Polizei zählt Zugewanderte auf Mahnwachen gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Ein Gastbeitrag der Gruppe Greifswald hilft Geflüchteten

Am 14. Januar kamen in Mecklenburg-Vorpommern mehr als 800 Menschen in 16 Orten zusammen, um gemeinsam ein Zeichen gegen die unmenschlichen Abschiebevorhaben des Bundesinnenministeriums nach Afghanistan zu setzen. Die Polizei unterscheidet anschließend kommentarlos zwischen „Teilnehmern“ und „Zuwanderern“. „Greifswald hilft Geflüchteten“ kritisiert diese Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Neubrandenburg

Erst vor wenigen Tagen hat die Polizei in Nordrhein-Westfalen zugeben müssen, dass von den in der Silvesternacht kontrollierten und zuvor als „Nafris“ bezeichneten Personen kaum Menschen tatsächlich aus Nordafrika kamen. Damit offenbarte sie, was antirassistische Initiativen seit Bekanntwerden der Maßnahme kritisierten: Eine Unterteilung von Bevölkerungsgruppen nach dem Aussehen ist wahllos und per Definition rassistisch. Eine klare Benennung der Maßnahmen als Racial Profiling ist nur konsequent.

Afghanistan Mahnwache in Greifswald

(Foto: Netzwerk Afghanistan – nicht sicher – امن نیست MV)

„Polizei zählt Zugewanderte auf Mahnwachen gegen Abschiebungen nach Afghanistan“ weiterlesen

Entwicklungspolitische Tage in Greifswald 2016: „Krieg und Frieden“

Im November finden in Greifswald die 16. Entwicklungspolitischen Tage statt, die sich bis zum Ende des Monats in 24 Veranstaltungen dem diesjährigen Thema „Krieg und Frieden“ annähern.

Emotionale Zugänge, Einblicke in Kriege und die Suche nach Frieden. Das diesjährige Thema der Entwicklungspolitischen Tage, kurz EP-Tage, hat es noch mehr in sich, als man es von den vielen Schlechte-Laune-Themen gewohnt ist, die unbequeme entwicklungspolitische Fragestellungen nun mal mit sich bringen. Doch angesichts der desolaten Nachrichtenlage im Mittleren Osten, den nach wie vor rekordverdächtigen deutschen Rüstungsexporten — gerade im Kleinwaffensegment– und dem, was im vergangenen Jahr Flüchtlingskrise genannt wurde, bedeutet das Jahresthema der inzwischen 16. (!) EP-Tage einen notwendigen Blick auf den sich daraus ergebenden Problemkanon.

entwicklungspolitische tage greifswald

Das Greifswalder Programm der landesweit stattfindenden EP-Tage haben sich knapp zwanzig Initiativen und Vereine der Stadt ausgedacht. „Einer unser Ansprüche an die Veranstaltungsreihe ist, dass wir komplizierte Themen zugänglich machen, durch Formate, die gerne auch ironisch sein dürfen und Spaß machen. Das war dieses Jahr gar nicht so leicht und hat nicht immer geklappt“, erklärt Hanna Sewing vom Kultur- und Initiativenhausverein. Verstecken muss sich das Programm deswegen allerdings nicht, ganz im Gegenteil. Insgesamt wurden 24 Veranstaltungen organisiert, darunter Lesungen, Vorträge, Workshops, Theateraufführungen und Konzerte. „Entwicklungspolitische Tage in Greifswald 2016: „Krieg und Frieden““ weiterlesen

Über eine afghanische Flüchtlingsfamilie und ihr Kirchenasyl in Greifswald

Anfang der vergangenen Woche sendete Deutschlandradio ein Feature über die afghanische Familie S., die im vergangenen Winter von der Domgemeinde aufgenommen wurde und vor kurzem ihr „stilles Kirchenasyl“ beendet hat.

FÜR DIE FLUCHT DAS HAUS VERKAUFT UND ALLES HINTER SICH GELASSEN

Die sechsköpfige Familie verließ vor über drei Jahren ihre afghanische Heimat. Sie verkaufte ihr Haus, um die Schlepper zu bezahlen, die sie für 14.ooo Euro von Afghanistan über den Iran in die Türkei und weiter bis nach Griechenland brachten. Von dort flog die Familie nach Norwegen und stellte einen Antrag auf Asyl.

Da der norwegische Staat im Gegensatz zu Deutschland nach Afghanistan abschiebt, waren die Aussichten der Familie auf einen geregelten Aufenthalt schlecht, obwohl die Mutter damals mit ihrem vierten Kind schwanger war. Deswegen verließ die Familie das Land und reiste mit dem Bus nach Deutschland, in der Hoffnung, dort Asyl zu finden.

juergensdorf(Foto: Fleischervorstadt-Blog)

Die Familie S. kam ins Asylbewerberheim im mecklenburgischen Jürgenstorf, bis im Januar die Polizei nachts kam, und sie abholen wollte. Sie sollten nach Norwegen ausgeflogen werden, denn nachdem die Familie dort ihren ersten Asylantrag gestellt hatte, waren die skandinavischen Behörden für ihren Fall zuständig. Das jüngste der vier Kinder war zu diesem Zeitpunkt erst vier Monate alt.

„OFT FINDEN SICH WEGE. MANCHMAL UNGEAHNTE, DIE MAN GAR NICHT GEKANNT HAT“ (PFARRER GÜRTLER)

pfarrer gürtler greifswald domDaraufhin stellte das Diakonische Werk Kontakt zum Dompfarrer Matthias Gürtler her und fragte, ob man bereit wäre, der Familie Kirchenasyl zu gewähren. Der rief binnen Stunden den Gemeindekirchenrat zusammen und einstimmig wurde dafür gestimmt, die Flüchtlinge vor einem erneuten Abschiebungsversuch zu schützen.

Die Behörden wurden von Anfang an über das Kirchenasyl informiert. Für Betroffene dieses Zustands besteht während dieser Zeit kein Anrecht auf staatliche Leistungen. Pfarrer Gürtler erklärt während des Features, dass die Gemeinde für die Flüchtlinge aufkommen muss: „Wir wussten ja auch, wir müssen die Familie auch über Wasser halten. Wir müssen die ernähren, wir müssen die finanzieren. Da kommt einiges auf uns zu.“

In Greifswald gründete sich ein Unterstützerkreis, der sich um Familie S.i kümmerte, finanzielle Dinge regelte und auch ärztliche Unterstützung für die traumatisierte Mutter organisierte — Hilfe, die man normalerweise von staatlichen Institutionen erwarten würde.

(Foto: dom-greifswald.de)

OFFENES VS. STILLES ASYL UND WIE GEHT ES WEITER?

Im Gegensatz zum „offenen Kirchenasyl“, bei dem versucht wird, das Schicksal der Betroffenen öffentlich zu machen und sie durch die mediale Begleitung vor staatlichen Zugriffen zu schützen, wird Öffentlichkeit beim „stillen Kirchenasyl“ vermieden, um Verhandlungen mit den staatlichen Institutionen zu erleichtern und so für mehr Schutz der betroffenen Menschen zu sorgen. Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche weiß derzeit von deutschlandweit 19 Kirchenasylen mit mindestens 44 betroffenen Personen, darunter etwa 20 Kinder (Stand September 2012).

Familie S. lebt nach wie vor in den Räumen der Gemeinde. Ende Juni hat Deutschland ihr Asylverfahren übernommen und ist nun für den Antrag zuständig. Wie lange es dauert, bis dieser beschieden ist, bleibt unklar.

pro asyl plakat(Pro Asyl)

Das empfehlenswerte Feature zeigt einen hoffnungsschimmernden Lichtblick der Menschlichkeit und Solidarität in der ansonsten düsteren Asyl- und Abschiebepolitik Deutschlands.

  • Die Not einer Familie (dradio, 22.09.2012)