Nach nicht einmal zwei Jahren findet ein erneuter Wechsel der Redaktionsleitung in Greifswald statt. Ihr bisheriger Leiter, der 32-jährige Benjamin Fischer, arbeitet seit heute in der Chefredaktion der Ostsee-Zeitung als geschäftsführender Redakteur.
Fischer löste am 1. März 2010 Reinhard Amler, den langjährigen Redaktionsleiter, in Greifswald ab. Bereits seit 2001 schrieb der gebürtige Karlsburger für die Zeitung, studierte hierorts Politikwissenschaften und begann 2007 ein Volontariat bei der OZ. Seine Aufgabe in der Greifswalder Redaktion war 2010 zu Beginn seiner Leitungstätigkeit relativ klar abgesteckt: „Fischer soll die Umstrukturierung der Redaktion und die Online-Aktivitäten weiter voranbringen“.
GEPLANTE UMSTRUKTURIERUNG GESCHEITERT – ONLINE-AKTIVITÄTEN NOCH IMMER KAUM ERKENNBAR
Von der Erreichung dieses Ziels ist heute allerdings nicht viel zu sehen. Der Online-Auftritt der Ostsee-Zeitung kann nach wie vor nicht mit dem anderer Regionalzeitungen mithalten.
Abgesehen von einigen wenigen Großveranstaltungen — wie zum Beispiel den Blockaden gegen den NPD-Aufmarsch am 1. Mai 2011, bei denen die Lokalredaktion einen Ticker anbot — oder einigen Online-Umfragen zu kommunalpolitischen Themen, waren leider keine neuen Impulse erkennbar, die von einer neuen, zeitgemäßeren Weichenstellung zeugen.
Wurde der Greifswalder Redaktion unter der Ägide Reinhard Amlers immer wieder eine Nähe zur CDU unterstellt, so hat sich der Wind gedreht — Kritiker des Redaktionsleiters bemängelten in den vergangenen 23 Monaten einen regierungsergebenen Schmusekurs gegenüber der SPD und verwiesen dabei auch auf Fischers private Nähe zu der Partei. Unabhängig von Fischers ehelichen Bindungen und den Sehnsüchten der Kritiker, die Arbeit des Redaktionleiters als parteinah erklären zu können, hat sich die Greifswalder Ausgabe der Ostsee-Zeitung in den beiden vergangenen Jahren gewandelt.
PRESSEMITTEILUNGEN UND AGENTURMELDUNG HABEN EINEN FESTEN PLATZ IM BLATT
Sie ist heute krawalliger denn je und ihr Skandalhunger erscheint manchmal unstillbar. Die Lust an der Schlagzeile ist nach wie vor sehr groß. Pressemitteilungen und Agenturmeldungen, die als solche nicht gekennzeichnet werden, machen inzwischen leider einen festen Bestandteil der Ostsee-Zeitung aus, exemplarisch sei auf einen Artikel über das Caspar-David-Friedrich-Zentrum verwiesen.
Andere Texte wurden im Wortlaut und ohne Hinweis auf fremde Urheberschaft aus der Wikipedia übernommen. Als im Dezember 2010 ein älterer Meinungsartikel aus dem Magazin der Süddeutschen Zeitung übernommen wurde, schaffte man es mit dieser Glanzleistung sogar in den BILD-Blog. Mit diesem Beitrag endete aber konsequenterweise die freie OZ-Mitarbeiterschaft des dafür verantwortlichen Autors.
Wer auch immer zur neuen Redaktionsleiterin gekürt wird — zu viele Hoffnungen auf einen radikalen Kurswechsel sollten nicht gehegt werden. Der alte Kutter wirkt trotz der relativ kleinen Redaktion einfach zu behäbig. Ihrem alten Kapitän, der nun befördert wurde und den Schettino machte, muss man dazu eigentlich gratulieren.
Bis die Personalentscheidung über Fischers Nachfolge getroffen wurde, übernimmt Society-Reporterin Katharina Degrassi die kommissarische Leitung der Greifswalder Lokalredaktion.
Schöner Artikel 🙂
FREIHEIT FÜR SCHETTINO!
„Wenn der Regionalleiter der Zeitung mit der persönlichen Mitarbeiterin des SPD-Wahlkreiskandidaten verheiratet ist, wird es eben schwer, objektiv zu bleiben“, wetterte im Sommer 2011 die Vize-Landtagspräsidentin Renate Holznagel von der CDU. Die PM zu der angeblich parteinahen Berichterstattung gibts hier http://www.cdu-fraktion.de/Presse-Singleansicht.pressesingle.0.html?&cHash=c992669ad6&tx_ttnews%5Btt_news%5D=4048&utm_source=twitterfeed&utm_medium=twitter
Dabei erzählte der Pressesprecher des CDU-Landesverbandes noch etwas von „offener“ Kommunikation bei einer Diskussion, ts!
Ich wünsche Herrn Fischer viel Erfolg bei der weiteren Karriere. Nun ist er ja fast ganz oben angekommen für OZ-Verhältnisse 😉 Ich war froh, dass Amler damals seinen Posten räumen musste und habe rückblickend dass Gefühl, dass unter Benjamin Fischer nicht ganz so viel Mist verzapft wurde, wie es vorher der Fall war. Das Problem sind aber nicht die einzelnen Lokalredaktionen, ihre Chefs und die Schreiber_innen, sondern das Monopol der OZ in der hiesigen Region. Die Lust an der Schlagzeile erklärt sich vielleicht durch die dunkeln Wolken, die über den Holzmedien aufgezogen sind. Ich wünsche mir für die Zukunft eine_n sensibilierte_n Chefredakteur_in in HGW, der/die den opportunistischen Kurs gegenüber der renitenten 60+ Leserschaft aufgibt. Aber das wird wohl Wunschdenken bleiben.
btw – kann man das E-Paper eigentlich nur bis zu einer bestimmten Uhrzeit online lesen? Ich kann zu später Stund‘ nicht darauf zugreifen. Hat jemand ähnliche Probleme und ne Erklärung parat? thx
Ich bin nicht froh, das dieser Benjamin Fischer jetzt da oben mitmischt, da hat er nichts, aber auch gar nichts zu suchen. Raus.
Das mit ungekennzeichneten Agenturmeldungen stört mich auch massiv, aber da ist die OZ nicht alleine, denn im Internet gibt es zahlreiche solcher „Portale“, welche fast nur aus solchen „Inhalten“ bestehen. Der Onlineauftritt OZ ist anscheinend auch nur da, um massenhaft Werbebanner unterzubringen.
Nicht anscheinend. Offensichtlich. 😉
(Im Internet gibt es extrem viele portale,die ohne redaktionellen anspruch sind. portale eben, die einfach nur werbebanner verkaufen wollen, wie eben das oz-portal. Ein Banner in der „Zeit“ oder so ist vernünftig, da wird redaktionelle/geistige Arbeit kostenfrei zugänglich gemacht und einfach nur versucht den Aufwand zu finanzieren – ist z.B. hier beim fleischervorstadtblog ähnlich, glaub ich).
kleine Ergänzung am Rande: „Mit diesem Beitrag endete aber konsequenterweise die freie OZ-Mitarbeiterschaft des dafür verantwortlichen Autors“
Ja, um als stellvertetende Ministersprecher bei Parteifreund Tesch tätig zu werden. Karrieren gibt es heutzutage, die gibt es gar nicht. Und das Parteibuch zählt wieder.
Stimmt nicht ganz. Dazwischen war er mehrere Monate ausschließlich stellvertretender webMoritz-Chefredakteur, bevor er seine Anstellung im Ministerium erhielt. Genau genommen war er auch immer „Mitarbeiter im Stab des Bildungsministeriums“ und nahm da die Aufgabe als stellvertretender Pressesprecher wahr und wurde daher auch so von der OZ zitiert.
Oha, da macht jemand Karriere …
Die Zeiten in denen jemand aufgrund von Fähigkeit befördert wurde sind ja eh längst vorbei … aber sogar in Vorpommern! Nichts gegen Weiterentwicklung, aber Sachen gibt’s, … die dürft es gar nicht geben.
@jockel:
interessanter Beitrag!
Nach zwanzig Jahren „Einheit“ sind wir in der Wirklichkeit angekommen.
Wer zu DDR-Zeiten in der SED war, konnte auch bei der Ostsee-Zeitung
Karriere machen. Heute sind andere Vorzeichen da, das Ergebnis das selbe.Wie ernüchternd furchtbar. Die Ideale solcher Karrieristen gehen alle den Bach runter. Denn geleistet hat der junge SPD-Mann ja nichts.
Das Parteibuch kann wohl kaum ausschlaggebend gewesen sein, da die Ostseezeitung selbst weniger SPD-nah ist, sondern lediglich Benjamin Fischer in Greifswald. Abgesehen davon: Ist er überhaupt bei der SPD? Nur weil er mit der persönlichen Referenten des Ministerpräsidenten verheiratet ist, muss er nicht gleich das gleiche Parteibuch haben, geschweige denn die gleiche politische Auffassung teilen.