Die Nachricht, dass linke Demonstranten bei der vorletzten FFDG-Demonstration unabsichtlich den Redebeitrag eines Asylbewerbers aus Ghana mit Parolen wie „Haut ab“ gestört haben, sorgte im Nachhinein für Häme, Kritik und Verwunderung. Aber was hat der Ghanaer damals eigentlich genau gesagt?
Ein Gastbeitrag von Michael Gratz
„Wir kommen wieder!! Und dann machen wir kein Halt mehr! !!“ schrieb ein Herr Ruck auf der Seite „Greifswald wehrt sich“ nach der „spontanen“ unangemeldeten Demo der Asylgegner am 21.9. Wäre er in Greifswald, brauchte er ja nicht wiederzukommen. Herr Ruck nennt sich auf seiner Facebookseite „Wuestenfuchs Rügen“. Ein Schelm, wer da an einen Nazigeneral denkt, der von den Engländern in der Wüste geschlagen wurde.
Ein Herr Bruni hakt nach: „Genauso, sind auch wieder das naechste mal in HGW dabei.?Wir werden nicht mehr weichen, denn wer Deutschland nicht liebt, der sollte Deutschland verlassen!“ Herr Bruni liebt außer Deutschland noch: Neubrandenburg wehrt sich, Schwerin wehrt sich, Wismar wehrt sich, Deutschland wehrt sich, Das Saarland wehrt sich, Rostocker Division, Dr. Frauke Petry, AfD MV, NPD-Kreisverband Nordvorpommern und viele weitere.
(Screenshot, Facebook)
Daß die beiden Herren mit Grammatik und Orthographie des Deutschen nicht auf bestem Fuß stehen, verwundert nicht, daran erkennt man ja die neuen deutschen Patrioten. Ob er wiedergekommen ist, weiß ich nicht. Am nächsten Montag kamen nur etwa 35 Leute auf den Greifswalder Marktplatz, zehnmal soviel Gegendemonstranten standen ihnen gegenüber. Die einschlägige Seite nsgreifswald hatte angekündigt: „Runde zwei des deutschen Widerstandes formiert sich zu einer erneuten Demonstration durch die Greifswalder Innenstadt.“ Zu einem Zug durch die Innenstadt kam es aber nicht, die Gegen-Wehr war zu groß. Dafür hatten sie sich etwas besonderes ausgedacht. Sie wollten laut Ankündigung nicht „für Deutschland“ oder „Gegen Asylanten“ kämpfen, sondern diesmal „Gegen Atomwaffen auf deutschen [sic] Boden“. Natürlich mit heimlichem Augenzwinkern; auf ihrer Mobilisierungsseite “Greifswald wehrt sich” erkundigt sich jemand besorgt: „Es geht natürlich Hoffentlich um das Thema was uns z.Z. Alle Ankotz und nicht um Atomwaffen“. Der Seitenbetreiber beruhigt ihn mit sechsfachem Augenzwinkern.
(Screenshot: Greifswald wehrt sich, Facebook)
Von Atomwaffen war auch auf der Demo weiter keine Rede. Allerdings hatten sie eine starke Waffe vorbereitet. In laute Sprechchöre der Gegenseite spielten sie das DDR-Pionierlied „Kleine weiße Friedenstaube“:
Kleine weiße Friedenstaube, fliege übers Land;
Allen Menschen, groß und kleinen, bist du wohlbekannt.
Du sollst fliegen, Friedenstaube, allen sag es hier,
Daß nie wieder Krieg wir wollen, Frieden wollen wir.
Fliege übers große Wasser, über Berg und Tal;
Bringe allen Menschen Frieden, grüß sie tausendmal.
Und wir wünschen für die Reise Freude und viel Glück,
Kleine weiße Friedenstaube, komm recht bald zurück!
Ja, sie riefen sogar den Gruß der Jungpioniere: „Für Frieden und Sozialismus seid bereit!“
Schmierentheater
Aber was nützt die beste Idee, wenn kein Schwein kommt? Eine bessere Idee mußte her; und sie fanden sie. Für die dritte „Montagsdemo“ der Wüstenfüchse und Friedenstauben gründete sich eine neue Seite mit dem „harmloseren“ Namen „Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit“. Aber auch dort geistert das Nazithema umher. Vor allem aber fanden sie eine ganz große Inszenierung. Diesmal waren es etwa 80. Rund 120 Polizisten aus über 12 Polizeifahrzeugen mit Schweriner Nummer standen um den Platz herum und hatten die wiederum ungleichen „Lager“ weiträumig mit Gittern abgesperrt. Zu Beginn Musik von der rechten Seite für alle, Friedenslieder, Udo Lindenberg, sie stehn sich gegenüber, sie könnten Freunde sein… in diesem Atomraketenland usw. Dann sagt der Häuptling: den Anweisungen der Polizei ist strikt Folge zu leisten. Dann verstand man auf der andren Seite nichts mehr.
Die 80 oder 100 „Friedensfreunde“ standen diesmal mit dem Rücken zu ihren Gegnern am Ostrand des Marktplatzes, Außenstehende konnten nicht einmal ihre Transparente sehen. Keine „Demonstration“ (denn da zeigt man ja vor, wofür man steht), eher ein Appell, wo eine Gruppe im Karree um ihren Führer versammelt ist, der sagt, wos langgeht. Weil man auf der anderen Seite des Marktes nicht einmal die Lautsprecherrede verstehen konnte, ging ich zu ihnen hinüber. Als ich ankam, wurde gerade ein Afrikaner vorgestellt, ein Asylant aus Ghana, sagte der Häuptling der – soll man jetzt sagen Asylfreunde?
Der Ghanaer sprach auf Englisch zu ihnen. Nach einigen Minuten kam eine Frau zu der neben dem Afrikaner stehenden Dolmetscherin und sagte ziemlich ärgerlich, wenn der so lange redet, müßte man wenigstens übersetzen was er sagt, denn das verstünden nicht alle. In der Tat, den Eindruck konnte man haben. Fortan wurde jeder Satz ins Deutsche übersetzt. Und dann geschah, was kommen mußte und was der Sinn der Inszenierung war. Die Gegendemonstranten, die nichts sehen und hören konnten, riefen ab und zu ihre Parolen, diesmal: HAUT AB, HAUT AB! Und der Häuptling der Asylgegner (oder neubekehrten Asylfreunde?) rief ins Mikrofon: „Sie rufen ‚Haut ab!‘. Aber das machen wir nicht, nur weil die linksgrünen Zecken das wollen!“ Gröhlender Beifall, endlich verstanden sie mal was, lange genug mußten sie den Asylfreund mimen, das Englisch hatten sie lange fast stumm angehört, jetzt wars aus ihren Herzen gesprochen, ordentlich Deutsch, wie man sagt.
Was steht in der Zeitung?
Nicht nur ich und viele Polizisten waren da, sondern offenbar auch die Ostsee-Zeitung. Schon am nächsten Morgen teilt sie ihren Lesern mit:
„Zum dritten Mal in Folge hatten „besorgte Bürger“ eine Kundgebung angemeldet. Die 120 Teilnehmer vor der Volksbank demonstrierten für „Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit“ und kritisierten z.B. die Flüchtlingspolitik des Bundes. Auf der anderen Seite standen etwa 400 Gegendemonstranten, die für eine Willkommenskultur einstanden. In Richtung ihrer vermeintlichen Gegner brüllten sie lautstark Parolen wie „Haut ab“, ohne zu wissen, dass dort gerade ein Asylbewerber aus Ghana am Mikrofon über sein Schicksal berichtete.“
Streiten wir nicht über Zahlen. Die „besorgten Bürger“ „demonstrierten“ und „kritisierten“ und ihre „vermeintlichen Gegner“ „brüllten lautstark“, schreibt die Zeitung. Ein Klassebeispiel für investigativen Journalismus. (Leise brüllen geht auch schlecht, das mal nebenbei). Was hat der Asylbewerber aus Ghana denn gesagt, für die Leser nicht interessant? Warum Asylkritiker einen Asylbewerber sprechen lassen, keine Überlegung wert? Warum sie ihn versteckten vor ihren Gegnern, nicht aufgefallen? Warum ein Asylbewerber aus einem „sicheren Herkunftsstaat“, in dem kein Krieg herrscht und von dem kein Terrorismus ausgeht? Sagen nicht die meisten „Asylkritiker“ gerade, sie hätten ja nichts gegen wirkliche Kriegsflüchtlinge, aber…? Ja, Mensch, habt ihr keine Augen im Kopf? Mit Brecht sagen wir da: „der Mann ist blind und nicht bestochen“. Der Leser dieser Zeitung, der keine anderen Informationen hat und der Zeitung glaubt, kann jetzt sagen, die „gewaltbereiten“ Demonstranten der Gegenseite hätten einen Asylbewerber niedergebrüllt. Man kann mit Teilwahrheiten lügen. Ostsee-Zeitung lügt, es war anders, und sie sagt nicht die Wahrheit, denn ihre Leser haben ein Recht zu erfahren, was auf ihren Straßen passiert.
Was der Afrikaner auf der Anti-Asyl-Demo gesagt hat
„Die Deutschen sind gute Menschen, deshalb komme ich zu ihnen als meinen Brüdern und Schwestern, versteht ihr, aber… um zur Sache zu kommen… die politische Unterstützung … und das Asylsystem … die Leute im Büro des Asylantenheims sind die falschen Leute, denn sie diskriminieren die Leute. Es geht nicht um Hautfarbe, ich bin schwarz, ihr seid weiß, wir sind alle Menschen, versteht ihr? Ich bin nicht als Krieger hergekommen, ich bin nicht vor dem Krieg geflohen, ich bin hergekommen weil ich die Deutschen liebe, was sie tun um das System zu verbessern. Leute die aus Kriegszonen hierherkommen wie aus Syrien, aus, äh, Afghanistan, aus Irak, wo es Kriege gibt und Terroristen, wenn man die einlädt, werden sie das hierher bringen. Wir kommen in Frieden, wir sind keine Terroristen, wir suchen Sicherheit… Aber warum bevorzugen sie die Leute aus den Terrorzonen und nicht die Leute aus friedlichen Zonen, die in Frieden mit den Deutschen leben wollen, wirklich. (Zwischenrufer: yeah! vereinzelter Applaus) Das macht einen krank, wenn ihr versteht, was da los ist, in dem Asylantenheim, was ich sagen will ist, die Beamten, die dort sitzen, die machen ihre Arbeit nicht, denn bevor sie dich nach Orten wie Horst bringen, nehmen sie dir Blut ab, um zu testen ob du krank bist, sagen sie, aber sie übertragen Tuberkulose und HIV, sie stecken uns an (…).“
An dieser spannenden Stelle kam ein Polizist, fragte mich, ob ich „dazugehöre“, und als ich verneinte, verbot er mir die Ansprache weiter aufzunehmen. Ich versuchte einzuwenden, aber der spricht hier öffentlich und die Leute dürfen wissen was er sagt, aber der Polizist meinte, ich dürfe nicht, „es sei denn, Sie können sich als Presse ausweisen“. Leider habe ich vergessen, den Polizisten nach seinem Namen zu fragen. Ich nehme mir vor, das nie wieder zu vergessen, wenn mir ein Polizist etwas verbietet, was regelmäßig bei Anti-Nazi-Demos vorkommt, nie, nie gabs in meiner Nähe Gewalt von Demonstranten, auch nicht von mir, aber die Polizisten tun auch nur ihre Arbeit. Ich hätte wenigstens sagen können, ich bin Blogger und berichte über das, was nicht in der Zeitung steht.
Bis hierhin war die Ansprache auf Englisch. Ich glaube, sogar für die Asylkritiker, egal ob aus dem „nationalen“ oder bloß bürgerlich-asylkritischen Lager, war es besser, daß sie nicht alles genau verstanden, vielleicht war es sogar so geplant, weil sie ihn so lange ohne Übersetzung sprechen ließen. Er erzählte noch, daß die Polizei nachts grundlos ins Asylantenheim kommt, daß sie dort wie Sardellen zusammengepfercht sind, solche Sachen. Es hätte der Anfang eines offenen Gesprächs sein können, aber es war nur eine Schmierenkomödie vor im Karree angetretenen Befehlsempfängern, die am Ende froh waren, daß sie applaudieren konnten, als auf Deutsch der Gegenseite zugerufen wurde, „dann sollen sie doch abhauen aus Deutschland“. Zum Schluß, gegen 19 Uhr, spielen sie die Nationalhymne, dann brüllen sie: Doitschland, Doitschland! Dann verkrümeln sie sich leise weinend einer nach dem andern. Um 9, als sie alle weg sind, stehen noch rund 100 auf der Gegenseite des Marktes. Sicher ist sicher.
(Fotos: Michael Gratz)
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Michael Gratz arbeitete viele Jahre als Literaturwissenschaftler an der Universität Greifswald und ist Herausgeber von Lyrikzeitung & Poetry News.
Danke Michael. Herrlich geschrieben und nun freu ich mich auf die weisen Worte des Zeugen Jehovas. Im Universum sind seine ersten Versuche der Bekehrung schon gescheitert. Entweder weil er die Sinnlosigkeit erkannte oder weil Herrn B. aus W. die Worte ausgingen. Viele Grüße, bis Montag? bigi
Der Wüstenfuchs war also ein Nazigeneral. Soso. Und warum wurde Rommel dann als Beteiligter am Stauffenberg-Widerstand 1944 von Hitler zum Selbstmord gedrängt? Echt peinlich, solches Nichtwissen.
Der Wüstenfuchs als General! Vielleicht nochmal das eigene Nichtwissen kritisch hinterfragen, insbesondere, was Rommels Beteiligung am Stauffenberg-Attentat und die generelle politische Verortung Claus Schenk Graf von Stauffenbergs betrifft. Sonst wird es an dieser Stelle wirklich etwas peinlich…
Jetzt bin ich aber interessiert: Was war denn die „generelle politische Verortung Stauffenbergs“ am 20. Juli 1944? Beendigung des Krieges und der Judenverfolgung? Wiederherstellung des Rechtsstaats? Allparteienregierung unter Beteiligung von SPD und KPD?
Warum kommt man als Linker nicht mit dem Gedanken klar, dass der Konservative Stauffenberg hinzugelernt hat und fast im letzten Moment den von Deutschland begonnenen Krieg beinahe beendet hätte? Warum kann man das nicht einfach würdigen?
wer sagt denn, daß man das nicht kann? hier war nur auf die behauptung zu antworten, rommel wäre kein „nazi“general gewesen.
daß jemand, den der führer der „nationalsozialistischen deutschen arbeiterpartei“ nacheinander zu mehreren generalsrängen bis zum höchsten ernannte und der dem führer der nazipartei den treueeid leistete, kein nazigeneral war, kann nur jemand glauben, der denkt, nazis wären eine griechische sekte, wie heute oft auf kommentarspalten einschlägiger webseiten gesagt wird. versuchen sies doch mal mit büchern!
Hm. Aber wer Anderen vorwirft, die deutsche Sprache nicht zu beherrschen, sollte wenigstens selber richtig Rechtschreibung und Grammatik verwenden. Peinlich für Literaturwissenschaftler. Falls das überhaupt stimmt. Übrigens. Die konsequente Weigerung, statt dem seit 2002 verbindlichen „ss“ weiterhin „ß“ zu schreiben, ist ein typisches Merkmal der kritisierten Kreise.
Sie sind unterhaltsam. Übrigens.
danke. Wollte damit lediglich ausdrücken, dass ich nicht glauben konnte, dass ein Germanist das geschrieben haben soll. Übrigens. Kannst deinen Blogger-Kollegen ja darauf aufmerksam machen, dass er seiner Impressumspflicht nicht nachkommt. Ich hoffe, es wird dem Gerne-Groß zum Verhängnis.
anders als herr „edwardo“ bin ich nicht inkognito unterwegs, er muß sich keine sorgen machen, auf meiner seite steht klar, wer sie herausgibt. herr edwardo stellt immerfort falsche behauptungen in den raum, nach denen ich meiner rechtschreib- und impressumspflicht nicht nachkäme. ob er vom bloggen ahnung hat, weiß ich nicht, von grammatik und orthographie hat er nicht viel. anscheinend deshalb seine lieblingsthemen.
Einfach mal einen Spaziergang machen, den Sonnenuntergang beobachten, ein Tier streicheln oder sich ein Stück Kuchen genehmigen. Das gibt Lebensfreude und schon den Adrenalin-Haushalt, denn bekanntlich schallt es ja gerne so groß raus, wie es reinschallt.
„anderen“ schreibt man klein
„Statt“ verlangt den Genitiv, lieber Edwardo. Und schriftsprachlich verwenden Sie besser „selbst“ statt „selber“.
Keine Ursache.
Tja, das ist der Unterschied zwischen Standardsprache („Wegen des …“ und „selbst“) und der Alltagsprache (wegen dem .. und selber). In 20 Jahren hätte ich recht, jetzt leider Sie. 😉 Gratz würde dann aber immer noch „daß muß“ schreiben.
das ist der unterschied zwischen meinung und wissen. „daß muß“ ist nach alter und neuer rechtschreibung falsch und wird auch in 20 jahren nicht richtig
Guten Morgen Edgar,
warum denn so zurückhaltend anonym? Der Avatar bleibt die
ZeitenDecknamen/Ökelnamen ändern sich. 😉http://blog.offelnet.de/wenn-zucht-zur-qual-wird/#comment-109
sagt mal jemand der ostseezeitung, daß man jemanden, den man nicht wahrnimmt, „daher“ nicht ausbuhen kann? Das stand gestern in der Zeitung: „Dass gerade ein Flüchtling spricht, hatten wiederum die Demonstranten auf der Seite der Asylfreunde nicht bemerkt und ihn daher ausgebuht.“ Daher also! über den rest der „information“ schweige ich lieber.