„Gefahr beseitigt“, meldete gestern die Greifswalder Stadtverwaltung und informierte über den schnell durchgeführten Abriss des einsturzgefährdeten Speichergebäudes in der Hafenstraße 33.
Die Entscheidung gegen den weiteren Erhalt des Speichers fiel in der vergangenen Woche, nachdem Experten ihn begutachtet und dem Gebäude danach zum Teil massiven Pilzbefall und Mängel an der Tragkonstruktion attestiert hatten. Winfried Gipp, Leiter der Unteren Bauaufsichtsbehörde, hält diese Entscheidung auch nach dem Abriss für richtig und sieht sein Urteil und das der anderen beteiligten Experten bestätigt: „Der Zustand der Holzbauteile war teilweise noch schlechter, als ich gedacht hatte.“
Der 1902 errichtete Speicher stand mehr als zwanzig Jahren leer und wechselte in dieser Zeit mehrmals den Eigentümer. Pläne, das Speichergebäude in Wohnraum umzuwandeln, wurden nicht umgesetzt. Nachdem in der vergangenen Woche eine Dachgaube eingestürzt war, forderte die Stadtverwaltung den Besitzer auf, das Gebäude unverzüglich zu beseitigen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Jetzt ist es am Museumshafen endlich wieder sicher!
Die Tage des historischen Speichergebäudes in der Hafenstraße 33 sind nach dem Einsturz einer Dachgaube in der vergangenen Woche gezählt.
Am Dienstag begutachtete die Untere Bauordnungsbehörde das 1902 gebaute Gebäude und bewertete den Bau als einsturzgefährdet. Zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit müsse das Gebäude nun „unverzüglich beseitigt“ werden. Die Besichtigung des seit der Wende leerstehenden Kornspeichers offenbarte seinen maroden Zustand: große Bereiche des Daches und der Decken sollen bereits eingestürzt sein, die noch sichtbaren tragenden Deckenbalken seien zum großen Teil von starkem Pilzbefall betroffen. „Einsturzgefährdeter Speicher im Museumshafen wird abgerissen“ weiterlesen →
Über 100 interessierte Zuhörerinnen besuchten am vergangenen Sonntag im Pommerschen Landesmuseum die Finissage zu Robert Conrads Ausstellung Heimatkunde, die seit ihrer Eröffnung am 1. Oktober 2012 mehr als 18.000 Besucher zählte. Damit konnte die im Januar um einen weiteren Monat verlängerte Ausstellung die zweitstärksten Publikumszahlen seit der Geburt der Romantik für sich verbuchen.
„Kulturfrevel“ im Geiste seiner Zeit
Nach kurzer Einführung durch Mario Scarabis bedankte sich Robert Conrad artig für den überwältigenden Publikumszuspruch und vermachte anschließend der Stadt eine seiner Fotografien, die an Ort und Stelle dem anwesenden Oberbürgermeister Arthur König (CDU) überreicht wurde. Nachdem Höflichkeiten und Ehrerbietungen ausgetauscht waren, las der Architekturfotograf Auszüge aus dem Buch Zerfall und Abriss sowie der Zeitschrift Horch und Guck.
Conrad verharrte nicht in den mitgebrachten Texten, sondern vermengte sie mit Erinnerungen und persönlichen Reflektionen, wodurch er immer wieder eine begehbare Brücke von den Achtziger Jahren bis in die Gegenwart schlug. Aus seiner Haltung zu den Flächenabrissen in der Greifswalder Altstadt machte er zu keinem Zeitpunkt einen Hehl: Die massenhafte Zerstörung historischer Bausubstanz bewertet er als „Kulturfrevel“, lenkte jedoch mit Verweis auf die alte Bundesrepublik, Schweden oder Großbritannien ein, dass diese „Geschichtsvergessenheit dem Zeitgeist entsprach.“
Die kleinteiligen Greifswalder Plattenbauten, die zu einem eigenen Typus wurden, waren „planungsgeschichtliche Sonderfälle“ und die grundlegenden Baumaßnahmen in der Hansestadt sollten als „Blaupause für den Umbau kleinerer Städte wie Bernau oder Gotha“ dienen.
Bauliche Brennpunkte heute
Mit Blick auf die gegenwärtig geplanten Abrisse in der Greifswalder Altstadt, zählte Robert Conrad mehrere bauliche Brennpunkte auf, an denen historische Bausubstanz durch Umgestaltungsabsichten bedroht ist. Angefangen beim Alten Speicher am Hafen, dessen Abriss bereits genehmigt wurde, über den klassizistischen Eckbau Knopfstraße/Loefflerstraße bis zum Gesellschaftshaus Stralsunder Straße 10, für dessen Rettung nach fünfjährigem Leerstand seit kurzem wieder ein Funken Hoffnung besteht.
Ein ebenfalls bedrohtes Ensemble — einer der ältesten Vorstadtbauten Greifswalds — befindet sich in der Brinkstraße 16-17. Nach dem der etwa 150 Jahre alte Gebäudekomplex verkauft wurde, erhielten alle Mieter und der dort residierende Bioladen die Kündigung ihrer Mietverträge zum 31. März. Der Abriss sollte 2014 erfolgen, doch inzwischen hat ein weiterer Eigentümerwechsel stattgefunden und die Zukunft der Brinkstraße 16–17 ist wieder offen.
Robert Conrad machte nach seiner Lesung Platz auf dem Podium für den Vertreter einer Arbeitsgruppe, die sich binnen kürzester Zeit mit dem Ziel gründete, dieses Objekt vor dem Abriss zu retten und die interessanten wie kostengünstigen Räume für Menschen und Projekte zu erschließen. Die Gruppe veranstaltet am Donnerstag (7.3.) im Koeppenhaus einen Informationsabend, auf dem sie ab 19.30 Uhr sich und das zu rettende Gebäude in der Brinkstraße vorstellen wird. Mehr Informationen dazu sind auf einem Flyer der Initiative (pdf, 121kb) gebündelt.
Zukünftige Möglichkeiten
In der anschließenden Publikumsdiskussion erntete Robert Conrad nicht nur Applaus, sondern auch Kritik. Peter Multhauf (Die Linke) — ein Befürworter des Flächenabrisses — störte sich an dem subjektiven Blick, den Heimatkunde auf Greifswald wirft. Der Kommunalpolitiker vermisste darin vor allem Fotografien, die den desolaten Zustand der Altstadt abbilden und merkte an, niemanden zu kennen, „der in den neugebauten Plattenbauten nicht gerne gewohnt hätte“.
Den Abriss der Kollwitz-Schule befürwortete der Vielredner („nicht erhaltenswert“) genauso wie Oberbürgermeister Arthur König, den wiederum Zweifel an einer rentablen Restaurierung des Alten Speichers plagten. Robert Conrad begegnete dieser Kritik mit einem Hinweis auf einen Speicher in Barth. Dabei argumentierte er für intelligente Nutzungskonzepte und eine kreative Sanierungen, die nötig seien, um den Verlust weiterer historischer Bauten in Greifswald zu verhindern.
Ungeachtet dieser Kritik an der subjektiven Dokumentation der verheerenden Umgestaltungen der Greifswalder Altstadt in den Achtziger Jahren bleibt zu resümieren, dass Heimatkunde nicht nur bezüglich der Besucherzahlen eine der erfolgreichsten Ausstellung war, die ihr Publikum wie kaum ein anderes Projekt dieser Zeit für die historische Bausubstanz der Stadt sensibilisierte und gleichsam als Impulsgeber für kommende baupolitische Diskussionen taugt.