Alle blicken nach Greifswald: Thor Steinar an der Uni verboten

Wie bereits gestern angemerkt, rauscht die Nachricht vom Verbot des Tragens von Kleidung der als rechtsextremistisch gebrandmarkten Modemarke “Thor Steinar” durch den deutschen Blätterwald.

Sehr viele Zeitungen druckten die dpa-Meldung oder veröffentlichten Artikel zum Thema in ihren Online-Ausgaben, das ging von der WELT über das Hamburger Abendblatt, von N24 über die ZEIT bis hin zu Spiegel Online. Die Nachricht erreichte sogar die italienische Presse.

Provokationserfahrene Lehrkraft am rechten Rand

Der Modifizierung der Universitätshausordnung ist eine Debatte über den inzwischen höchst umstrittenen Professor Ralph Weber vorausgegangen. Der Jurist fiel in der Vergangenheit nicht nur durch seine Symphatiebekundungen gegenüber Thilo Sarrazin (erste „Affäre“) und Jörg Haider auf, er erregte auch den Missmut verschiedener Studierenden durch frauen- und fremdenfeindliche Ressentiments während seiner Lehrveranstaltungen und soll provokationserprobt auch in Textilien von Thor Steinar aufgetreten sein.

(Foto: Endstation Rechts)

Der Abtreibungsgegner schrieb vor seiner Berufung nach Greifswald einen offenen Brief an den Innenminister Mecklenburg Vorpommerns, Lorenz Caffier, und beschwerte sich über das geplante Verbot der NPD. Mit deren Funktionär Udo Voigt soll sich Weber getroffen haben, um über die Gründung einer neuen rechten Partei zu beraten. Ausführlich zum Fall Weber berichtete der webMoritz.

Verbot durch Änderung der Hausordnung

Paragraph 5 der Hausordnung wurde nun von der Universitätsleitung geändert, seit dem 03. September heißt es dort: „Im Geltungsbereich dieser Hausordnung sind Verhaltensweisen zu unterlassen, die geeignet sind, die öffentliche Wahrnehmung der Universität als weltoffenes, pluralistisches, freiheitliches und demokratisches Zentrum von Forschung und Lehre zu beeinträchtigen. Untersagt ist insbesondere die Verwendung von Kennzeichen mit verfassungswidrigen, rassistischen, fremdenfeindlichen, gewaltverherrlichenden oder anderen menschenverachtenden Inhalten. Ebenfalls untersagt sind Verhaltensweisen, die geeignet sind, diesbezügliche Missverständnisse hervorzurufen.“

Gegner und Kritikerinnen dieses Verbotes argumentieren in den vielen Kommentaren, die zu den unzähligen Artikeln abgegeben wurden, in der Regel mit Einschränkungen der persönlichen Freiheit, die durch ein Verbot bestimmter Kleidung wahr würde. Sehr häufig wird negiert, dass es in Greifswald im Allgemeinen und an der Hochschule im Besonderen ein Problem mit rechtsextremistischen Strömungen gäbe. Wenngleich man schon sehr unaufmerksam durch die Stadt gehen muss, um keine entsprechenden Parolen und Symboliken wahrzunehmen.

(Foto: webMoritz)

Merkwürdig wird es, wenn das Greifswalder Signal mit der Jeans-Ächtung des DDR-Regimes verglichen und die durch Thor Steinar kommunizierte Ideologie relativiert wird. Zuletzt bediente sich das StuPa-Mitglied Alexander Wilhelm Schmidt, früher bei den Republikanern in Leipzig aktiv, bei einer Diskussion im Studierendenparlament einer ähnlichen Argumentation: Wer Thor Steinar verbiete, dürfe Che Guevara nicht dulden (mehr zu dieser Auseinandersetzung hier).

Kaum Unterstützung für „Linkshysteriker“

So fraglich eine Durchsetzung des Verbots in der Praxis auch sein mag, in erster Linie hat die Universitätsleitung ein Signal gegeben, mit dem sie sich eindeutig gegen bestimmte Marken und deren bedeutungstragender Funktionalität sowie gegen die dahinterstehenden politischen und ökonomischen Strukturen positioniert. Dafür muss sie jetzt viel Kritik einstecken. Von „Linkshysterikern“ ist da die Rede, missverstandendem Antifaschismus und fehlgeleiteter political correctness. Greifswald wird in mehreren Kommentaren ganz pauschalisierend sogar eine Linke Führungsriege der Universität unterstellt.

Spiegel Online titelt Bizarre Kleiderordnung und fragt: „Was ist da los in Greifswald? Marschieren etwa freie Kameradschaften über den Campus? Prangt auf jeder zweiten Jacke ein unappetitliches Logo der Marke Thor Steinar oder anderer bei Neonazis beliebter Ausstatter? Kurz: Hat die Uni Greifswald ein sichtbares Extremismusproblem von rechts?“ Aber es gibt auch andere Reaktionen, zum Beispiel den StuPa-Präsidenten Erik von Malottki, der gegenüber dem webMoritz ausdrücklich begrüße, dass das Rektorat der Bitte des Studierendenparlaments zügig nachgekommen ist”. Dies sei ein richtiges Zeichen gegenüber allen Greifswalder Studierenden und der Öffentlichkeit.

Die Frage, wie sich das nun erfolgte Verbot von Thor Steinar an der Greifswalder Universität tatsächlich auswirken, muss an dieser Stelle zwangsläufig unbeantwortet bleiben, vorerst zumindest. Franz Küntzel, AStA-Referent für Hochschulpolitik, äußerte sich gegenüber dem webMoritz nicht gerade optimistisch, er sei der Meinung, „dass die Änderung der Hausordnung keinerlei Auswirkungen auf Studierende und Universitätsangehörige“ habe.

Umfrage zum Verbot

Die Möglichkeit, ein Stimmungsbild der Leserinnenschaft zu erhalten, möchte ich natürlich nutzen und die Frage in den Raum werfen, wie ihr die Entscheidung der Universitätsleitung empfindet.

Die Entscheidung der Hochschulleitung, Kennzeichen mit verfassungswidrigen, rassistischen, fremdenfeindlichen, gewaltverherrlichenden oder anderen menschenverachtenden Inhalten zu verbieten,

  • empfinde ich als richtig und unterstützenswert. (48%, 87 Votes)
  • empfinde ich als gut gemeint, aber falsch umgesetzt. (29%, 53 Votes)
  • empfinde ich als falsch und lehne sie ab. (20%, 36 Votes)
  • ist mir egal. (2%, 4 Votes)

Total Voters: 180

Wird geladen ... Wird geladen ...

Statement der Pressestelle

Zu guter Letzt sei noch auf einen Bericht des NDR verwiesen, in dem Jan Meßerschmidt, Leiter der Informations- und Pressestelle zu Wort kommt. Dort sah man sich gestern mit einem ungewohnten Medieninteresse konfrontiert.

Für eine kritische Auseinandersetzung mit der Marke Thor Steinar ist das als pdf-Dokument verfügbare Infoheft Investigate Thor Steinar sehr hilfreich.

*Update* 17.09.

Wie der webMoritz berichtet, wird in Sachen Thor Steinar wieder zurückgerudert. Die Änderung der Hausordnung sei Sache des Senats und nicht des Rekorats. Ein vorgeschobener Verfahrensfehler?

21 Gedanken zu „Alle blicken nach Greifswald: Thor Steinar an der Uni verboten

  1. Danke für eure Hinweise, war ja irgendwie passend. Ich habe Weber mal hinterherrecherchiert, als die Zeitungsartikel zu Haider und Sarrazin Affäre I an seiner Pinnwand hingen. Da bin ich auf eine Organisation gestoßen, die Abtreibung ablehnt und sehr sehr konservativ war; das rundete mein Bild Webers ab.

  2. Ich seh‘ grad, ich bin nicht der Erste, dem das auffällt. Aber eigentlich ein schönes Wort. Könnte man ja als umgangssprachliches Synonym für „Pazifist“ verwenden, sofern man Abreibung als „eine Tracht Prügel verpassen“ versteht.
    Würde dann aber glaube ich nicht mehr so richtig zu Weber passen.;)

  3. Wer Thor Steinar verbiete, dürfe Che Guevara nicht dulden (mehr zu dieser Auseinandersetzung hier). <<<< so leid es mir tut, aber da hat die braune Gestalt dann sogar recht.

  4. so ein humbug bzw so eine relativierende scheisse. das ist genauso so ein dummes gelaber, wie bei den sexismusdiskussionen. manche menschen scheinen sich fakten einfach unbewusst zu verschließen um diese dann in ihren kruden „argumentations“konstrukten nicht reflektieren und verarbeiten zu müssen:
    auf den che-shirts steht nichts positives über vernichtungslager oder distanzwaffen zur massenvernichtung, keine glorifizierung von gewalt in schrift oder motiv und auch keine finanzielle unterstützung an private strukturen, für die aberkennung der menschenrechte, gewaltexzesse gegen andersdenkende, -aussehende, -lebende oder -liebende stehen.
    bei ts ist das aber so.
    kapiert?

    mir bleibt bei diesen ständigen relativierungen brauner tendenzen durch die bürgerlichen nur ein zweifel an ihrer intelligenz oder ein verzweifeln an ihrer ignoranz… in diesem sinne: alerta! – was kommt als nächstes?

  5. Hi Jockel. bei deiner Abstimmung fehlt mir ein Option zwischen „Klar dafür“ und „Klar dagegen“…. sowas wie „Hmm, grundsätzlich gute Idee, aber…“ oder so. Das träfe zumindestens meine Stimmung zu der Entscheidung.

  6. @stan: Stimmt. Ich habe das als Antwortoption hinzugefügt, auch wenn das natürlich das Ergebnis verzerrt, denn 55 Stimmen wurden schon abgegeben. Andererseits ließe sich die Abstimmung ohnehin durch Cookie-Löschen und neuer IP manipulieren. Danke für deinen Hinweis.

  7. Ich seh das ähnlich wie J. Mir machen die Leserkommentare auf spiegel online, Zeit online, auf dem webmoritz usw. richtig Angst!
    Wir sind wieder an einem Punkt angekommen, wo Fremdenfeindlichkeit und deutscher Überlegenheitswahn wieder hofiert wird, dank Sarrazin, Stadtkewitz und Weber wird Rassismus wieder salonfähig. Und die Leute tippen sich die Finger wund wegen der „Linksextremisten“. Besonders die Erwähnung der DDR macht mir zu schaffen. Muss der Arbeiter-und Bauernstaat für viele als positives Beispiel aus der Vergangenheit herhalten, wenn es um Arbeitsmarktpolitik und Kinderbetreuung geht, kann man die drei großen Buchstaben auch wahlweise als Horror-Monster aus der Kiste lassen – und plötzlich sind die, die für Rechtsextremismus sensibilisiert sind, Mauerschützen und Stasi-Bonzen. Wie es eben gerade passt. Und klar haben wir ein riesiges Problem mit den Linksextremen. Ständig schmeißen die Scheiben von Wahlkreisbüros ein, ständig verfolgen die Mitmenschen anderer Hautfarbe, Erasmus-Studierenden können sich nicht sicher fühlen, wenn die Antifa unterwegs ist, ganz abgesehen von den Hetzplakaten gegen Politiker, die ständig von den Bolschewiki verklebt werden.
    Ich frage mich manchmal, in welcher Welt Leute leben, die sich dazu herablassen, solch relativierende und gleichzeitig hetzerische Scheiße zu verfassen.

  8. Eine fast wortgleiche Passage findet sich in der Hausordnung des Landtages Brandenburg. Zwischen den beiden Hausordnungen besteht ein fundamentaler Unterschied. Wesentlicher Bestandteil der Landtagsordnung ist eine Liste (http://www.landtag.brandenburg.de/de/meldungenlandtagspraesident_fritsch_erlaesst_neue_hausordnung/396910?_referer=422371) von Kennzeichen, Symbolen, Codes und von in der rechtsextremen Szene beliebten Bekleidungsmarken. Neben anderen Marken wird dort T.S. explizit aufgeführt.
    Wie der Uni-Pressesprecher gegenüber dem NDR (ab 0:50, http://www.youtube.com/watch?v=A2I3S0dm918&feature=player_embedded) erklärt, hat die EMAU auf ein Verbot bestimmter Labels verzichtet.
    T. S. und andere szenetypischen Marken sind somit grundsätzlich weiter erlaubt. Vielmehr geht es um die Aufdrucke und deren Kontext. Hosen und Röcke der Marke, kommen sie doch ohne Aufdruck aus, verstoßen insoweit nicht gegen die Hausordnung und könnten weiterhin getragen werden.
    Die Verfasser von Investigatte Thor Steinar (http://investigatethorsteinar.blogsport.de/images/investigate_thor_steinar_2_web.pdf) kommen u.a. zu dem Ergebnis, dass bei der T.S.-Motivanalyse „sich jede_r nach bevorzugter Facon zusammen konstruieren könne, was irgendwie möglich oder wahrscheinlich wäre.“
    Das T-Shirt T.S.-Molotow zeigt z.B. die Abbildung das Motorradgespann M-72. Ein sowjetisches Motorrad, welches zwischen 1941 und 1957 gebaut wurde und als Kopie des Wehrmachtsmotorrads BMW R71 gilt. Ein Bewunderer der ruhmreichen Roten Armee könnte das T-Shirt also ebenso tragen, wie der sich nicht offen bekennende Wehrmachtsfanatiker. Eindeutig zweideutiges lässt sich in der gesamten Kollektion finden.
    Das OLG Hamm hat hinsichtlich der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auf die Sicht eines unbefangenen, nicht besonders sachkundigen Beobachters, der das Objekt zufällig und flüchtig wahrnimmt, ohne sich intensiv damit zu beschäftigen, abgestellt, (OLG Hamm NStZ-RR 2004 12). Wenn dies der Bewertungsmaßstab ist, dürfte auch das Molotow-T-Shirt an der Uni erlaubt sein.
    Das Rektorat wäre gut beraten gewesen, sich eindeutiger zu positionieren.

    P.S. Der Leserbrief eines Uni-Mitarbeiters:
    I
    oz vom 10.09.2010 07:48
    Vielen Dank, Frau Steinbach!

    Erika Steinbach ist eine der wenigen Politiker mit Prinzipien, was sie zu einem Leuchtturm in einem Meer aus Karrieristen, Opportunisten und Kanzleradlaten macht. Dafür spreche ich ihr meine höchste Anerkennung aus. Leider hat sie zu spät begriffen, dass das u.a. von ihr initiierte Zentrum gegen Vertreibung in der eigenen Partei wie auch in allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien unerwünscht ist. Und zwar von Anfang an, denn eine öffentliche Darstellung der Vertreibungsverbrechen würde das verordnete dogmatische Geschichtsbild angreifen und zu unbequemen Fragen führen wie: Warum konnten Millionen Menschen, vor allem Frauen, Kinder und Alte, ungestraft ermordet, vergewaltigt, gefoltert, vertrieben, wissentlich in den Tod getrieben werden? Warum wurde eine bis zu 800-jährige Kultur vollständig ausgerottet? Warum wurden von Deutschen begangene Morde, Folterungen, Vertreibungen… als Verbrechen bezeichnet, von Polen, Tschechen, Russen… begangene Morde, Folterungen, Vertreibungen… aber nicht?… Wenn der Bund der Vertriebenen der Nachwelt eine Dokumentation der Verbrechen an Deutschen hinterlassen will, sollte er sofort aus der Stiftung aussteigen und in Eigenregie eine Dokumentationsstelle einrichten. Es muss nicht Berlin sein, wichtig ist, dass so schnell wie möglich etwas geschieht, weil die Zeitzeugen aussterben. Im Volk ist sicher viel mehr Unterstützung zu finden. Denn wie der Fall Sarrazin zeigt, gibt es einen eklatanten Unterschied zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung. Handeln Sie, Frau Steinbach! Ich unterstütze Sie, wo es mir möglich ist!
    Schreibt … aus Greifswald

  9. Die o.s. geistigen Verirrungen im Zusammenhang mit der deutschen Geschichte und dem Verbrecherverein des „Bund der Vertriebenen“ entstammen der Feder von Thorsten Filter, Lektor am FMZ. Mich persönlich wundert nicht, dass viele Deutsche sich die Vergangenheit so zurechtdrehen, dass man nach zwei heraufbeschworenen Weltkriegen, der Shoa und allem anderen immer noch als Opfer dastehen kann und mit dem Finger auf andere zeigt. Dass solch vergessliche arme Würste aber auch im Personal einer Hochschule scheinbar keine Ausnahme sind, stimmt mich nachdenklich.
    Der Bund der Vertriebenen ist übrigens nicht mehr als eine Lobby für Geschichtsklitterer. Nach eigenen Angaben steht er für mehr als 4 Millionen Vertriebene, realistische Schätzungen gehen davon aus, dass sich maximal 30.000 Menschen durch Steinbachs Haufen vertreten fühlen. Interessante Berichte dazu auf „blick nach rechts“ – kann ich auch Herrn Thorsten Filter nur wärmstens empfehlen.

  10. warum isn die abstimmung schon dicht? -.-
    jedenfalls ein überfälliger schritt…und die uni war ja nichmal besonders schnell damit. es gibt da so orte, die allgemein nicht unbedingt mit geistigen höhenflügen in verbindung gebracht werden, da is thor steinar tragen schon länger verboten. ich meine fußballstadien ;>

  11. hm…grad ma die „diskussion“ im spiegel forum zum artikel den die verzapft haben gelesen…irgendwie echt ziemlich gruselig. wo haben solche leute ihr weltbild her?

  12. ich finde es schwachsinn jeden der z.b eine bomberjacke anzieht gleich als nazi zu bezeichnen …wenn die nazis bespielsweise äpfel sehr mögen würden ,dann dürfte man auch keinen apfel mit in die uni nehmen…man sollte mehr differenzieren

  13. Also an Symphatiebekundungen gegenüber Thilo Sarrazin kann ja wohl nichts schlechtes sein! das können nur naive multikultigutmenschen schlechtheissen! thor steinar ist nicht offiziell neonazikleidung und aucht nicht verboten- da kann die uni nicht ihre eigenen gesetze machen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert