Offener Brief des Senates der Universität Greifswald an den Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern

Offener Brief des akademischen Senates der Universität Greifswald an den Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, 26. November 2013

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Herr Sellering,

anlässlich seiner Novembersitzung hat sich der Akademische Senat der Universität Greifswald mit den drohenden Konsequenzen aus der Finanzierungskrise der Universitäten des Landes Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt.

Die absoluten Zahlen dürften Ihnen bekannt sein: In Greifswald − das heißt an der Universität UND in der Stadt und ihrer Umgebung − ist die Bestürzung groß, dass 44 wissenschaftliche Mitarbeiter im Universitätsbereich, nimmt man die Universitätsmedizin hinzu, 77, in den nächsten zwei Jahren nicht beschäftigt werden können.

hauptgebäude universität greifswald(Foto: grenzfrequenz via Flickr)

Es geht hier um die Schwächsten im Wissenschaftssystem, die aber gleichzeitig DIE Leistungsträger nicht nur im Hochschulwesen sind: 77 junge Nachwuchskräfte, Familienmütter und -väter, junge Menschen, die in dem von Ihnen regierten Bundesland Geld investieren, bauen, leben, sich für ältere Generationen und Schwächere einsetzen, die die Kultur dieses Landes ehrenamtlich unterstützen und das Bild eines fröhlichen, bunten, gesunden und jungen Bundeslandes prägen, mit dem seitens der Landesregierung gerne geworben wird. „Offener Brief des Senates der Universität Greifswald an den Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern“ weiterlesen

Greifswalder erinnern an den ermordeten Obdachlosen Eckard Rütz

Heute Nachmittag fand vor der Mensa eine Gedenkveranstaltung des Bündnisses Schon vergessen? statt, bei der etwa 70 Personen an das Schicksal des vor dreizehn Jahren von Neonazis ermordeten Obdachlosen Eckard Rütz erinnerten. Zu ihnen sprachen Dompfarrer Matthias Gürtler und ein Vertreter der Gruppe Defiant.

Gürtler verdeutlichte in seiner Rede die Parallelen zwischen den Euthanasiemorden während der NS-Zeit und dem Mord an Rütz. Im Redebeitrag der Gruppe Defiant wurde versucht, darzustellen, wie die kapitalistische Leistungsgesellschaft und ihre Verwertungslogik Bedingungen für Ausschlüsse und Stigmatisierungen schaffen. Auf das Missverhältnis zwischen Todesopfern rechter Gewalt und ihrer Erfassung in offiziellen Polizeistatistiken wies schließlich eine Vertreterin des Bündnisses Schon vergessen? hin, die die Veranstaltung moderierte.

Eckhard Rütz Greifswald

(Foto: Fleischervorstadt-Blog)

Nachdem um 17.45 Uhr die Glocken des Doms und der Marienkirche geläutet hatten — die anderen Kirchengemeinden haben sich nicht überzeugen lassen, ihre Glocken einzusetzen — legten Teilnehmerinnen der würdigen Gedenkveranstaltung Kränze und Blumen am Gedenkstein für Eckard Rütz nieder.

„Wir wollten ihm nur eine Lektion erteilen, dabei haben wir ihn leider totgehauen“

Eckard Rütz wurde in der Nacht vom 24. zum 25. November 2000 am Mensavorplatz von drei Neonazis angegriffen, die ihm mit armdicken Holzpfählen mehrmals auf den Kopf schlugen, bis er sich nicht mehr bewegte. Aus Angst vor einer Anzeige kehrten die zwischenzeitlich geflohenen Täter zurück und traten erneut auf den Obdachlosen ein, der kurz darauf an seinen Kopfverletzungen verstarb, die so verheerend gewesen sein sollen, dass der Schädel bei der Obduktion auseinanderfiel.

Schon vergessen?

Vor Gericht erklärten die Täter später, dass Rütz dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche gelegen hätte und dass man ihm eine Lektion erteilen wollte. Die Urteile fielen mit sieben-, siebeneinhalb- und zehnjährigen Freiheitsstrafen verhältnismäßig milde aus.

Rütz war nicht der erste Greifswalder Obdachlose, dessen Leben im Jahr 2000 gewaltsam genommen wurde — wenige Monate zuvor wurde Klaus-Dieter Gerecke in der Gützkower Straße von drei jungen Erwachsenen getötet. Das Bündnis Schon vergessen? hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an Eckard Rütz und Klaus-Dieter Gerecke wach zu halten, einen dauerhaften Ort des Gedenkes zu etablieren und sich für eine nachhaltige Gedenkkultur einzusetzen.


Nordkurier-Suchspiel: Ich sehe was, das du nicht siehst

Der Nordkurier berichtete in der vergangenen Woche von einer studentischen Mahnwache vor der SPD-Geschäftsstelle in Greifswald. Bei strömendem Regen setzten dort alle sieben Anwesenden mit ihrem entschlossenen Protest ein lautstarkes Zeichen in Richtung Landesregierung, deren Ministerpräsident durch dieses Muskelspiel nun vor dem gewarnt sein dürfte, was ihm blüht, wenn weiter gespart wird.

Nordkurier Mahnwache von Studierenden in Greifswald(Foto: Michail Fotokehagias)

Natürlich blieb es nicht bei den sieben demonstrierenden Studierenden auf dem Foto — binnen kürzester Zeit erhöhte sich nämlich deren Zahl auf mehr als das Dreifache (webMoritz), das Sechsfache (Ostsee-Zeitung) oder sogar auf fast das Dreißigfache (Nordkurier). Nach nicht weniger als 15 Minuten wurde die vom AStA organisierte Protestaktion wieder beendet. Was blieb, war der strömende Regen.

  • Studentenprotest bei Sellering (Nordkurier, 20.11.2013)
  • Sellering lässt Studenten im Regen stehen (symbolisch) (webMoritz, 20.11.2013 )

Auf der Flucht: Radfahrer überfällt Sparkasse und tritt in die Pedale

Morgens, 09.45 Uhr in Greifswald. Ein bis jetzt noch unbekannter Mann betritt das Hauptgebäude der Sparkasse Vorpommern am Gorzberg und verlangt von einer 56-jährigen Bankangestellten die Herausgabe von Bargeld.

Doch die in Empfang genommene Beute reichte dem mit einem pistolenähnlichen Gegenstand ausgerüsteten Räuber nicht — er stromerte hinter den Serviceschalter, um noch mehr Geld an sich zu nehmen und aufzustocken.

(Foto: Rödi / pixelio.de)

Anschließend verließ der vermummte Räuber das Sparkassengebäude und flüchtete — wie sollte es in einer Fahrradhauptstadt auch anders sein — mit einem grünen Fahrrad und mehreren tausend Euro Bargeld in unbekannte Richtung. Die umfangreichen Fahndungsmaßnahmen der Polizei, die den Fahrradfahrer mit einem Hubschrauber, Fährtenhunden und mehreren Funkstreifenwagen suchten, blieben bislang erfolglos.

Die Polizei bittet nun die Bevölkerung um Hinweise auf den Täter. Dieser wurde von Zeugen als zirka 1,90 Meter großer,  schlanker Mann beschrieben, der mit einer grünen Regenjacke sowie  schwarzen Schuhen und einer schwarzen Hose bekleidet war. Bei Facebook amüsierten sich zahlreiche Nutzerinnen über das ortsübliche Fluchtfahrzeug. Der betroffenen Bankangestellten geht es inzwischen hoffentlich wieder etwas besser. Endlich mal was los!

  • Raubüberfall auf Sparkasse in Greifswald — Täter flüchtet mit mehreren tausend Euro Bargeld – Polizei bittet um Mithilfe (PM Polizei, 20.11.2013)
  • Vermummter flieht mit grünem Fahrrad (Nordkurier, 20.11.13)

Löschner, Backhaus, Pressekodex — über die Wirksamkeit von Anonymisierungen

Stellen wir uns mal diese Zeitungsmeldung vor:

Bruder von Löschner wegen illegaler Downloads verurteilt 

(Greifswald) Am Montag wurde der in Greifswald lebende Theaterbeschäftigte Sascha L. vor einem Gericht unserer Wahl wegen zahlreicher Verstöße gegen das Urheberrecht verurteilt. Dem 44-jährigen Internetkriminellen droht nun die Zahlung einer Geldstrafe in fünfstelliger Höhe.

Sascha Löschner Theater Vorpommern Portrait

Dabei hatte Sascha L., der gemeinsam mit seinem Bruder, dem Intendanten Dirk Löschner, zur Spielzeit 2012/13 an das Theater Vorpommern kam — der aber überhaupt nicht in Greifswald wohnt — noch Glück im Unglück, denn gegen ihn wurde auch unter anderem wegen gewerblicher Piraterie ermittelt. Sascha L. wurde vorgeworfen, in der vergangenen Spielzeit mehr als 800 Fernsehserien illegal heruntergeladen haben, eine aktive Verbreitung des urheberrechtlich geschützten Materials konnte ihm bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht nachgewiesen werden.

“SOWEIT EINE ANONYMISIERUNG GEBOTEN IST, MUSS SIE WIRKSAM SEIN”

Dr. Sascha Löschner ist natürlich Chefdramaturg am Theater Vorpommern und kein Internetkrimineller – und wenn, dann hoffentlich allerhöchstens wegen der Verbreitung illegal digitalisierter arte-Dokus. Trotzdem sollte dieses ersponnene und auf die Greifswalder Verhältnisse heruntergebrochene Szenario anschaulich machen, wie sinnlos Löschners Teilanonymisierung wäre, wenn sein Bruder Dirk im gleichen Kontext mit Klarnamen, Funktion und familiärer Beziehung erwähnt wird.

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„To the Grass Roots of Pomeria“: Baltischer Reggae-Gipfel im IKUWO

Vor 20 Jahren stand das inzwischen legendäre Al-Haca-Soundsystem zum ersten Mal unter diesem Titel hinter den Plattentellern. Damals, im Jugendzentrum Klex, hätten sich die beteiligten Akteure wohl kaum vorstellen können, dass sie zwei Jahrzehnte später — nach diversen Auseinandersiedlungen und Reunionsbemühungen — die, parallel zu Polen verlaufende Achse Al-Hacas, die von Greifswald über Berlin bis Leipzig reicht, reanimieren würden.

Zum zwanzigjährigen Jubiläum geht es zurück zu den eigenen Wurzeln, den „Grass Roots of Pomeria“ am mächtigen Ryck. Al-Hacas Bindung zur polnische Dub- und Reggaeszene ist lange gewachsen; und das nicht erst, seit der aus Polen stammende MC RQM zur Gruppe stieß. Der Titel der heutigen Abendveranstaltung im Rahmen des Polenmarkts heißt Polski Ogień; sie heißt damit genauso wie die Kooperation des deutschen Reggae-Produzenten Pionear mit polnischen Dancehall-Reggae-MCs und -Sängerinnen.

Al-Haca

Hier verschmelzen die tieffrequenten Seiten des Polenmarkts mit dem 20. Al-Haca-Jubiläum zu einem einzigartigen Reggae-Clash, der alte Greifswalder aus dem Unruhestand zurückholt und an einen DJ-Tisch mit Sternen des polnischen Reggae — wie zum Beispiel Ras Luta, Junior Stress oder Kuba 1200 — bringt, wo bereits altgediente Größen wie Pionear oder Doc Dressla auf Kollaborationen warten. Ein Abend, den man nicht verpassen sollte!

Fakten: 16.11. | 20.30 Uhr | IKUWO | 8/6 EUR (erm.)