Steinar in Greifswald Teil 8

Sebastian Ratjen verwirft jede politische Vernunft. Die Besitzerin des MSC Fashionstore wird ihren Laden schließen und zwei MitarbeiterInnen entlassen. Dies hätte einfach verhindert werden können, indem sie sich öffentlich von der Marke Thor Steinar und von der Unterstützung rechter Strukturen distanziert hätte, leider war das Gegenteil der Fall.

Dass sich auch das Management der Dompassage von ihr distanziert, war vorhersehbar. Jetzt bekundet Lieblings-FDP-Mitglied Sebastian Ratjen in der Ostsee Zeitung Solidarität und plant, sich am Wochenende selbst eine Thor-Steinar-Jacke zuzulegen: „Er warf inbesondere der Koordinatorin des Greifswalder Präventionsrates, Christine Dembski vor, mit dem „Terror politischer Überkorrektheit“ zwei Arbeitsplätze vernichtet zu haben.“

Thor Steinar in Greifswald

Nicht Frau Dembski hat Arbeitsplätze vernichtet, es war die Inhaberin des Geschäfts. Wenn Sebastian Ratjen den geplanten Kauf der Jacke in die Tat umsetzen wird, dann ist klar, dass er den Terror rechter Gewalttäter damit unterstützt und potentiell an gewalttätigen Übergriffen auf potentielle Opfer beteiligt sein wird. Man darf gespannt sein. Klar ist jedenfalls, dass man sich derartige Statements als öffentliche Person nicht erlauben darf.

Sebastian Ratjens Rolle in der lokalen Thor Steinar-Debatte zeichnet das Bild eines Mannes, der sich der nachhaltigen Wirkung seiner unüberlegten Kurzschlusskommentare in keinster Weise bewusst sein kann. Die große Frage ist, wie ein solcher politischer PR-GAU rechtspolitischer Sprecher der FDP im Land werden kann. Angeblich haben sich durch seine Verlautbarungen zur Thor Steinar-Debatte schon mehrere FDP-Mitglieder von ihm distanziert und sich von der Partei abgewandt.

Steinar in Greifswald Teil 7

FDP-Kreisvorsitzender Thorsten Hoebel glänzt heute mit einem Gastkommentar in der Ostsee Zeitung und fokussiert die juristische Dimension der Thor Steinar-Debatte, zumindest versucht er es, offenbart allerdings ebenfalls Schwächen im Verständnis der eigentlichen Problematik.

Dabei ist das wirklich verwunderlich, denn ein Blick in die Leserbriefe der Ostsee Zeitung gibt eigentlich schon Hinweise zu richtigen Verstehen. Hoebel wehrt sich gegen Textilzensur und schließt das vermeintliche Instrument der Politik, den Laden zu schließen, bzw. den Verkauf zu unterbinden, aus: „Da es juristisch sowohl hinsichtlich des alten Logos und auch wegen des neuen Logos keinerlei Handhabe gibt, einen Verkauf der Marke Thor-Steinar zu untersagen, unterstützt der FDP-Kreisverband eine Forderung zur Schließung des Ladens oder aber zumindest zum Verbot des Verkaufs nicht. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage. Die teilweise in der Presse geforderte Textilzensur ist also abzulehnen.“

Hoebel hat leider nicht den Kern der Debatte erfasst. Es gab zwar seitens der Stadt die Ankündigung, Rechtsmittel bezüglich eines Verkaufsverbotes zu prüfen, allerdings ist der Misserfolg dieser Idee vorhersehbar. Die sogenannte Textilzensur bedeutet ja nicht mehr als eine gesunde Konsumverweigerung. Folgt man Hoebel, dann kann man als Demokrat diese Waren kaufen. Dann kann man aber auch bei Lidl einkaufen und noch mehr schlimme Sachen anstellen. Es geht ja genau darum, den finanziellen Zufluss in rechte Netzwerke zu stoppen.

Es ging also nicht vordergründig um Neonazis, die diese Kleider kaufen, sondern um Ahnungslose, die ihr Geld nicht in rechtsextremen Strukturen anlegen sollen. Nichtsdestotrotz wurde heute der Auszug des umstrittenen MCS Fashionstore aus der Dompassage bekannt. Ob die Inhaberin dem öffentichen Druck nicht mehr standgehalten hat, oder das Centermanagement einen Imageschaden befürchtete bleibt unklar. Ungeklärt ist auch, ob die restlichen Textilien von Thor Steinar jetzt vielleicht im zweiten Laden verkauft werden, der in Verbindung mit dem MCS Fashionstore steht: im Playaz in der Fleischerstraße.

Steinar in Greifswald Teil 6

Gestern gab es wieder Neuigkeiten zur lokalen Thor Steinar-Debatte. Sebastian Ratjen, FDP-Abgeordenter und Unglücksrabe in Sachen PR wehrte sich in der Ostsee Zeitung gegen die zunehmende Kritik.

„Was mich störte, war die reflexartige, unüberlegte Art, wie man auf die völlig unpolitische Einzelhändlerin eindrosch. Seit 17 Jahren löst ein Antirechtsprogramm das andere ab. Als Ergebnis sitzt heute die NPD im Landtag. Statt zurückzuschrecken, wenn die Neonazis anfangen historische Symbole zu missbrauchen, müssen wir sie ihnen entreißen…Wie wäre es, wenn plötzlich Farbige, Ausländer, Schwule, Lesben und viele andere Thor Steinar trügen? Würden wir damit nicht die Marke entmystifizieren?“

Vielleicht täte es der FDP besser, wenn sie Ratjen einen Maulkorb verpassen würde, denn sein jüngstes Statement beweist eindrucksvoll, dass Ratjen den Kern der Debatte missversteht. Die Kritik am Verkauf dieser Produkte zielt ja nicht darauf ab, zu verhindern, dass Leute durch ihre Kleidung ein undemokratisches Flair verbreiten. Vielmehr geht es darum, dass der Verkauf dieser Produkte rechten Netzwerken finanziell nützt. Wenn plötzlich „Farbige, Ausländer, Schwule, Lesben und viele andere Thor Steinar trügen“ würden wir der Marke vor allem ein Umsatzhoch bescheren. Herr Ratjen scheint nicht gewillt einzusehen, dass finanziell gut aufgestellte rechte Netzwerke gefährliche rechte Netzwerke seien können. Gab es nicht gerade eine Diskussion über ein Kaufersuch von Neonazis in der Nähe von Anklam, die ein rechtsextremes Schulungszentrum einrichten wollen?

Marcus Unbenannt greift diesen Gedanken ebenfalls in einem Leserbrief auf: „Thor Steinar wird nicht nur von Rechtsextremisten getragen, sondern auch von Rechtsextremisten für Rechtsextremisten produziert. Und mit den Gewinnen werden rechtsextreme Strukturen unterstützt. Deshalb ist Ratjens Vorschlag, möglichst alle mögen diese Sachen tragen, an Naivität kaum zu überbieten. Dies wäre nichts anderes als eine großangelegte Unterstützungskampagne für die rechte Szene. Und genau deshalb ist es auch richtig, darauf aufmerksam zu machen, dass diese Marke anders ist als andere und nicht verkauft werden sollte.“

Unbenannt hat natürlich vollkommen recht. Bereits vor einigen Tagen schlug Ratjen vor, man könne ein Diskussionsforum in der Stadt einrichten, um über eine Kursänderung der Marke zu diskutieren. Diese Idee halte ich für hochgradig hanebüchen. Wieso sollte eine rechte Firma plötzlich eine Läuterung erfahren? Wieso sollte sich das politische Bewusstsein dieser rechten Firma verändern? Weil Herr Ratjen ein Diskussionsforum anregt? Wohl kaum. Umso verwunderlicher ist es, dass Marian Kummerow mit auf diesen Wagen sprang und die Idee einer öffentlichen Diskussion unterstützte.

Kummerow zeichnet sich sonst durch seine Kompetenz im Umgang mit Rechtsextremismus aus, insofern verstehe ich seine Unterstützung dieser Idee als Versuch, keine Möglichkeit des öffentlichen Umgangs mit dem Thema Thor Steinar ungenutzt zu lassen. Vielleicht beweist Marian Kummerow allerdings soviel politisches Geschick, dass er Sebastian Ratjen, nach dessen desaströsen Pressemitteilungen und Interviews, nicht allein als Kämpfer gegen Neonazis antreten lassen will; aus Angst vor einem Debakel. Jedenfalls schien es eine Anfrage an Thor Steinar gegeben zu haben. Diese Einladung wurde allerdings abgelehnt. Dazu heißt es: „Da zu vermuten ist, dass wir dort lediglich an den Pranger gestellt werden sollen, haben wir darauf wenig Lust.“

Steinar in Greifswald Teil 3

Heute ist in der Ostsee Zeitung die Absage von MCS-Fashionstore-Inhaberin Mandy Constanze an die Gegner des Neonazi-Modelabels Thor Steinar zu lesen. Sie wird die kritisierten Waren aus wirtschaftlichen Gründen nicht aus dem Sortiment nehmen. Wenn sie da mal nicht einem Trugschluss aufliegt.

Unter dem Motto Kein Naziladen in der Dompassage! gab es schon vor guten fünf Wochen eine Protestaktion gegen den Laden. Schlussendlich dürfte der Imageverlust wirtschaftlich schwer wiegen und direkte Aktionen sind in diesem Fall auch nicht ausgeschlossen. Es könnte also wesentlich teurer werden, die kontroversen Produkte zu verkaufen, als sich klar und vor allem konsequent von dem Neonazi-Label zu distanzieren.

Thor Steinar Debatte Greifswald

Sebastian Ratjen glänzt in der Zwischenzeit mit einem weiteren Vorschlag: Wir sollten in der Stadt ein Diskussionsforum veranstalten, um auszuloten, ob die Marke eine Kursänderung anstrebe. Was für eine Idee! Erstens ist eine Kursänderung Sache der Labelchefs, zweitens ist es höchst unwahrscheinlich und unglaubwürdig, dass die Neonazis plötzlich geläutert daherkommen. Ein Diskssionsforum macht in dieser Stadt deswegen keinen Sinn, höchstens einen humoristischen, falls Herr Ratjen vor hat, sich zu diesem Thema zu äußern.

Ohnehin kriegt er gerade mächtig Schelte. Nachdem die Ostsee Zeitung den gestern flugs gemailten Leserbrief heute druckte und die Leserbriefe überschrieb mit Landtagsabgeordneter sollte sich schämen, äusserte sich auch der Fraktionsgeschäftsführer der SPD, Pierre Freyber, zu Ratjens Kommentar: „Sebastian Ratjen verharmlost den Verkauf von Waren eines Neonazi-Labels. Besonders erschreckend ist aber die Äußerung von Ratjen, dass es sich bei Thor-Steinar nicht um ein Neonazi-Label handelt. Dies offenbart Unkenntnis, die man einem Landtagsabgeordneten nicht zugestehen darf.“

Ein anderer Leser beklagt den Aufruhr wegen der Neonazi-Textilien. Für ihn sei es viel wichtiger, die Aufkleber, die an öffentliche Einrichtungen geklebt werden, in den medialen Fokus zu hieven. Vor drei Tagen gab es dafür noch fast eine Belobigung in der Ostsee Zeitung. Mit der Einstellung kommen wir natürlich nicht weit im Kampf gegen Neonazis.

Steinar in Greifswald Teil 2

Tausendsassa Alexander Loew, seines Zeichens Lokalreporter bei der Ostsee Zeitung, hat sich des lokalen Steinar-Skandals angenommen.

Bereits gestern erschien ein zweiter Artikel in der Ostsee-Zeitung, in dem Positionen verschiedener öffentlicher Personen Greifswalds Erwähnung fanden, u.a. von Pierre Freyber (SPD-Fraktionsgeschäftsführer), Marian Kummerow (Die Linke) und von Frau Dembski (Präventionsrat).

Heute erschien ein weiterer Artikel von Alexander Loew zu diesem Thema in der Ostsee Zeitung. Der ist wesentlich kontroverser als die beiden vergangenen, denn jetzt hat FDP-Landtagsabgeordneter Sebastian Ratjen mächtig daneben gegriffen. Ironischerweise ist er der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Er appellierte, dass keine Hetzjagd auf die Chefin des Ladens veranstaltet werden dürfe. Er befand, sie hätte mit Rechtsextremen nichts am Hut. Naja, er muss es als rechtspolitischer Sprecher ja wissen. Außerdem verwahrt er sich gegen die Neonazi-Brandmarkung des Labels: „Ich kenne Leute, die diese Sachen tragen, weil die Schnitte gut sind. Die sind nicht rechts.“

Wenn ich mir eine Reichskriegsflagge ins Wohnzimmer hänge, dann bin ich auch nicht rechts, ich mache das nur, weil das so wunderbar mit meinem Sofa harmoniert. Wenn Ratjens Bekannten nicht in der Lage sind, Neonazi-Klamotten von Nichtneonazi-Klamotten zu unterscheiden, dann sind dadurch doch nicht die Neonazi-Klamotten plötzlich politisch korrekt. Das ist eine Logik, die sich mir verschließt. Aber es spielt auf einen wichtigen Wahrnehmungsunterschied an: Lonsdale wird auch von Rechten getragen, ist aber kein Neonazi-Label.

Bei Thor Steinar sind die politischen Verwicklungen der Label-Chefs bekannt und es ist davon auszugehen, dass der Kauf und Verkauf dieser Ware rechtsextremen Netzwerken in finanzieller Form nützt. Abgesehen davon durchdringen Neonazi-Klamotten unsere Alltagskultur. Ratjens Gipfelsturm geschieht aber mit dem Vorschlag, diese Marke nicht den Rechten zu überlassen, sondern sie ins „demokratische Spektrum“ zu holen. Noch mal zum Nachdenken: Die Neonazi-Klamotten kaufen und dabei rechte Netzwerke unterstützen, damit diese klare Nazi-Attitüde verschwimmt und wir sie, also Neonazis und Klamotten, in unsere wohlige demokratische Mitte holen. Ein toller Vorschlag! Ich habe auch einen: Wir sollten das Verbot des Horst-Wessel-Liedes aufheben und es auf die Lehrpläne in den Schulen setzen. Dann können wir es wieder zurück ins demokratische Spektrum holen und beim Wandertag können endlich wieder alle das gleiche singen.

Die Argumentation Ratjens geht schlüssig weiter: „Auch wenn die Firma germanische Runen verwendet – die sind schließlich älter als die Nazis.“ Vielleicht habe ich was verpasst, aber das Hakenkreuz wurde ja auch nicht 1933 erfunden und ist somit auch älter als die Nazis. Vielleicht sollte ich das in Zukunft auf meinen Shirts tragen, um dieses Symbol wieder ins demokratische Spektrum zu holen. Ich begrüße es, dass die Ostsee Zeitung diesen Laden thematisiert und hoffentlich zu einer Konsumverweigerung potentieller Kunden beiträgt. Es wäre angemessen, die Leser aufzuklären, was sich hinter diesem Label verbirgt, dass diese Artikel eben nicht nur von Neonazis getragen werden, sondern deren Vertrieb rechten Netzwerken nützt. Wir bleiben an der Sache dran und schauen weiter kritisch in die Ostsee Zeitung, versprochen.