Greifswalder Literaturfrühling: Wie eine BBC-Sendung die DDR herausforderte

Die BBC ließ über 25 Jahre lang anonyme Zuschriften von DDR-Bürgern verlesen. Einige Autoren wurden dafür gnadenlos von der Stasi verfolgt — darunter auch ein Junge aus Greifswald.

Im Rahmen des 4. Greifswalder Literaturfrühlings findet heute Abend im Koeppenhaus eine Lesung mit der Autorin Susanne Schädlich statt. Die 1965 in Jena geborene Schriftstellerin verließ als Kind 1977 mit ihrer Familie die DDR, da ihr Vater, Hans Joachim Schädlich, ebenfalls Schriftsteller, dort nicht mehr ungehindert arbeiten konnte. Die neue Heimat war fremder als gedacht, und der lange Arm der Stasi sollte die Familie bis in den Westen verfolgen.

Susanne Schädlich DDR BBC

Vor etwa zwei Wochen erschien Schädlichs Buch „Briefe ohne Unterschrift. Wie eine BBC-Sendung die DDR herausforderte“. Darin erzählt Schädlich die Geschichte der gleichnamigen BBC-Rundfunksendung, die ab 1949 über 25 Jahre lang jeden Freitag ausgestrahlt wurde. In dem Format wurden anonym zugesandte Briefe von DDR-Bürgern verlesen, die mit ihren zu Papier gebrachten Schilderungen, Fragen und Gedanken ein hohes persönliches Risiko eingingen. Schädlich stieß auf diese Zeitdokumente und erzählt nun von dieser Facette des zivilen Ungehorsams gegen die DDR-Führung. Sie möchte mit ihrem Buch den mutigen Absendern ein Denkmal setzen, die der gnadenlosen Nachverfolgung durch die Stasi zum Opfer fielen. Unter ihnen ist Karl-Heinz Borchardt, ein Junge aus Greifswald, der nach wie vor in der Hansestadt lebt und heute Abend ebenfalls auf dem Podium sitzen wird.

Die Lesung findet in Kooperation mit der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR (BStU) Außenstelle Rostock statt. Das anschließende Gespräch zwischen Schädlich und Borchardt wird von deren Leiter, Volker Höffer, moderiert.

Fakten: 07.04. | 20 Uhr | Koeppenhaus | 6/4 EUR

(Foto: Susanne Schleyer)

Kein Aus für die Pommersche Literaturgesellschaft im Falladahaus

Ein Gastbeitrag von Lou

Finanzielle Förderung durch die Stadt Greifswald, neue Vereinsmitglieder und zahlreiche Veranstaltungsideen beleben den Pomlit-Verein im Falladahaus.

Im letzten Jahr sah die Zukunft für die Pommersche Literaturgesellschaft e.V. noch schlecht aus: Es fehlte an studentischem Nachwuchs, durch das Ableben des ehemaligen Hausbesitzers Klaus Michel entfiel die mietzinsfreie Nutzung des Falladahauses. Hohe Kosten und Obdachlosigkeit bedrohten den Verein. Dann die überraschende Wende — am 19. November 2014 erhielt der Pomlit-Verein den halben Kulturförderpreis des Bundeslands Mecklenburg-Vorpommern in Höhe von 2500 Euro. Das Preisgeld hätte jedoch für die Miete kaum gereicht, wie Vereinsmitglied Dr. phil. Roland Ulrich berichtet: „Irgendwie war das eine absurde Situation. Wir nehmen heute den Preis für die Leistungen des Pomlit-Vereins entgegen und müssen morgen ausziehen. Glücklicherweise hatte der neue Vermieter viel Verständnis für unser pekuniäres Problem und erlaubte uns, noch bis Ende 2014 mietkostenfrei im Falladahaus zu bleiben!“

falladahaus greifswald

Dann eine weitere Überraschung: „Kein Aus für die Pommersche Literaturgesellschaft im Falladahaus“ weiterlesen

Pommersche Literaturgesellschaft lädt zum Falladafest ein

Der Verein Pommersche Literaturgesellschaft, im lokalen Sprachgebrauch unter dem Kürzel pom-lit mehr oder minder geläufig, veranstaltet am kommenden Wochenende das Fallada-Fest.

VORNEHME ZURÜCKHALTUNG AUS DER STEINSTRASSE

In den vergangenen Monaten übte sich die Nachfolgeorganisation des Falladavereins in vornehmer Zurückhaltung und im Vereinssitz in der Steinstraße 59 – dem Geburtshaus des Schriftstellers – fanden in der letzten Zeit relativ wenige Veranstaltungen statt, zumeist handelte es sich dann um kleinere Ausstellungen Greifswalder Künstlerinnen. Auch das immerhin zehnjährige Jubiläum vor etwa drei Monaten ging irgendwie unter.

Die Pommersche Literaturgesellschaft wurde im April 2000 von Studierenden und Dozenten gegründet, unter ihnen zum Beispiel die beiden Germanisten Dr. Karl-Heinz Borchardt und Dr. Michael Gratz. Letzterer betreibt seit 2001 die online erscheinende Lyrikzeitung und “versammelte schließlich alles, was man über die Rezeption aktueller Lyrik wissen muss” (Freitag). Wieviel Arbeit tatsächlich in der Pflege und Autorenschaft dieser  Seite steckt, läßt ein kurzer Blick auf die elf Veröffentlichungszeitpunkte der vergangenen beiden Tagen erahnen. Gratz malocht mit Lyrik – pausenlos und nachtaktiv.

pommersche literaturgesellschaft

Als würde das nicht reichen, betreut er jetzt auch einen eigenen Blog für pom-lit. Hier geht es allerdings nicht nur um die Pommersche Literaturgesellschaft, sondern auch um Greifswalder Kultur und Hochschulpolitik. Und natürlich um den Schriftsteller Hans Fallada. Der Verein ist jedenfalls wieder da und lädt am Wochenende zu einer zwar kleinen, aber liebevoll erdachten Feierlichkeit.

KINDERTHEATER UND KÜHLSCHRANKPOESIE

Das Programm des diesjährigen Falladafestes wird vom biographischen Dokumentarfilm Ein Fall ad a. Sven Stäglichs eingeleitet.

falladafest-flyerIn seinem Diplomfilm hat der Filmemacher Sven Stäglich jenseits herkömmlichen dokumentarischen Erzählens eine subjektive Annäherung an Fallada versucht. Anhand biographischer Schauplätze wie Greifswald, Usedom, Rügen und Carwitz erzählt Stäglich, durch vier Zeitgeistjungen vermittelt, biographische Episoden in zum Teil surrealer Färbung. Die Darstellung des Lebens Falladas gerät damit selbst zum Kunstwerk.

Richtigen Festcharakter hat allerdings erst die Veranstaltung am Sonnabend inne. Ab 16 Uhr inszeniert dann nämlich das Greifswalder Studententheater (Stuthe) kindgerecht Falladas Geschichten aus der Murkelei. Drei Stunden später wird sich daran eine Lesung der Kinderheitserinnerungen Damals bei uns daheim mit Hedwig Golpon und Dr. Roland Ulrich anschließen.  Schließlich wird ein  Lyrikprojekt auftreten, das mit „abstrakt bis pointierten Gedichten, zahlreichen Liedern und schrägen Flash-Fictions“ um Aufmerksamkeit wirbt.

kuhlschrankpoesieAm großen Büchertisch werden indes Schnäppchen feilgeboten, während die Besucher angehalten sind, sich kühlschrankpoetisch in die Veranstaltung einzubringen und mit ihren Werken eine Jury zu überzeugen. Nebenstehend die Arbeit der letztjährigen Preisträgerin. Eine Übersicht aller Wettbewerbseingaben von 2009 bietet dieses pdf-Dokument.

Das Wetter soll großartig bleiben und da für das leibliche Wohl gesorgt wird, muss wohl auch niemand aus dem Blechnapf fressen.

Fakten:

09.07. | 20 Uhr | Falladahaus (Steinstr. 59)
10.07. | ab 16 Uhr | Falladahaus (Steinstr. 59)
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