Zur geplanten Flüchtlingsunterkunft in der Brandteichstraße findet am Mittwoch eine Anwohnerversammlung statt. Derweil schürt die rechte FFDG im Internet Bedrohungsszenarien und träumt von Angstschweiß und Eskalation.
Am 3. Februar wurde offiziell bekanntgegeben, dass in der Brandteichstraße eine Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 500 Flüchtlinge entstehen soll. Das leerstehende Gebäude, in dem die Umbau- und Sanierungsarbeiten bereits begonnen haben, soll im Zeitraum April bis Mai bezogen werden.
(Foto: Fleischervorstadt-Blog)
Wie angekündigt, findet nun eine Versammlung statt, bei der die unmittelbaren Anwohner von Verwaltung und Landkreis über die Unterkunft informiert werden und Fragen stellen können. Hierfür wurden an über 500 Haushalte, die im Umkreis von 400 Metern zur geplanten Unterkunft liegen, Einladungen für das Treffen in der Sporthalle der Beruflichen Schule verschickt. Weiterhin wurden die Vorstände der anliegenden Kleingartenvereine, anliegende Unternehmen sowie der Vorsitzende des Ortsrates Innenstadt, Erich Cymek (CDU), zu der Versammlung eingeladen. Es werden dort Einlasskontrollen angekündigt, um sicherzustellen, dass alle eingeladenen Personen an der Veranstaltung teilnehmen können.
FFDG-Stellvertreter: „Dem Bürgermeister muss beim Verlassen dieser Sprechstunde der Angstschweiß auf der Stirn stehen“
Die Einlasskontrolle ist eine Maßnahme, die nicht von ungefähr kommt, denn einerseits bietet die Turnhalle nur etwa 300 Personen Platz, andererseits macht die rechte Gruppierung FFDG seit Bekanntwerden der Unterkunftspläne massiv Stimmung gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in der Brandteichstraße und meldete umgehend eine Demonstration unter dem Motto „Stadtrandsiedlung Greifswald, WIR für IHRE Interessen!“ an, nachdem der Termin zur Einwohnerversammlung stand. Diese Losung sieht auf den ersten Blick unverfänglich aus, tatsächlich aber heizt die Gruppe im Internet die Stimmung enorm an und verbreitet in Suggestivfragen gekleidete, nicht weiter belegte beziehungsweise belegbare Gerüchte.
So wird nach einer Schlägerei unter Flüchtlingen in der Notunterkunft Rostock-Waldeck über den von Petra Albrecht-Kühl, Ehefrau des FFDG-Chefredners Norbert Kühl, verwalteten Facebook-Account von FFDG suggeriert, dass in der Brandteichstraße überwiegend Flüchtlinge untergebracht werden würden, die bereits woanders „auffällig in Erscheinung“ getreten seien. Mit dieser als Frage getarnten Behauptung wird ein Bedrohungsszenario aufgebaut, gegen das man sich mit aller Kraft wehren müsse, um den eigenen Untergang abzuwenden. Noch einen Schritt weiter geht der sich als Albrecht-Kühls Stellvertreter präsentierende Olaf B., der wenige Tage zuvor unter Verwendung seines persönlichen Accounts darüber sinnierte, wieso sich die Anwohner nicht verabreden und die Unterkunft blockieren würden. Man solle einen großen Zaun um das Gebäude herum einfordern, die Unterbringung nur auf Frauen und Kinder beschränken und nach einem erleichterten Zugang zum kleinen Waffenschein fragen. Dem Bürgermeister muss laut B. nach dem Verlassen der Versammlung der Angstschweiß auf der Stirn stehen. Heidenau, ick hör dir trapsen!
Mahnwache gegen fremdenfeindliche Hetze
Das Bündnis „Greifswald für alle“ beschäftigt sich seit Herbst 2015, also von Beginn an, mit den Veranstaltungen der FFDG und organisierte seitdem zahlreiche Mahnwachen und Demonstrationen gegen die Rechten. Auch am Mittwoch wird eine solche Mahnwache stattfinden und zwar direkt an der Turnhalle in der Siemensallee. Im aktuellen Aufruf betont das Bündnis, dass man mit den Geflüchteten reden und ihre Probleme, Sorgen und Geschichte hören will; sie als Mitmenschen und nicht als Feinde betrachte: „Wir werden diejenigen, die jetzt aus der Ferne hier ankommen, mit offenen Armen und Neugier empfangen und nicht unsere Tür vor ihnen verschließen. Wir möchten dazu aufrufen, den politischen Extremisten ein klares und friedliches Signal zu geben, dass ihre Hetze in unserer Stadt nicht mehrheitsfähig ist. Greifswald ist eine weltoffene und tolerante Stadt und soll es auch bleiben. Herzlichkeit für Menschen in Not, Hilfe für Benachteiligte. Unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, Lebensweise. Das sind die Werte unserer Gesellschaft.“
Für diese Überzeugung soll auch am Mittwoch wieder mit Musik, Redebeiträgen, heißem Kaffee und menschlicher Wärme ein gemeinsames Zeichen gesetzt werden, zu dem alle herzlich eingeladen sind.
Fakten: 17.02. | 17.30 Uhr | Sporthalle der Beruflichen Schule (Siemensallee 5)
Ich versteh das nicht ganz. Jeder Eigentümer darf mit seinem Eigentum tun und lassen, was er will. Dafür muss er nicht die Umgebung informieren und um deren Absegnung bitten? Es wird ja auch sonst nicht der Aufstand geprobt, wenn ein Eigentümer seinen Profit maximiert indem er den Mietzins so gestaltet, dass nur eine ganz bestimmte Klientel sich das leisten kann und der Rest in die „Getthos“ verdrängt wird. Warum ist das bei Flüchtlingsunterkünften anders?
Na, weil die Bürgers besorgt sind…
Nö, man darf mit seinem Eigentum nicht verfahren, wie man will. Die Nachbarn haben auch Rechte, die Stadt darf definieren, wie und was man bauen oder nutzen darf. Gegen eine Einwohnerversammlung ist doch nichts einzuwenden.
Einzuwenden ist da nix, finde ich auch. Und es macht auch total Sinn, die Anwohnerinnen und Anwohner zu informieren und eine erste Anlauf/Abladestelle für Ängste und Befürchtungen zu bieten. Zudem können Engagierte im Rahmen einer solchen Versammlung ins Gespräch kommen.
Ich denke aber schon, dass es prinzipiell erstmal jedem überlassen bleibt, was man mit seinem Eigentum macht und wie, so lange es im Rahmen der Gesetze bleibt.
Nachbarn haben auch Rechte, ja, aber nicht das Recht, überall mitzureden.
Die bisherigen Kommentare beziehen sich auf die Eigentumsfrsage. Dazu sei bemerkt: Schon das Grundgesetz weist in Artikel 14 darauf hin, dass „Eigentum verpflichtet“. Ein Grundsatz, der in Deutschland leider nicht allen selbstverständlich ist – insbesondere den wirklich Reichen in der Gesamtbevölkerung, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer deutlicher die Erlaubnis bekamen, sich aus dem Grundsatz des Solidaritätsprinzips zu verabschieden. Insofern verstehe ich jeden Menschen am anderen Ende der Skala, der ernsthaft um seine eigene materielle Existenz bangt. Das ist aber keine Entschuldigung dafür, die eigene Entrüstung an denen auszulassen, die noch schwächer sind als man selbst, also zum Beispiel an Menschen, die vor unsäglichen Lebensumständen flüchten mussten; das Prinzip des Nach-unten-Tretens hat in der Vergangenheit selten die Richtigen getroffen. Diese Erkenntnis ist auch nicht neu. Und eben deshalb ist es sehr beunruhigend, dass am heutigen Abend viele AnwohnerInnen bei der bewussten Veranstaltung erschienen, denen es offenbar genug war, weiter in ihrer Blase zu bleiben. Die fundierten Aussagen aus Stadt und Kreis zur neuen Flüchtlingsunterkunft und zur Flüchtlingspolitik im Allgemeinen wurden von vielen der Anwesenden letztlich noch nicht einmal gehört. Ist es bequemer, bei den festgefahrenen Vorurteilen zu bleiben? Und warum eigentlich? Daran ist nichts Konstruktves zu erkennen. Für die gute Zukunft unserer Stadt werden sich alle bewegen müssen; auch diejenigen, die heute Abend – vielleicht noch zu gefangen sowohl in ihren eigenen, letztlich unbegründeten Ängsten als auch in der (an sich belanglosen) Bestätigung durch viele Menschen um sie herum – zur Zeit völlig auf der Stelle stehen (und von dort zumindest verbale Fußtritte austeilen). Abwehr sowie die Verbreitung haltloser Gerüchte, unlauterer Beschuldigungen und bizarrer Zukunftsszenarien helfen niemandem weiter. Die Flucht in Gewalt (Richtung „kleiner Waffenschein“ oder Bürgerwehr, wie in den angeblich sozialen Netzwerken in den letzten Tagen vermehrt als vermeintliche Lösung postuliert) wird da bestimmt ebenfalls nicht nützen. Wer die wahren „Werte des Abendlands“ und unserer Kultur tatsächlich vertreten (sehen) möchte, möge sich bitte endlich wirklich mit ihnen befassen. In ihrer vollen Tragweite.
Naja, die wirklich Reichen der Greifswalder Gesamtbevölkerung, die in der Fleischervorstadt, an der Hainstraße, am Ryck oder hinter dem Wiecker Deich wohnen, werden schon tunlichst darauf achten, dass vor ihrer Haustür kein Flüchtlingsheim gebaut wird.
Eine dezentrale Unterbringung in kleineren Einrichtungen wäre einem Heim mit 500 Menschen sicher vorzuziehen, ich kann aber verstehen, dass das organisatorische Schwierigkeiten bereiten würde. Komplexes Thema.
In der FVS wohnen die Reichen der Stadt? Ist mir relativ neu, vielleicht könnte das Blog hier sich entsprechend anpassen und einen güldenen Header installieren?
Und ja, es wird dort sicher kein Flüchtlingsheim gebaut, wo denn auch??
Der Header ist doch schon gülden ohne Ende… 😉