We remember Café Quarks! #2: Las Balkanieras

Die Räumung des Greifswalder AJZ/Café Quarks jährt sich dieser Tage zum zehnten Mal. Aus diesem Grund wird vom 30. Januar bis zum 06. Februar eine Woche der kulturellen Freiräume zwischen Gedenken und Zukunftsvision stattfinden. We remember Café Quarks!

Madame Mediterranovich und ihre ungestümen Freundinnen

Morgen Abend beginnt die lokalkolorierte Gedenkwoche der etwas anderen Art mit einer fulminanten Auftaktveranstaltung. Mit Las Balkanieras wird es feminin-selbstbewußt zugehen. Das in Deutschland lebende, exil-jugoslawisch-russische Frauentrio vermengt wild und ungestüm balkaneske Folklore mit Elektroeinflüssen und jeder Menge Dancehall.

Hierfür zeichnet der erfolgreiche Produzent Pionear verantwortlich, dessen renommiertes Label Germaica Szenegrößen, wie zum Beispiel Seed oder Dr. Ring-Ding beheimatete.

Pionear verpasste im Januar 2000 leider das Soli-Festival Quarks United, weil er auf dem Weg nach Greifswald im Schnee stecken blieb. Die Live-Performance von Madame Balkaniera Mediterranovich und ihren zwei Schwestern im Geiste wird vom Dancehall-Veteran aktiv unterstützt und hoffentlich mit entsprechend rootigem Tonmaterial unterfüttert.

„I scream, you scream. You scream Ice cream!“

Einen — im Wortsinn — guten Vorgeschmack auf das, was zu erwarten ist, bietet der bei myspace hörbare Song Whats cooking? Hier wird Kulinaria neu verhandelt! Zu den schon genannten musikalischen Einflüssen des Trios mischt der Ankündigungstext „swingenden R’n’B-Fake-Glitzer, grimmige Dubstep-Bässe und eine Liebe zum trashigen Entertainment, zur schrägen Show, zum ganz großen Remmidemmi. Dabei überaus feminin selbstbewußt und alles humorvoll abgefedert. Spätestens, wenn der Russo-Klassiker „Kalinka“ auf einer mörderischen Bass-Linie über die tanzende Meute bricht, gibt es kein Halten mehr!“

Nach der Show der Balkanieras wird mit Russendizko, Polska Rootz und Balkanbeatz in den Morgen getanzt!

Fakten: 30.01. | 22 Uhr | IKUWO | 5 EUR

We remember Café Quarks! #1: Die alte Website

In genau neun Tagen jährt sich zum zehnten Mal die Räumung des ehemaligen AJZ/Café Quarks am Karl-Marx-Platz. Das Haus mit der denkmalgeschützten Fassade stand seitdem leer, bis es ganz überraschend am 26. November des Vorjahres abgerissen wurde.

schriftzug quarksEin Überblick über die Geschichte des Hauses und ein Video des Abrisses sind einen Tag später auf dem Fleischervorstadt-Blog erschienen. Kurz darauf fand vor den Ruinen des einstigen Kulturtempels eine Art Gedenkveranstaltung statt. Auch diese Zusammenkunft wurde hier dokumentiert.

WOCHE DER KULTURELLEN FREIRÄUME

remember cafe quarksAnlässlich des Räumungsjubiläums werden in unmittelbarer Zukunft einige Veranstaltungen unter dem Label We remember Café Quarks! stattfinden, die subkulturelle Einblicke und Ausblicke ermöglichen sollen. Vom 30.01. bis zum 06.02. wird eine Woche der kulturellen Freiräume zwischen Gedenken und Zukunftsvision offeriert.

Auf die verschiedenen Parties, Filmvorführungen und Diskussionsveranstaltungen wird hier in den kommenden Tagen noch explizit eingegangen werden. Einen kurzen Überblick auf das, was uns erwartet, bietet der aktuelle IKUWO-Flyer.

AUSSTELLUNG SUBKULTURELLER LIEBHABERSTÜCKE „We remember Café Quarks! #1: Die alte Website“ weiterlesen

Alternatives Jugendzentrum abgerissen — ein Rückblick

Wer wird sich daran später noch erinnern? Diese Frage stellte ich vor zwei Wochen mit dem Hinweis auf die Neubauten in der Pfarrer-Wachsmannstraße. So wie mit den Baulücken auch ein einzigartiges Kapitel der jüngsten Greifswalder Stadtgeschichte verschwand, so hat es gestern Mittag völlig überraschend die Ruine des Alternativen Jugendzentrums am Karl-Marx-Platz getroffen. Innerhalb weniger Stunden wurde das Haus dem Erdboden gleichgemacht.

Seit 1991 wurde das ehemalige Kinderheim Hertha Geffke besetzt, anfangs geduldet und sogar kurzzeitig im Rahmen des Aktionsprogramms gegen Aggression und Gewalt (AgAG) gefördert. 1993 wurde das Haus an seine Hamurger Alteigentümerin rückübereignet. Es blieb besetzt, die Stadt hörte aber auf, mit den Bewohnern des AJZ – später in Café Quarks umbenannt – zu kooperieren. Das Projekt entwickelte sich zu dem mit Abstand legendärsten alternativen Veranstaltungsort Greifswalds. Hier wurden rauschende Feste gefeiert.

AJZ Greifswald

Wo wir am Leben gehindert werden, fängt unser Widerstand an

1999 wurde die Lage für die Besetzer und Besetzerinnen immer dramatischer, im November des Jahres gab es aus diesem Grund eine Demonstration, an der rund 800 Jugendliche mit Transparenten wie „Wo wir am Leben gehindert werden, fängt unser Widerstand an“ teilnahmen. Für den Erhalt des Hauses wurden in wenigen Wochen 1700 Unterschriften gesammelt.

Der kurzfristige Versuch, das Quarks zu kaufen, scheiterte am unangemessenen Kaufpreis und dem Verhandlungsunwillen der Alteigentümerin. Anfang Januar 2000 erhielten die Bewohner des AJZ die Räumungsaufforderung. Das Haus wurde am 4. Februar 2000 von Polizeibeamten geräumt.

Jugendliche tragen AJZ zu Grabe Greifswald

Danach entlud sich in Greifswald eine unvorstellbare Frustration der Jugend. Die plötzlich obdachlosen Hausbewohner indes kamen zeitweise auf dem Dachboden des Cafés Pariser unter.

Die Räumlichkeiten am Karl-Marx-Platz wurden schnell unbewohnbar gemacht, um eine erneute Besetzung zu verhindern. Anschließend überließ man das Haus dem Verfall. Mit dem Abriss des Gebäudes verliert diese Stadt eine Art subkulturelles Denkmal, das – auch wenn es in den vergangenen zehn Jahren leerstand –  an glanzvollere Zeiten erinnerte und dazu motivierte, Freiräume zu erkämpfen.

Parallelen im Umgang mit dem Denkmalschutz

Mit Blick auf die momentanen Entwicklungen um die Straze ist ein weiteres Detail interessant. Dort wird eindrucksvoll vorgeführt, wie leicht man in Greifswald dem Denkmalschutz begegnen kann und seiner ungeachtet ein traditionsreiches Gebäude verfallen lässt beziehungsweise abreißt.

Unter Denkmalschutz stand auch die Fassade des AJZ am Karl-Marx-Platz. Wie ernst es mit der Bewahrung solcher Güter genommen wird, kann man in diesem Video, das die gestrige Zerstörung dokumentiert, nachvollziehen.

Am 4. Februar wird sich die Räumung des AJZ zum zehnten Mal jähren und es sind schon mehrere Veranstaltungen geplant, um der wilden Zeiten zu gedenken. Unter dem Namen we remember cafe quarks wird Ende Januar die Auftaktparty mit einem Balkan-Dancehall-Gypsy-HipHop-Mashup von Las Balkanieras begangen werden.

Es ist weiterhin geplant, eine Ausstellung über das Café Quarks zusammenzustellen. Hierfür wird noch dringend Material gesucht. Wer also noch Fotos, Videos, Zeitungsartikel, Plakate, Fyler etc. besitzt und die Idee unterstützen möchte, sollte nicht davor zurückscheuen, mich per E-mail zu kontaktieren. Ich bin dankbar für jedes Kleinod. Wer mir ein Stück der alten Quarks-Spiegelkugel bringt, kriegt Kaffee und Kuchen!

Blogger lebewesen hat Bilder des  symbolischen Trauerzuges ins Rathaus (Februar 2000) veröffentlicht. Eine chronologische Übersicht der Entwicklung des AJZ offeriert der Likedeeler in seiner vierten Ausgabe.