Hansestadt Greifswald weiter auf Wachstumskurs

Die Statistikstelle der Hansestadt Greifswald hat vor wenigen Tagen die aktuellen Bevölkerungsdaten für das zurückliegende Jahr 2011 veröffentlicht.

Sie belegen das ungebrochene Wachstum der Stadt um 379 Personen auf nunmehr exakt 60.822 Einwohner, die zum 31. Dezember 2011 hier gemeldet waren. Davon unterhalten 6240 Personen ihren Nebenwohnsitz in Greifswald.

Dieser Anstieg ist allerdings nicht darauf zurückzuführen, dass in Greifswald jährlich mehr Menschen geboren werden als sterben — im Gegenteil. Abgesehen von den Jahren 2001 und 2007 ist für Greifswald seit Jahren ein sogenannter Gestorbenüberschuss feststellbar, die Hansestadt liegt damit im landesweiten Trend.

GREIFSWALDER KOMMUNALPOLITIK WIRD DEM ALTER IHRER BEVÖLKERUNG NICHT GERECHT

Dass trotz dieses negativen Wachstums die Zahl der Einwohnerinnen steigen konnte, liegt an den Wanderungsgewinnen. So zogen 2011 insgesamt 379 Personen mehr nach Greifswald, als die Stadt verließen. Gleichzeitig wuchs die Zahl der Studierenden um 196 Immatrikulierte auf insgesamt 12.452 Studierende. In den vergangenen 17 Jahren ist damit ihr Anteil an der gemeldeten Greifswalder Bevölkerung von 7,7% (1995) auf 20,47% (2011) gestiegen und hat sich somit beinahe verdreifacht.

bevoelkerungsentwicklung greifswald

Der dauerhaften Frischzellenkur durch die Universität und dem sich daraus ergebenden demographischen Standortvorteil Greifswalds steht bis heute leider keine Kommunalpolitik gegenüber, die diesen Jungbrunnen für sich zu erschließen weiß. Maßnahmen und Entscheidungen der Stadtverwaltung werden dem jungen Durchschnittsalter der Stadt nicht gerecht. Diese Malaise betrifft  fast alle Verwaltungsbereiche vom Wohnen über Kultur bis zum Verkehr.

ANKLAM: TREND ZUR SELBSTAUFLÖSUNG VORLÄUFIG GESTOPPT

Ein Blick ins vorpommersche Umland verdeutlicht einmal mehr die Schrumpfung auf Raten, von der die meisten Städte und Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns betroffen sind. Während die Bevölkerung in Greifswald seit 2005 wieder wächst, verlieren benachbarte Städte wie Stralsund, Wolgast oder Demmin seit der Wende kontinuierlich Einwohner.

bevölkerungsentwicklung ostvorpommern

Überraschenderweise verzeichnete die Peenestadt Anklam, die zwischen 1990 und 2009 mehr als ein Drittel ihrer Einwohnerinnen einbüßte, im Jahr 2010 erstmals wieder ein  Bevölkerungswachstum und setzte damit dem Trend zur Selbstauflösung ein vorläufiges Ende. Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, weil das relative Wachstum Anklams zwischen 2009 und 2010 etwa dreimal so hoch war wie in Greifswald — ganz ohne Universität.

*Update* 25.01.

Das angenommene Bevölkerungswachstum relativiert sich durch die Tatsache, dass inzwischen der Ort Pelsin eingemeindet wurde und seine Einwohner nun Anklam zugerechnet werden. Im Kommentarbereich ist eine Schätzung zu finden, nach der Anklam im vergangen Jahr ungefähr 90 Einwohner verloren hätte.

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Die aktuellen Bevölkerungszahlen des Statistischen Landesamtes werden leider erst später veröffentlicht, so dass bisher nur bis 2010 vorliegen. Dort werden auch nur die Einwohner erfasst, die mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet sind. Am Beispiel Greifswald wird allerdings deutlich, wie beträchlich der Anteil nebenwohnsitzlich gemeldeter Bürgerinnen sein kann.

Babyboom, Studentenschwemme & Entwicklungsprognosen — ein demografischer Blick auf Greifswald

Die Statistikstelle der Stadt hat neue Zahlen veröffentlicht und weil auch demografische Nachrichten gute Nachrichten seien können, soll ein Blick auf die Bevölkerungsentwicklung Greifswalds, die Bedeutung der Universität und zwei statistische Kuriositäten der sogenannten Vierteljahreszahlen geworfen werden.

Greifswald wächst im Schneckentempo

Das Bevölkerungswachstum der Hansestadt ist seit sechs Jahren ungebrochen und die Stadt bejubelt diese Entwicklung in einer optimistischen Pressemitteilung, die Hoffnung und Zuversicht versprüht. Im Jahr 2004 schrumpelte Greifswald im Abwärtstrend des zurückliegenden Jahrdutzends auf den Negativrekord von nur noch knapp über 52.000 Einwohnern zu.

Bevölkerungsentwicklung Greifswald

Nüchtern betrachtet sind heute exakt 1971 Menschen mehr als damals mit ihrem Hauptwohnsitz in Greifswald gemeldet — der durchschnittliche jährliche Zuwachs liegt also bei ungefähr 330 Einwohnerinnen pro Jahr. Diese Zahl entspricht auch in etwa der jährlichen Schrumpfung ostvorpommerscher Kleinstädte wie Anklam, Wolgast oder Demmin, die seit zwanzig Jahren demografisch in sich zusammensacken.

Nachbarstädte auf Schrumpelkurs

In den sechs Jahren zwischen 1992 und 1998 sank die Zahl der hauptwohnsitzlich gemeldeten Greifswalder um mehr als 7000. Das Wachstum ist also ein zartes Pflänzchen, denn hierorts schrumpfen die Städte schneller als sie wieder wachsen. In der Nachbarstadt Stralsund, die 1990 noch über 70.000 Einwohnerinnen zählte, hat sich eine demografische Wende, wie sie für das Greifswald der vergangenen sechs Jahre beobachtbar ist, nicht eingestellt. Hier ist das Bevölkerungswachstum seit nunmehr zwei Jahrzehnten negativer Natur.

bevölkerungsentwicklung Städte Ostvorpommern

Grundsätzlich muss noch darauf hingewiesen werden, dass leichte Abweichungen zwischen den Daten des statistischen Landesamtes und denen der Greifswalder Statistikstelle vorliegen. Letztere bezieht außerdem die gemeldeten Nebenwohnsitzler in die Berechnung der Gesamteinwohnerschaft mit ein.

Wächst die Stadt nach außen oder innen?

In der Pressemitteilung der Stadt wird Greifswald ganz euphorisch ein „Geburtenboom“ attestiert. Im vergangenen Jahr wurden 543 Kinder geboren, ein Höchstwert seit immerhin fast 20 Jahren. Allerdings ist die Zahl der Geburten auch mit den Gestorbenen eng verbunden. Dieses Verhältnis ergibt für 2010 ein negatives Bevölkerungswachstum von 52 Personen; im Statistikdeutsch spricht man hierbei vom Gestorbenenüberschuss. „Babyboom, Studentenschwemme & Entwicklungsprognosen — ein demografischer Blick auf Greifswald“ weiterlesen

Feine Sahne Fischfilet und der Schritt in die Provinz

Zweiundzwanzig Monate sind seit der ersten großen Release-Party der Band Feine Sahne Fischfilet vergangen. Damals, im Januar 2009, wurden die jungen gebürtigen Ostvorpommern Teil eines traurigen Stücks Regionalgeschichte, denn gegen ihre geplanten Veröffentlichungsfeierlichkeiten regte sich der Widerstand regionaler Neonazi-Strukturen, die schließlich ihrerseits unter dem wenig später von Innenminister Caffier verbotenen Label Mecklenburgische Aktionsfront (MAF) Proteste ankündigten.

Loitzer Bürgermeister knickte vor Neonazis ein

Es kursierten Gerüchte, denen zufolge Neonazis das Konzert in Loitz attackieren wollten. Johannes Winter (CDU), Bürgermeister der tristen Peene-Kleinstadt, knickte damals vor den Drohungen ein und reagierte auf die rechten, in den Nachtstunden verbreiteten Aufrufe gegen das Konzert mit einem Verbot der Veranstaltung.

Feine Sahne Fischfilet wählten damals die Stadt Loitz als Schauplatz ihres Release-Konzertes, weil alle beteiligten Musiker aus der Peene-Region stammen und daher mit dem Alltag zwischen kleinstädtischer Langeweile, Perspektivlosigkeit und zunehmender Salonfähigkeit oder sogar Dominanz rechter Ideologie vertraut sind. Gerade jugendkulturell sieht es in diesen Städten trostlos aus.

Feine Sahne Fischfilet Release Loitz

Aus einem Release-Konzert sollte damals ein Aktionstag werden, Filme und Vorträge zum Thema Rechtsextremismus waren geplant, doch wegen des Verbots wurde das Konzert kurzfristig ins nahegelegene Greifswald verlegt. Eigentlich hat die Reaktion des Loitzer Bürermeisters Johannes Winter das Arbeitsfeld und vor allem den Handlungsbedarf bestätigt, den die Band mit ihrem Programm aufzeigen wollte.

Demmin statt Loitz oder „Raider heißt jetzt Twix“

Nun wird am Wochenende ein neues Album veröffentlicht und auch dieses soll mit einem entsprechendem Release gebührlich gefeiert werden, und zwar nicht in Rostock oder Greifswald, wo die Musiker inzwischen um ihre größten Fangemeinschaften wissen, sondern dort, wo sie herkommen: in der Peene-Region. Nachdem Loitz 2009 offensichtlich nicht wollte, zieht es die Band am Wochenende also nach Demmin und auch dort soll ein antifaschistischer Aktionstag stattfinden.

release flyer demminBereits um 15 Uhr findet ein Vortrag über Nazis in MV statt und nimmt damit ein Thema in Angriff, das durch die Entwicklung rechter Strukturen und nicht zuletzt durch die bevorstehende Landtagswahl im kommenden Jahr aktueller denn je ist. Dem schließt sich der hervorragende wie beängstigende Dokumentarfilm Da ist man lieber still. Am rechten Rand der Republik (D, 2007) an, in dem es bestandsaufnehmend durch die Provinz Ostvorpommerns geht. Diesem inhaltlichen Programm folgt das kulturelle mit der Hardcore-Punk-Band Wasted Youth aus Schwäbisch Gmünd und dem Berliner HipHop-Quartett Schlagzeiln. Danach werden Feine Sahne Fischfilet ihr neues Album vorstellen, bis schließlich Supershirthälfte Faxe System die Aftershow besorgen wird.

Speicher Demmin Feine Sahne Fischfilet

(Foto: Lars Templin)

Appelle ins Demminer Peeneland — Alarmsignale für die Städte

Das Release wird sicher nicht nur eine großartige Gelegenheit für Feine-Sahne-Fanatikerinnen sein, das neue Album zu hören und auch zu erwerben. Vor allem ist die Veranstaltung auch ein Appell an die Jugendlichen des Demminer Umlands, sich (auch) in Zukunft einem rechten Mainstream entgegenzustellen, zum Beispiel am 8. Mai, wenn die Nazis wie jedes Jahr durch die Hansestadt an der Peene marschieren. „Feine Sahne Fischfilet und der Schritt in die Provinz“ weiterlesen