Im Kampf um den Erhalt ihres Segelschiffs kann die Crew der Lovis kurz durchatmen. Wie der NDR heute berichtete, sollen sich am Donnerstag Vertreter von Interessenverbänden der Traditionsschiffe und des Bundesverkehrsministeriums darauf geeinigt haben, dass alle Schiffe, die zum Ende der Saison 2012 ein Sicherheitszeugnis hatten, nun „bis zum Erscheinen einer neuen Richtlinie für Traditionsschiffe einen zweijährigen Bestandsschutz erhalten, bei dem ausschließlich Sicherheitsfragen neu überprüft werden.“
ÄRGER MIT DER BERUFSGENOSSENSCHAFT VERKEHR
Wie eine ganze Reihe anderer Traditionsschiffe, geriet zuletzt auch der Greifswalder Bildungslogger in die bürokratischen Mühlen der Verkehrsberufsgenossenschaft, die der Lovis den seit 1998 angepassten Status als Traditionsschiff aberkennen wollte und ihren historischen Wert in Frage stellte, um sie in eine andere Schiffsklasse einzugruppieren. Doch eine andere Einstufung — zum Beispiel als Berufsschiff — ist mit erheblich höheren Auflagen, beispielsweise einem Kapitänspatent und strengeren Sicherheitsbestimmungen, verbunden. Für die ehrenamtlich arbeitende Crew der Lovis wäre das wohl nicht zu stemmen und sie würde vermutlich dem traurigen Vorbild von mehr als der Hälfte der einst 200 norddeutschen Traditionsschiffe folgen, die in den letzten fünf Jahren ihren Betrieb einstellen mussten.
Die Berufsgenossenschaft Verkehr prüft nicht nur die Sicherheit der Schiffe, sondern bewertet auch deren Gemeinnützigkeit und die inhaltliche Ausgestaltung der Fahrtkonzepte. Nach Aussage von Ulrich Schmid, dem Leiter der Dienststelle Schiffssicherheit der Berufsgenossenschaft, hätte die Lovis bei allen drei Kriterien erhebliche Schwierigkeiten: Sie sei nicht mehr brandsicher, das Betriebskonzept hätte „Schlagseite zum Gewerblichen“ und es handle sich bei dem Bildungslogger auch nicht um einen originalen Nachbau des Schiffes. Gegenüber der taz beklagte er, dass es „immer mehr Traditionsschiffe, die gar keine Traditionsschiffe sind“, gäbe.
Als Traditionsschiffe gelten solche, die hauptsächlich mit den Originalwerkstoffen oder als Einzelnachbildung gebaut worden sind, deren Betrieb ausschließlich ideellen Zwecken dient oder die zur maritimen Traditionspflege, zu sozialen oder vergleichbaren Zwecken eingesetzt werden. Die Lovis ist eine Art historischer Hybrid, denn das Schiff wurde zwischen 1998 und 2000 von den Ehrenamtlern auf einem Originalrumpf von 1897 aufgebaut — nach den Plänen und dem Vorbild des jüngeren Frachtloggers Wilhelm Lühring. Die Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr verwehrte dem Bildungslogger die für den Traditionsschiffstatus existenzielle Einstufung als „historisches Wasserfahrzeug“, denn das Schiff habe es ja in dieser Form nie gegeben.
(aus ZDF aspekte)
SCHWIMMENDES KLASSENZIMMER LEISTET SEIT 13 JAHREN HERVORRAGENDE ARBEIT
Trotzdem war die Lovis in den letzten dreizehn Jahre historisch genug und ihre Fahrten wurden unter anderem von der EU gefördert. Die etwa 30 Personen starke Crew vermittelte in dieser Zeit ihren bis heute etwa 8000 Mitsegelnden aber nicht nur die traditionelle Seefahrt, sondern verstand ihr Schiff auch immer als Plattform für soziale und ökologische Inhalte. So nutzen viele Jugend-, Menschenrechts- und Umweltgruppen das schwimmende Klassenzimmer für Kampagnen und Aktionen. Die Crew der Lovis, die seit ihrer Jungfernfahrt etwa 72.000 Seemeilen zurückgelegt hat, war beim Kopenhagener Klimagipfel 2009 dabei, beteiligte sich an Kampagnen gegen die Überfischung der Meere sowie gegen Atomkraft in Europa und engagiert sich aktuell für einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik der EU.
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Jetzt liegt das Schiff im Greifswalder Hafen. Die erste Tour des Monats musste aufgrund der unklaren Zukunftsaussichten abgesagt werden. York Haase, bei der Lovis von Anfang an dabei, mag zwar durchgeatmet haben, will sich aber über das Verhandlungsergebnis des vergangenen Donnerstags noch nicht so recht freuen: „Ich glaube erst, wenn ich das Papier in der Hand halte, dass wir uns entspannen können.“ Bislang hat die Lovis noch kein neues Zeugnis und ob die verlängerte Zulassung am Montag kommt, ist fraglich. Laut dem Bericht des NDR hat die Berufsgenossenschaft Verkehr bislang keine Kenntnis vom Erlass aus dem Bundesverkehrsministerium. Auch wenn die Lovis erstmal aus den unruhigsten Gewässern manövriert werden konnte, ist sie leider noch nicht langfristig gerettet.
Wer Schiff und Verein unterstützen möchte, kann dies zum Beispiel durch das Mitzeichnen dieser Petition tun!
- Lovis-Website mit Pressespiegel und weiteren Infos
- Positionspapier (Lovis, pdf-Dokument, 0,9 MB, 04/2013)
- Lovis bei Facebook und Twitter
- Wickeln Bürokraten Traditionsschifffahrt ab? (NDR, 25.06.2013)
- SOS – „Lovis“ in seebehördlicher Not (taz, 26.06.2013)
- Traditionsschiffe dürfen weiterfahren (NDR, 30.06.2013)
Ein Gedanke zu „Streit um Traditionsschiff: Lovis vorerst vor dem Abtakeln gerettet?“