Ein Hochschullehrer wird in den Landtag gewählt und erhält anschließend von seiner Universität ein faktisches Hausverbot. Wer nun an den AfD-Mann Prof. Ralph Weber denkt, den die Alma Mater auf leisen Sohlen entsorgt, sitzt einem gewaltigen Irrtum auf.
Ralph Webers Angebot, während seines Landtagsmandats weiterhin Kurse anzubieten — selbstverständlich kostenlos — klang für viele seiner Kritiker wie eine Drohung. Der Jurist flirtete mehrmals öffentlich mit diesem Szenario, inzwischen wird sein Lehrstuhl von Prof. Dr. Steffen Schlinker vertreten. Aber um den Rechtswissenschaftler geht es eigentlich gar nicht, sondern um den Privatdozenten Dr. Wolfgang Weiss, der am Institut für Geographie und Geologie lehrt und dort dem Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeographie zugeordnet ist.
Weiss gehört der Linkspartei an und ist seit dem 4. Oktober 2016 wie Ralph Weber ebenfalls Mitglied des Landtags. Für seine Fraktion ist der Geograph als Sprecher für Landwirtschaft und ländliche Räume, Landesentwicklung und Infrastruktur, Religionen und Kirchen tätig. Am 16. November erhielt Weiss ein Schreiben des Kanzlers Dr. Wolfgang Flieger mit der „ultimativen“ Aufforderung, „unverzüglich jedwede Tätigkeit am oder für das Institut für Geographie und Geologie zu unterlassen“. Derart robuste Positionierungen seitens der Universitätsleitung sind dieser Tage selten.
Über die Facebook-Seite der Linksfraktion wurde in der vergangenen Woche eine Stellungnahme von Karsten Kolbe veröffentlicht. Der hochschulpolitische Sprecher brüskierte sich darin über den Umgang mit Weiss: „Während der umstrittene Prof. Weber, der für die AfD in den Landtag einzog, an der Universität Narrenfreiheit genießt und sogar öffentlich dafür gelobt wird, dass er seine Seminare ohne Vergütung weiter geben will, bekommt der Politiker der Linken, der für die Universität – natürlich ebenfalls kostenfrei – prüfungsrelevante Lehrveranstaltungen anbietet und unabhängig vom politischen Mandat langfristig in die Ausbildung an seinem Institut eingeplant ist, den Stuhl vor die Tür gesetzt.“
Wolfgang Weiss immatrikulierte sich 1976 als Lehramtsstudent an der Greifswalder Hochschule. Der Gründer und erste Vorsitzende des Studierendenclubs Kiste feierte in diesem Jahr also sein 40. Uni-Jubiläum. Doch statt gekühltem Sekt wird seinen Studierenden nun eine bittere Pille serviert, denn durch das ausdrückliche Betätigungsverbot wird Weiss seine beiden Vorlesungen „Raumordnung und Landesplanung“ und „Verkehrsgeographie“ ebenso wenig halten dürfen wie sein Hauptseminar zu „Entwicklungspolitik“. Zudem seien knapp 25 Abschlussprüfungen zum Staatsexamen neu zu organisieren. Ein gutes Timing, für das der Applaus der betroffenen Studierenden garantiert ist.
Inzwischen fordert auch die SPD-Landtagsfraktion Aufklärung über die Personalpolitik der Greifswalder Universität. Weiss‘ Hausverbot soll nicht parteipolitisch motiviert sein, vielmehr sei es mit arbeitsrechtlichen Problemen verknüpft. Gut möglich, dass sich in Schwerin demnächst die Wege des quasisuspendierten Geographen mit denen des nichtgeschassten Rechtswissenschaftlers Prof. Ralph Weber kreuzen werden. Der AfD-Professor lehrte in Greifswald Arbeitsrecht und kennt sich mit solchen Fällen sicher gut aus.
- „Weltoffene Universität“ vs. provinzielle Personalpolitik (Die Linke,Facebook, 16.11.2016)
- Aufklärung über Personalmaßnahmen an der Universität Greifswald notwendig (SPD-Landtagsfraktion, 18.11.2016)
Das ist Herr Flieger, der Herrn Weiss dieses freundliche Schreiben zukommen ließ:
https://www.youtube.com/watch?v=6NbJVdEGUoU