. Am Ende dieser 10 Runden haben wir dann folgendes festgestellt:

1. Wir hatten zugenommen.
2. Wir redeten eine Menge, ohne dabei etwas zu sagen.
3. Wir hatten Probleme beim Fahren.
4. Es war uns unmöglich auch nur im entferntesten logisch zu denken.
5. Es gelang uns nicht, zuzugeben, wenn wir im Unrecht waren, auch wenn es noch so eindeutig schien.
6. Jeder von uns glaubte er wäre der Mittelpunkt des Universums.
7. Wir hatten Kopfschmerzen und keine Lust auf Sex.
8. Unsere Emotionen waren schwer kontrollierbar.
9. Wir hielten uns gegenseitig an den Händen.
10. Und zur Kroenung wir mussten alle 10 Minuten auf die Toilette und zwar alle gleichzeitig.

Weitere Erläuterungen sind wohl überflüssig: Bier enthält weibliche Hormone!!!“

Es bedarf einer gehörigen Portion Dreistigkeit und einer antiquierten Vorstellung von Geschlechterrollen, um mit solchen Texten Werbung für eine Veranstaltung zu machen. Das sind die geistigen Kinder eines Mario Barth, also jenes ‚Komödianten‘, der es vermag, mit vergleichbaren Stereotypisierungen das Berliner Olympiastadion zu füllen. Auch wenn diese Art von ‚Humor‘ auf eine sehr viel ältere Tradition zurückblicken kann, so reproduzieren die Mario Barths dieser Gesellschaft doch die Salonfähigkeit frauenfeindlicher ‚Witzkultur‘.

Sounds like Medicine — smells like Sexism

Nicht viel weniger sexistisch gestaltet sich die Vorderseite des Flyers. Auch hier wirkt ein Rückblick haaresträubend. So eine Bildsprache muss erstmal bedient werden. Passend zum Partymotto wird der Typus naughty nurse kreiert: gewillt und duldsam auf den männlichen Teil des Publikums wartend.

An dieser Stelle drängt sich natürlich die Frage nach der Rezeption dieser Art von Werbung auf und vor allem nach den Reaktionen des (weiblichen) Publikums. Froh wäre ich, blieben sie zuhause, straften sie solche Denkweisen durch ihr Fernbleiben ab.

Stell dir vor, es wäre wieder Krankenschwesternabend und keiner ginge hin!

Feminismus wird hier klein geschrieben

Hat es jemand bemerkt? Das gefürchtete F-Wort geisterte in den vergangenen Tagen und Wochen auf Plakaten und Flyern durch die Stadt. Sonja Eismann schickte sich Mittwoch an, im IKuWo aus ihrem Buch Hot Topic – Popfeminismus heute zu lesen und Erfahrungen aus dem Kosmos zwischen Pop und Feminismus weiterzugeben.

Das geschah in amüsanter Art und Weise unter Aussparung von Manifesten, Theorien und Kampfansagen. Weit weniger erheiternd ist die Tatsache, dass das Publikum im Grunde genommen nur aus Frauen bestand.

Der ehemalige Moritz-Web-Chrefredakteur und freie OZ-Mitarbeiter Uwe Roßner war zugegen, aber eher aus nebenberuflichem Interesse. Außerdem noch ein paar IKuWo-Aktivisten. Darüber hinaus waren höchstens vier Männer vor Ort. Sonja Eismann musste mit König Fußball konkurrieren, aber das wird wohl nicht ausschlaggebend für den Männermangel unter der ZuhörerInnenschaft gewesen sein. Die geringe männliche Beteiligung ist meiner Meinung nach Beweis für die Notwendigkeit solcher Veranstaltungen, die sich in diesem Sinne ideell legitimieren; das hat beinahe etwas Selbstreferentielles.

Die Qual der Wahl

Wahlen sind die demokratischen Leibesübungen schlechthin. Bedauerlicherweise wird die Beteiligung an den OB-Wahlen unter 50% liegen. Just in diesem Augenblick werden die abgegebenen Stimmen ausgezählt, das Rathaus steht offen und es gibt eine Art Liveticker zur Auszählung.

Wer den Weg ins Rathaus scheut, kann sich hier die gezeigte Projektion ansehen.

Auf dem Rückweg vom Wahllokal fiel mir auf, dass die Wahlwerbung der CDU frisiert wurde. Die fragwürdigen Plakate, die den CDU-Breitensportler Arthur König mit sechs Schornsteinfegerinnen zeigen, wurden an mehreren Standort ein wenig ergänzt, allerdings nicht mit der erwarteten Sexismus-Kritik.

Die heißen Fegerinnen sollen Garant für die Zukunft sein: Viel Glück für Greifswald. Visionen, Ideen und Kompetenzen sollten die kommunalpolitische Zukunft beeinflussen, Glück ist hierbei doch eher zweitrangig. Glück bedeutet in diesem Fall, es mal mit einem anderen Bürgermeister zu probieren. Dem König geht es gut, aber wie geht es seinem Volk?