Kurze Wege, lange Nächte – das Greifswalder Wochenende im Überblick #44

Eine Rubrik aus dem Tiefschlaf reißen, abbilden, was noch so läuft. Kleinstadtsuffis den Weg zur nächsten Schänke weisen, sich über Gentechnik mokieren. Unter repressiven Verstimmungen leiden. In die Oper mit Einführung gehen und was Greifswald an diesem Wochenende noch so hergibt.

Wochenende in Greifswald

„Gene, Gelder, Gegenwehr“

Ökoaktivist, Buchautor und Feldbefreier Jörg Bergstedt hält heute Abend im IKUWO einen multimedialen Vortrag über Aufstieg und Fall der agraren Gentechnik in Deutschland. Mit viel Geld, der Power großer Konzerne und einem geberfreundlichen Staat im Rücken startete 1990 das Projekt, die Landwirtschaft weiter dem Diktat von Markt und Macht zu unterwerfen. Die neue Waffe: Gentechnik. Damit schienen Saatgutkontrolle und Patente möglich. Doch schon Mitte der 90er Jahre formierte sich effektiver Widerstand gegen Gentechnik auf bundesdeutschen Äckern: Feldbefreiungen und -besetzungen, Protestaktionen vor Konzernzentralen, investigative Recherchen und viele Veranstaltungen. 2011 wurden die letzten Versuchsfelder in einer spektakulären Aktion zerstört. Konzerte wie Monsanto und BASF kündigten ihren Abgang aus Deutschland an. Seit 2013 wächst keine gentechnisch veränderte Pflanze mehr. Wie gelang das?

Fakten: 23.01. | 20 Uhr | IKUWO | Spende

Russische Kulturtage: Katja Petrowskaja „Vielleicht Esther“

Die 1970 in Kiew geborene Autorin Katja Petrowskaja erhielt 2013 für Vielleicht Esther den Ingeborg-Bachmann-Preis und kommt im Rahmen der Russischen Kulturtage nach Greifswald. Sie wird im Koeppenhaus aus ihrer Erzählung, einer Familiengeschichte im traumatisierten 20. Jahrhundert, lesen.

Hieß sie wirklich Esther, die Großmutter des Vaters, die 1941 im besetzten Kiew allein in der Wohnung der geflohenen Familie zurückblieb? Die jiddischen Worte, die sie vertrauensvoll an die deutschen Soldaten auf der Straße richtete — wer hat sie gehört? Und als die Soldaten die Großmutter erschossen „mit nachlässiger Routine“ — wer hat am Fenster gestanden und zugeschaut?

Fakten: 23.01. | 20 Uhr | Koeppen | 5/3 EUR

„1. Greifswalder Soundcheck“ – der Sound der Stadt

Mit dem Greifswalder Soundcheck will man im Sótano am Markt in Zukunft auf Entdeckungsreise durch die hiesige Musikszene gehen. Ähnlich wie beim Bandopen in den goldenen Neunzigern darf man sich auf mehrere Musikprojekte aus Greifswald einstellen.

greifswalder soundcheck

Den Anfang machen die Spacerocker Coala on Caffeine, die Band No Supermans mit Johann Putensen an den Tasten sowie das sommerliche Hip-Hop-Offbeat-Projekt Turtleneck.

Fakten: 23.01. | 21 Uhr | Sótano | 9/6 EUR (erm.)

Indie Never Dies

Indie Never DiesIndie ist tot? Von wegen! Indie never dies ist der Titel einer Partyserie, die seit kurzem im Kontorkeller vonstatten geht. Die Rettung des erkalteten Patienten nehmen Fynn & Fyne sowie Rae East auf ihre Schultern und versprechen „das tanzbare Zeug aus der vollen Indiebandbreite. Indie Indie Indie. So much Indie.“

Mit von der Partie sind die Wasseraktivistinnen von Viva con Agua Greifswald, die mit der Garderobe Geld für neue Projekte sammeln. Rein geht es über die Fritzbar, raus geht’s immer irgendwie!

Fakten: 23.01. | 23 Uhr | Kontorkeller | 3/4 EUR (ab 24 Uhr)

Design-Workshop

Gut ausgeschlafen steht der Teilnahme am Design-Workshop, den GrIStuF gemeinsam mit dem Jugendmedienverband MV (JMMV) an diesem Wochenende organisiert, nichts mehr im Wege. Wer schon immer mal lernen wollte, selbst Flyer oder Plakate zu entwerfen, aber nie wusste, wie man das konkret anstellt, ist hier genau richtig.

Der Workshop findet jeweils am Sonnabend und am Sonntag von 11 Uhr bis 17 Uhr im FMZ statt. Eigene Notebooks können mitgebracht werden, sind aber keine Voraussetzung. In dem Workshop wird es um die beiden Adobe-Programme Photoshop und InDesign gehen. Die Teilnahme kostet 10 Euro, Verpflegung wird gestellt. Wer in letzter Minute mitmachen will, sollte sich umgehend anmelden.

Fakten: 24./25.01. | 11-17 Uhr | FMZ (Bahnhofstr. 50) | 10 EUR

CDF-Galerie: Horst Hussel „Traum und Wirklichkeit“

horst-hummel-140In der Caspar-David-Friedrich-Galerie in der Langen Straße wird am Sonnabend eine Ausstellung mit Grafiken von Horst Hussel eröffnet. Zu sehen gibt es eine Auswahl von Arbeiten aus der 2012 erfolgten Schenkung von Christoph Müller an das Schweriner Kupferstichkabinett, die nun auf Reisen in die Geburtsstadt des 1934 in Greifswald geborenen Künstlers Horst Hussel geht, der zu den bedeutendsten Grafikern und Buchkünstlern Deutschlands zählt und zahlreiche Werke der Weltliteratur illustrierte.

Fakten: 24.01. | 11 Uhr | Caspar-David-Friedrich-Galerie | frei

Variante RD: Schultheaterprojekt des Humboldt-Gymnasiums

Zum sechsten Mal in Folge probte die neunte reformpädagogische Montessori-Klasse am Humboldt-Gymnasium unter professioneller Anleitung ein Stück im Unterricht, das später am Theater Vorpommern aufgeführt wird. In diesem Jahr beschäftigen sich die Schülerinnen zum ersten Mal mit dem Genre „Tanztheater“ und verbinden unter der künstlerischen Leitung von Katja Maul Tanz, Rhythmus und Schauspiel. Die utopistische Eigenproduktion greift dabei unter anderem auf die Musik von Johann Sebastian Bach, Henry Purcell, dem Gothan Project, Lenny Kravitz, Modeselektor und Apparat zurück.

Nach der Premiere am Sonnabend finden weitere Vorstellungen am kommenden Montag um 11 Uhr und 18 Uhr statt. Karten gibt es im Ticketshop des Theaters.

Fakten: 24.01. | 19.30 Uhr | Theater Vorpommern | ab 6,50 (erm.)

Ma’ma Ernst – Real Live TV

Theater gibt es an diesem Wochenende auch bei StuThe, wo das neue Format Real Live TV in die zweite Staffel geht. Vor der inszenierten Glotze mit selbstbestimmbaren Programm darf man Samstagabend in der Mehringstraße einen dramatischen Fernsehabend unter Freunden erleben.

Fakten: 24.01. | 20 Uhr | StuThe | 5/3 EUR (erm.)

Soliparty: Brinkesause mit ordentlich Antirepressiva

Mit einer Soliparty soll Geld für die Verfahren gesammelt werden, die wegen der sechswöchigen Besetzung der Brinkstraße 16/17, die am 20. November von einem Großaufgebot der Polizei geräumt wurde, auf einige Aktivistinnen zukommen. Unter dem Motto LEGO — Bau dir deine Welt, wie sie dir gefällt! bitten die Djanes Captain Planet, Princess, Die heiße Braut, MadGyver, LMZ, Arvid, Shorty und Mollenmutti zum Tanz. Wer hungert, kann vom Versorgungsangebot der anwesenden Vokü Foodconnection ausgiebig Gebrauch machen.

Brinke Soliparty Antirepressiva Klex

Fakten: 24.01. | 21 Uhr | Klex | 3 EUR

Der Freischütz

Wer mit dem Wochenende ganz bildungsbürgerlich abschließen möchte, geht am Sonntag in den Freischütz, mit Einführung! Die Oper von Carl Maria von Weber und Friedrich Kind wurde 1821 uraufgeführt und gilt heute als Inbegriff der deutschen romantischen Oper: „Die Wahl des Sujets und die atmosphärisch verdichteten Klänge der Partitur trafen den Nerv seiner Zeit und ließen das Werk schnell zur Nationaloper avancieren. In ihr fand das junge bürgerliche Deutschland Stimme und Ausdruck. Die Handlung spielt in den Wirren der Nachkriegszeit. Verlust und Entbehrung lassen die Sehnsucht nach Recht und Ordnung übergroß werden. Wie leicht werden in solchen Zeiten Traditionen und Rituale zu Werkzeugen der Ausgrenzung. Es ist nicht alles romantisch im deutschen Wald.“

Zu dieser Oper findet um 15.15 Uhr eine Einführung statt. Karten gibt es im Ticketshop des Theaters.

Fakten: 25.01. | 16 Uhr | Theater Vorpommern | ab 9,50 EUR

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Das Foto zu dem voranstehenden Ausschnitt entstand im September 2014 beim hervorragend besuchten „Kino auf Segeln“ im Museumshafen, unmittelbar vor der Vorführung des Films „Budapest Hotel“.

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