Frank und frei: Disziplinierungsmaßnahme innerhalb der Greifswalder CDU-Fraktion

Rechtsanwalt Frank Hardtke (CDU) ist raus aus dem Fraktionsvorstand. So schnell hatte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Technisches Rathaus – ein Gremium auf der Suche nach den Gründen für die massive Kostensteigerung des gleichnamigen Großprojektes – wohl nicht mit dem Misstrauen seiner Parteikollegen gerechnet.

Die Greifswalder CDU-Fraktion ist ihm gegenüber jetzt ganz auf Liebesentzug eingestellt und hat in den letzten 48 Stunden ihre Aufmerksamkeit von der hiesigen Anti-AKW-Bewegung abgewandt und nun auf den Juristen gerichtet. Die Vermutung der darüber zuerst berichtenden Ostsee-Zeitung, Hardtke hätte seine Fraktion „intellektuell überfordert“, wird in einer eilig veröffentlichten Pressemitteilung entschieden zurückgewiesen.

frank hardtke abgewählt!(Originalfoto: David Voessing/webMoritz)

Im gleichen Absatz der stürmischen Verlautbarung wird mitgeteilt, dass von dem Rechtsanwalt „nur eine Anregung zu einer Beschlussvorlage in der Bürgerschaft gekommen“ sei – zur Stellungnahme bezüglich der Kampfsportart „MMA“. „Das überraschende Engagement Hardtkes für diese „Sportart“ hat tatsächlich einige Fraktionsmitglieder „geistig irritiert““, so die Pressemitteilung weiter.

PROBLEM, PROBLEM: FEHLENDE LOYALITÄT UND „ZUKUNFTSORIENTIERTE KRITIKFREUDIGKEIT“

Als Abwahlgrund wird Hardtke fehlendes Engagement und häufige Abwesenheit bei den Fraktionssitzungen vorgehalten. Die Ostsee-Zeitung zitierte am 14. April den Präsidenten des Unternehmerverbandes Vorpommern, Gerold Jürgens, der meinte, „es wäre der Greifswalder CDU zu wünschen, dass sie kritische Visionäre nicht ausgrenzt, sondern sich mit solchen Köpfen auf einen Neuanfang besinnt – weg von den alten Zöpfen“ und hält den Vorwurf fehlenden Engagements „schlicht für vorgeschoben, um den eigentlichen Grund zu verbergen“. Nach Einschätzung Jürgens‘ dürfte „die zukunftsorientierte Kritikfreudigkeit“ des Professors der CDU Greifswalder ein Dorn im Auge gewesen sein.

Dafür, dass Hardtkes „zukunftsorientierte Kritikfreudigkeit“ zum Problem wurde, spricht auch ein Satz, welcher in der ungewohnt langen und durchstrukturierten Pressemitteilung beinahe unterzugehen droht: „Darüber hinaus wurde fehlende Loyalität als Abwahlgrund benannt.“ Gleich im nächsten Punkt beeilt man sich allerdings zu dementieren, dass die Tätigkeit von Hardtke als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses etwas mit seiner Abwahl zu tun hätte – wer nicht auf Linie bleibt, lernt eben fliegen.

putin versus hochschild

Die Grünen nehmen Frank Hardtke in Schutz und stellen fest, dass seine Zustimmung zur Fernwärmesatzung und dem damit verbundenen Klimaschutzkonzept als Ganzem – gegen die Mehrheit seiner Fraktion – vielleicht einige stärker getroffen habe, als man annehmen möchte.

Zum Vorwurf mangelnden Engagements bemerken die Grünen-Blogger süffisant, dass man gespannt sein dürfe auf die – sich in der Folge zwangsläufig ergebenden – personellen Probleme, die aufkämen, wäre Eigeninititative tatsächlich ein wesentliches Kriterium der CDU Greifswald: jener Partei also, die nach eigener Auskunft schon seit Jahren Ordnungsgelder für Mitglieder vorsähe, welche verpflichtende Sitzungen versäumten. Seit 2004 sei aber kein solches Ordnungsgeld festgesetzt worden und vermutlich hätte den Querulanten Hardtke auch nicht einmal mehr eine ermahnende Strafzahlung zurück auf pechschwarzen Kurs gebracht.

GOLDGRUBE ODER MILLIONENGRAB – DAS TECHNISCHE RATHAUS

Doch jenseits von Fernwärme und Klimaschutz dürfte sich Hardtke mit seinem Engagement im Untersuchungsausschuss, in dem seit Mai 2010 Unklarheiten über das Großprojekt beseitigt werden sollen, aus der Fraktion geickst haben. Dieses Ausschusses hätte es nach Auffassung einiger CDU-Mitglieder nicht unbedingt bedurft.

Im Infoblatt für den Kreisverband heißt es zum Thema Kostensteigerung und Untersuchungsausschuss unter der Überschrift Tumult um das Technisches Rathaus lapidar: „Die genaue Begutachtung hat ergeben, dass es zwar tatsächlich zu Kostensteigerungen gekommen ist, diese sich für die Stadt aber weit weniger dramatisch auswirken als behauptet“.

Und dann wird wie gewohnt ein- und zugeschnappt:

„Zudem hängen diese nicht nur mit vermeintlich schlechtem Management zusammen, sondern zum Beispiel auch mit Sonderwünschen wie dem nach einer Geothermieanlage. Interessanterweise kommen derartig Wünsche gerade aus der Ecke derer, die gleichzeitig lautstark den Missstand beklagen und anderen dafür die Schuld in die Schuhe schieben.

Reagiert man so, wenn man gerade eine Teuerung von über 100 Prozent verzapft hat?

entwurf technisches rathaus greifswald(Originalbild: Infoblatt CDU-Kreisverband, 02/2010)

Im alten Postgebäude am Markt sollte zukünftig der Großteil der Stadtverwaltung Platz haben und sich im Stadtzentrum konzentrieren. Die anfänglich auf sechs Millionen Euro bezifferten Baukosten stiegen unaufhörlich an und führten schließlich zu einer Unterbrechung der Bauarbeiten. Inzwischen werden die Kosten auf 14 Millionen Euro geschätzt, hinzu kommen über den eigentlichen Bau hinausgehende Ausgaben, die den Preis des Gesamtprojekts über die 16-Millionen-Euro-Grenze bringen.

Schon 1998 fand in der Sparkasse ein Treffen statt, bei dem neben dem damaligen Direktor auch Vertreter des Architekturbüros PHS, der Greifswalder Wohnungs- und Herbergsgesellschaft (jetzt WVG), der Firmen ISO-RÜST und Domizil Bauregie sowie ein Unternehmensberater anwesend waren. Hier vereinbarte man damals in eingeschworener Runde, Dritte vom lukrativen Bauprojekt auszuschließen.stolpe connection vereinbarung technisches rathaus greifswald

Quelle: Die Grünen

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Für ISO-RÜST saß damals übrigens der Gerold Jürgens am Verhandlungstisch, der später Präsisident des Unternehmerverbands Vorpommern werden sollte und nun den geschassten Frank Hardtke in Schutz nahm. Der Honorarprofessor wiederum dürfte durch seine Abwahl plötzlich in den Genuss von etwas mehr unverplanter Freizeit gelangen. Vielleicht nutzt der Experte den nun gewonnenen Freiraum und knüpft an seine letzte größere Publikation an:

Steuerstrafrecht: eine Einführung in den Straftatbestand der Steuerhinterziehung und das steuerstrafrechtliche Verfahrensrecht sowie die Steuerordnungswidrigkeiten (2006).

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Videoempfehlungen:

Einen leichtbekömmlichen Einstieg ins Thema Bauskandal Technisches Rathaus bietet der sehenswerte Beitrag des Lokalfernsehsenders Greifswald TV an. Die Zusammenfassung wurde im Mai 2010 veröffentlicht und lässt unter anderem Axel Hochschild zu Wort kommen.

Im März 2011 berichtete auch der NDR wieder einmal über das stetig teurer werdende Großprojekt. Auch dieser Beitrag sei an dieser Stelle empfohlen.


7 Gedanken zu „Frank und frei: Disziplinierungsmaßnahme innerhalb der Greifswalder CDU-Fraktion

  1. Ich wundere mich immer wieder, dass es bezüglich der „Stolpe Connection“ offenbar kein öffentliches Interesse gibt das ggf. strafrechtlich zu verfolgen.

    Das kann doch nicht legal sein oO.

  2. Ich wundere mich immer wieder, dass Mini-präsidenten und Minister dem Herrn J. huldigen und die vorpommerschen Unternehmer diesem lupenreinen Demokraten und Marktwirtschaftler folgen.

    Das kann doch nicht normal sein.

  3. @fbm und wenn mal jemand Strafanzeige stellt? Dann muss doch geprüft werden, unabhängig von öffentlichen INteresses, oder? Ach so, müsste aber ein ggf. Geschädigter sein, wenn mich mein Jura-Laienwissen nicht täuscht… ka, jemand von einer Baufirma, die nicht der Stolpe-Connection angehört z.B.?

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