Absahnen #16: Unerkannt durch Freundesland

Eine Woche bevor im Koeppenhaus die Transitreisenden Robert Conrad und Jürgen van Raemdonck sowie die Herausgeberinnen Cornelia Klauß und Frank Böttcher den Sammelband Unerkannt durch Freundesland vorstellen werden, verlost das Literaturzentrum drei Eintrittskartenpaare.

Bereitgestellt werden die Karten vom NDR, dessen Kulturjournal den Abend in der eigenen Reihe „Der Norden liest“: Fernweh-Geschichten präsentiert. An diesem Abend findet jedoch nicht nur die Lesung statt, es wird außerdem ein Filminterview über die Reise im selbstgebauten Katamaran entlang dem sibirischen Fluß Aldan gezeigt. 

Unerkannt durch Freundesland versammelt Interviews und Essays über reisefreudige DDR-Bürgerinnen, die es gen Osten in den befreundeten Bruderstaat zog.

freundesland sowjetunion(Fotoausschnitt: Robert Conrad)

„Nicht einmal die Sowjetunion (…) durfte man ohne offizielle Erlaubnis und den Geleitschutz einer Reisegruppe besuchen. Doch gerade das Verbotene lockte. So unternahmen einige Unerschrockene mit Hilfe eines Transitvisums, das nur für drei Tage galt, wochenlange riskante Expeditionen in das Riesenreich. Wer sich derart illegal und unerkannt durch Freundesland bewegte, konnte alle Absurditäten des sowjetischen Alltags und der Bürokratie kennenlernen, die kein normaler Tourist mitbekam.“

Um an der Verlosung teilzunehmen, muss lediglich eine E-Mail an die Koeppenzentrale gesendet werden. Dort sind auch weitere Vernetzungsmöglichkeiten auffindbar. Einsendeschluss ist Dienstag (25.10.) um 12 Uhr, zwei Stunden später sollen die Gewinner benachrichtigt werden.

Fakten: 26.10. | 20 Uhr | Koeppenhaus | 7/4 EUR

Ex-Kanzlerkandidat und Anarchopromi Karl Nagel im KLEX

Achtung, Achtung, Karl Nagel kommt nach Greifswald. Einst Vorzeigepunk, Chaos-Tagelöhner, APPD-Funktionär und Kanzlerkandidat, vagabundiert Nagel heute durch die dunklen Abgründe des Prekariats. Seine Selbstinszenierung kennt kein Pardon.

karl nagelSein bei Youtube veröffentlichtes Bunkerfernsehen ist zwar ein Allheilmittel gegen Schlafstörungen, aber mit seiner Show Idiotenklavier könnte das anders aussehen. Denn Nagel schwatzt dort über Punk und bringt hoffentlich ein gut gefülltes Halfter Räuberpistolen mit auf die Bühne. Zwischen den Plaudereien greift der mittlerweile 50-Jährige selbst zum Mikrofon und interpretiert alte Klassiker. Das beginnt bei Black Flag und den Dead Kennedys, geht weiter mit Ideal und Fehlfarben bis zu Slime und Udo Jürgens‘ Griechischem Wein.

Noch spannender als die Performance dürfte allerdings der Inhalt seiner Festplatte sein, denn Nagel baut mit punkfoto.de ein großes Subkultur-Archiv zum Mitmachen auf. Hier sind bereits tausende Bilder aus über 35 Jahren Punk in Deutschland versammelt und es darf damit gerechnet werden, dass der Provokateur seine Schilderungen bildreich illustrieren wird.

(Foto: Karl Nagel)

Fakten: 19.09. | 20 Uhr | KLEX

Kurze Wege, lange Nächte – das Greifswalder Wochenende im Überblick #6

Nach dem kommenden Wochenende liegt einiges hinter uns: Die Koeppentage sind fast geschafft, die letzten Klänge der 65. Bachwoche verklungen und auch die Insomnale wird ihr verdientes Ende finden. Doch das ist kein Grund, traurig zu sein, denn die Fusion steht vor der Tür und passend dazu wird im IKUWO der Vor-Lärz zelebriert.

TREIBHAUSLESUNG MIT CHRISTIAN BRÜCKNER

Vor einer Woche begannen die Koeppentage, in deren Rahmen Grimme-Preisträger Christian Brückner nach Greifswald kommen wird, um aus Koeppens Im Treibhaus zu lesen. Christian „die Stimme“ Brückner ist der bekannteste deutsche Synchronsprecher und lieh seine Stimme unter anderem Peter Fonda, Harvey Keitel und Burt Reynolds. Seit dem zweiten Teil des Patens (1974) ist er mit der Synchronisation Robert de Niros betraut. Darüberhinaus sprach Brückner die Off-Texte in den unsäglichen Dokumentarfilmen Guido Knopps und ist auch im Hörbuchsegment so umtriebig wie erfolgreich.

Das Treibhaus gilt als einer der ersten großen politischen Nachkriegsromane in der jungen Bundesrepublik und ist im Bonn der Adenauer-Zeit angesiedelt: „Die Diskussion um die Wiederbewaffnung in Westdeutschland und den Beitritt zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft bestimmt die Parlamentsdebatten. Der oppositionelle Bundestagsabgeordnete Felix Keetenheuve erlebt wie sein Glaube an die Demokratie und an einen Neuanfang nach dem zweiten Weltkrieg durch politische Spielregeln wie Wahlkampf, Diplomatie, Opportunismus und restaurative Politik zerbricht.“ (Koeppentage)

Fakten: 24.06. | 20 Uhr | Koeppen | 8/5 EUR (erm.)

MEDITATIVE NACHTKONZERTE IM DOM

Die 65. Greifswalder Bachwoche, die am Montag begann und bis zum 26. Juni mit einem Konzertreigen aufwartet, hält für  Nachtschwärmende ein besonderes Angebot bereit: Bis einschließlich Sonnabend wird Gregor Szramek täglich um 24 Uhr im Dom jeweils eine der Bachsuiten für Violoncello spielen.

greifswald dom st nikolai

(Foto: Kevin Neitzel)

Die Meditative Musik zum Tagesausklang kostet keinen Eintritt. Das Programm der Bachwoche ist hier einsehbar. Bleibt nur zu hoffen, dass sich nicht wieder jemand gestört fühlt und die Polizei auf den Plan ruft.

Fakten: 24./25.06. | 24 Uhr | Dom St.Nikolai | freier Eintritt

SONGWRITER UNTER ZEITDRUCK: THE INFORMATION AGE

the information age berlin

Im Café Koeppen wird am Sonnabend mit The Information Age wieder ein Singer/Songwriter auftreten. „Mein Name ist Nick. Ich singe und spiele Gitarre. Meistens gleichzeitig. Wenn ich mal durchdrehe setze ich mich ans Piano, schüttele den Schellenkranz oder trommle auf meinen Mülleimer. Aber meistens spiele ich Gitarre. Und singe.“

In den letzten Wochen häuften sich die Singer/Songwriter-Konzerte im Koeppen. Grund dafür ist CKKT (Café-Koeppen-Konzert-Team).

Fakten: 25.06. | 21 Uhr | Café Koeppen | 8/5 EUR (erm.)

TIEFBASSGRÜSSE AUS SAN FRANCISCO: VOR-LÄRZ MIT DUB GABRIEL

Nur noch eine knappe Woche bis zum Beginn der Fusion und allerhöchste Zeit, sich auf das größte Festival dieses Bundeslandes einzustimmen und ein vorfreudiges Warm-Up zu feiern. Der Vor-Lärz wird unter der Leitung Dub Gabriels (San Francisco/USA) zelebriert, der nicht nur schon lange im Business unterwegs ist, sondern dabei auch noch eine ganze Reihe interessanter Featurings vorweisen kann:

dub gabriel

Dub Gabriel nimmt von San Francisco den Zwischenstop IKUWO & droppt leger ein paar Soundbomben, gefüllt mit karibischem Klangerbe und urbanem Club-Dub.

In den 90s arbeitete er als Bassist mit Größen wie Bill Laswell oder Public Enemy, später als Produzent von elektronischer BASS-Musik mit Sängern wie Toaster-Legende U-Roy oder Michael Stipe von R.E.M., zuletzt beim aktuellen World Music/Postpunk/Dubstep-Projekt Jajouka Soundsystem mit Bachir Attar von den legendären Master Musicians of Jajouka aus Marokko. Als DJ und Live Performer ist er Globetrotter der oberen Liga.“ (IKUWO)

Der Live Dub Soundsystem Performance schließt sich selekta PEhLE vom Soundsystem Al-Haca an. Einst sorgte das inzwischen reaktivierte Kollektiv dafür, dass Greifswald Leuchtturm war –  zumindest, was Deutschlands Dub-Landkarte anging.

Die Aftershow hält alles bereit, was tieffrequent ist: Dub, Dubstep und artverwandtes Gedröhne. In diesem Sinn trifft man sich vielleicht auf der Fusion wieder, denn auch dort wird der DJ und Produzent zu erleben sein. Get on da floor!

Zur Einstimmung sei Gabriels Kollaboration mit Juakali aus Trinidad empfohlen!

Dub Gabriel kann bei Soundcloud gehört und geladen werden. Für den Abend gibt es zudem eine eigene Veranstaltung bei Facebook.

Fakten: 25.06. | 22 Uhr | IKUWO | 5 EUR

KEINE GNADE: INSOMNALES FINALE AM SONNTAGABEND

Die größte Ausstellung junger Kunst Mecklenburg-Vorpommerns neigt sich nach einem unermüdlichen Veranstaltungsmarathon dem verdienten Ende zu. Am Sonntag besteht daher zum letzten Mal die Gelegenheit, die ausgestellten Exponate in Augenschein zu nehmen und auf dem Insomnale-Gelände herumzulungern.

Ab 18 Uhr sollen Captain Planet, Schaule und das Skazka Orchestra für Unterhaltung sorgen. Eine Volxküche kümmert sich darum, dass niemand hungern muss.

Fakten: 26.06. | 18 Uhr | Insomnale | freier Eintritt

Judith Schalansky und ihre Inselwelten im Koeppen

Die verlorene Tochter kehrt — zumindest für einen Tag —  zurück. Heute Abend wird Judith Schalansky im Koeppenhaus aus ihrem jüngsten Werk Atlas der abgelegenen Inseln. Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde lesen, das von der Stiftung Buchkunst als schönstes Buch 2009 ausgezeichnet wurde, lesen.

Ihren Faible für das Maritime brachte sie schon mit ihrem 2008 bei mare erschienen Debüt Blau steht dir nicht zum Ausdruck, in ihrem Atlas bleibt die Greifswalderin beim Thema:

judith schalansky autorinDass es immer noch Orte gibt, die schwer zu erreichen sind, erscheint uns heute nicht mehr vorstellbar. Judith Schalansky aber hat sie gesammelt: fünfzig entlegene Inseln, die in jeder Hinsicht weit entfernt sind, entfernt vom Festland, von Menschen, von Flughäfen und Reisekatalogen. Aus historischen Begebenheiten und naturwissenschaftlichen Berichten spinnt Judith Schalansky zu jeder Insel eine Prosaminiatur, absurd-abgründige Geschichten, wie sie nur die Wirklichkeit sich auszudenken vermag, wenn sie mit wenigen Quadratkilometern im Nirgendwo auskommen muss.

Sie handeln von seltenen Tieren und seltsamen Menschen: von gestrandeten Sklaven und einsamen Naturforschern, verirrten Entdeckern und verwirrten Leuchtturmwärtern, meuternden Matrosen und vergessenen Schiffbrüchigen, braven Sträflingen und strafversetzten Beamten, kurzum: von freiwilligen und unfreiwilligen Robinsons.

Außerdem wurde dem Buch im letzten November der Designpreis der Bundesrepublik Deutschland 2011 (Silber) verliehen. Im folgenden Videointerview spricht Judith Schalansky über die Wiederentdeckung ihrer Obsessionen fürs Matrosenhafte, die Wirkung der tiefblauen Uniformen auf sie und ihre collagenartige Arbeitsweise.

Fakten: 04.02. | 20 Uhr | Koeppen | 5 / 3 EUR

Moritz von Uslar im Nachgang

Am 9. Dezember las Moritz von Uslar im Koeppenhaus aus seinem jüngsten Buch Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung. Schon vor der Lesung – bei der zufälligen Begegnung am Pissoir – wurde klar, dass in der Person von Uslar Larmoyanz und beinahe prollige Coolness eins werden.

Anschließend saß der Autor im gut gefüllten Saal und unterhielt sein Publikum mit den Impressionen des protagonistischen Reporters, der für drei Monate ins brandenburgische Zehdenick auszog, um die Provinz und ihre Bewohnerinnen teilnehmend zu beobachten. Das darauf folgende Gespräch moderierte Popliteraturkenner Prof. Dr. Eckhard Schumacher (Neuere Deutsche Literatur und Literaturtheorie).

Moritz von Uslar

Der erste Teil der Fragerunde fokussierte vorwiegend die methodische Problematik der zunehmenden Involvierung des Autors, der dadurch beginnt, Teil der beobachteten Wirklichkeit zu werden und sie zu verändern.

Über Zuspitzungen des Alltäglichen

Danach wurde der Produktionsprozess des Deutschbodens in den Mittelpunkt gerückt: von Uslars Tonbandaufnahmen, das Verhältnis von Fakt und Fiktion und die Notwendigkeit der Dramatisierung und Zuspitzung des Alltäglichen. Zehdenick und die neugewonnen Bekanntschaften lassen noch immer nicht so richtig vom Autor los, der auch nach der Veröffentlichung seines Buches noch ins Brandenburgische fahren kann, im Fall der nur für einen Abend besuchten Peenestadt Anklam dürfte das anders aussehen.

Mit von der Partie war auch das Studierendenfernsehen Moritz TV, das mit Moritz von Uslar vor der Lesung ein Interview führte und endlich wieder mal einen ausgesprochen guten Beitrag ablieferte, der allen Interessierten wärmstens ans Herz gelegt sei.

Moritz von Uslar breitet im Koeppen seinen „Deutschboden“ aus

Das Koeppenhaus wartet morgen mit einem besonderen Gast auf, denn der Autor und Journalist Moritz von Uslar macht sich von Berlin aus auf den Weg nach Greifswald.

Freitagnacht in der fertigsten Stadt Deutschlands

Die Strecke müsste er noch gut in Erinnerung haben, denn von Uslar kolumniert für DIE ZEIT und entwickelte dort unter anderem eine Reihe, die erst auf den Arbeitstitel Nachtleben an ausgewählten Orten hörte, jetzt aber bei Freitagnacht in… stehengeblieben ist.

Der Wahlberliner hat im Rahmen dieser Textserie auch einen sehr lesenswerten Beitrag über die „kaputteste, fertigste, unseligste Stadt Deutschlands“ veröffentlicht, der bei einigen ihrer Bewohnerinnen heftige Kritik auslöste. Das war im Mai und von Uslar stattete damals der Peenestadt Anklam einen Besuch ab.

Morgen Abend wird es aber nicht um Anklam, sondern um den jüngsten Roman des Schriftstellers gehen: Deutschboden. Der Untertitel des Buches, eine teilnehmende Beobachtung, deutet schon an, was auf die Leser zukommt, denn von Uslar ist für drei Monate in die brandenburgische Provinz gezogen, um zu verstehen, wie das Leben zwischen HartzIV, Ostalgie und Rechtsextremismus funktioniert und ob das schon alles gewesen sein soll.

„Ich sagte: Ich haue ab von hier, dort hin, wo kaum ein Mensch je vor uns war – nach Hardrockhausen, Osten, nordöstliche Richtung, nicht zu weit weg, vielleicht eine Stunde von Berlin entfernt.

Dort suche ich mir einen Boxclub, trainiere mit, hänge rum und tue nichts, außer die ganze Zeit nur zuzuhören und zuzugucken, was passiert, und abends stelle ich mich da hin, wo der totale Blödsinn erzählt wird, auf Parkplätze, an Tankstellen, in Pilslokale, und nebenbei erfahre ich alles über des Prolls reine Seele, über Hartz IV, Nazirock, Deutschlands beste Biersorten und die Wurzel der Gegenwart.“

Provinzpossen und Bestandsaufnahmen im literarischen Gewand

Moritz von Uslar siedelte den aus seinen Beobachtungen entstandenen Roman im fiktiven Ort Oberhavel an, aber es ist natürlich interessant zu wissen, dass er diese Zeit im brandenburgischen Zehdenick verbrachte. Der Abend ist ein Pflichttermin für alle, die an junger deutscher Literatur interessiert sind beziehungsweise einen Faible für ostdeutsche Provinzpossen und Bestandsaufnahmen mitbringen.

Die Lesung und das sich anschließende Autorengespräch wird von Prof. Dr. Eckhard Schumacher (Neuere Deutsche Literatur und Literaturtheorie, Greifswald) moderiert werden.

Fakten: 09.12. | 20:30 Uhr | Koeppen | 3-5 EUR