Schneechaos in Greifswald

Rekordwinter in Greifswald. Der Deutsche Wetterdienst meldete um 13 Uhr eine Schneehöhe von 48 cm und damit die höchste Schneedecke seit dem 24. Februar 1979. Damals hatte der zur Legende gewordene Winter Ost- und Westdeutschland fest im Griff.

Eine spannende und unbedingt empfehlenswerte Dokumentation des Jahrhundertunwetters kann man sich hier ansehen.

DIE NEUE LANGSAMKEIT

Via Twitter informieren verschiedene GreifswalderInnen, dass die Supermärkte menschenleer seien. Viele Bilder werden veröffentlicht und die Leute scheinen die aufgezwungene Langsamkeit zu genießen. Die Autobahnen sind inzwischen gesperrt, der öffentliche Nahverkehr wurde eingestellt, die Züge fahren auch nicht mehr nach Greifswald. Aktuelle Informationen kann man dazu hier auf der Seite der Deutschen Bahn abrufen.

Einen Überblick der Wetterimpressionen bietet Bloggerkollege daburna an, von dem auch das nebenstehende Bild stammt.

PARTYSCHROT UND SUPPENHITS!

Auch die heute angedachte Auftaktveranstaltung der Quarks-Gedenkwoche fällt dem Schneechaos zum Opfer. Las Balkanieras können Greifswald nicht erreichen. Mit im Auto der drei Sängerinnen hätte Pionear gesessen. Der Dancehall-Produzent blieb schon vor zehn Jahren auf dem Weg zu einer Quarks-Party im Schnee stecken. So wiederholt sich Geschichte.

Das Konzert wird in genau einer Woche, also am 6. Februar, nachgeholt werden. Dessen ungeachtet wird das IKWUO heute Abend trotzdem seine Türen öffnen und zu einem fröhlich-winterlichen Trash-Gemetzel einladen. Seid dabei, wenn ab 21 Uhr Partyschrot und Suppenhits serviert werden!

„Reife Kirschen“ zeigt den Greifswalder Bahnhof

Durch Zufall bin ich auf den DEFA-Film Reife Kirschen (1972) gestoßen. Das Werk des renommierten DDR-Regisseurs Horst Seemann handelt vom Bau eines Kraftwerkes an der Ostsee und wurde offensichtlich in der Gegend um Lubmin gedreht.

Unter den Darstellern sind Größen wie zum Beispiel Eberhard Esche – in der Rolle des Dr. Ika – vertreten, der als Film- und vor allem Theaterschauspieler (z.B. Der Hase im Rausch) berühmt wurde. In den späten Neunzigern trat Esche auch im Greifswalder Theater mit seinem bzw. Goethes berühmten Reineke Fuchs auf. Cineasten kennen ihn aus Filmen wie Der geteilte Himmel (1964) oder Spur der Steine (1966).

Wer sich den folgenden Zusammenschnitt von Reife Kirschen ansieht, wird ab Minute 05:16 sehr alte Aufnahmen des Greifswalder Bahnhofes erkennen, außerdem natürlich die Boddenküste um Lubmin.

Mit Blick auf die Diskussion um den geplanten Bau des Steinkohlekraftwerkes in Lubmin stehen die gezeigten Szenen und Visionen inzwischen in einem ganz anderen Licht.

Greifswald in der Wende-Zeit

 Am 13.11. wird die Ausstellung Rückblende – Greifswald in der Wende-Zeit im Koeppenhaus eröffnet werden. Anlässlich der Ausstellungseröffnung wird um 20 Uhr ein Podiumsgespräch mit verschiedenen Akteuren von damals beginnen.

 Angekündigt wird die Teilnahme von Bernd Schröder (ehemaliger Jugenddiakon der Evangelischen Kirche), Dr. Michael Gratz (Germanist an der Universität Greifswald), Torsten ‚Mercy‘ Paape (Alternative Jugendszene), Dr. Rosemarie Poldrack (Anti-Atom-Proteste in Greifswald) und Hinrich Kuessner (Greifswalder Politiker).

Wendezeit Greifswald Jugendliche in der Wachsmannstraße

Thema des Podiumsgespräches wird die Zeit kurz vor und nach dem Mauerfall sein: „Wie werden heute, nach 19 Jahren eines vereinigten Deutschlands, die Ereignisse gesehen? Welche Bedeutung hatte die friedliche Revolution, die Öffnung der Welt, für die Greifswalder seinerzeit und welche heute?“

Die Zeit strotze vital vor Turbulenzen und beherberge die Wurzeln alternativer Greifswalder Jugendkultur, ohne die heutige subkulturelle Zusammenhänge in der Stadt nur ungenügend zu verstehen sind. Dieser Wurzelbau verschwindet aus den Gedächnissen, viele neue Wahlgreifswalder sind sich der jugendkulturellen Relevanz dieser Dekade nicht bewusst, bzw. werden diese Erfahrungen kaum bewusst gemacht.Ehemaliges AJZ in Greifswald „Greifswald in der Wende-Zeit“ weiterlesen

Greifswald erobert DIE ZEIT

In der ZEIT vom 29.10.2009 ist der ausführliche Artikel Die kleine Einheit von Christoph Dieckmann erschienen, der sich auf städtepartnerschaftliche Spurensuche begibt. Derlei Verbindungen zu anderen Städten kann Greifswald reichlich vorweisen: zum Beispiel nach Kotka (FI), Lund (SWE), Hamar (NOR), Newport News (USA) und schließlich auch nach Osnabrück.

Dieckmann skizziert die Entwicklungen Greifswalds und Osnabrücks in den zurückliegenden 21 Jahren, so alt ist inzwischen die Partnerschaft zwischen der drittgrößten Stadt Niedersachsens und Greifswald. Er erwähnt auch die mittlerweile zum Mythos gewordene friedliche Übergabe Greifswalds durch Rudolf Petershagen an die Rote Armee 1945.

Dazu kommt eine Prise friedliche Revolution 1989, ein Bissen Bürgermeistergeschichte und ein längerer Absatz zum in letzter Zeit etwas ins Straucheln geratenen Chef der HanseYachts AG, Michael Schmidt. Schließlich werden wichtige Ereignisse, wie zum Beispiel die Übergriffe auf Andersdenkende und Ausländer in den 1990ern oder die Greifswalder CDU-Spendenaffäre sehr verkürzt aneinandergereiht:

„Wir hörten von Siemens-Schmiergeldern pro CDU, vom altbundesdeutschen »Eliten«-Import und einem Milieu namens Osnabrück-Filz, von zweifelhaften Grundverkäufen, von Protesten gegen das geplante Kohlekraftwerk bei Lubmin, von den dunklen neunziger Jahren, als Asylbewerberheime und ausländische Studenten angegriffen wurden. Stetig wuchs die rechte Szene. Im Jahr 2000 wurde ein Obdachloser totgeschlagen, worauf Oberbürgermeister von der Wense — Wessi, CDU — verfügte, es sei genug. Am 14. Januar 2001 vereinte die Demo gegen Rechts 7000 Greifswalder. „

Lesenswert ist der Artikel auf jeden Fall, insbesondere was die Verquickungen mit Osnabrück betrifft. Sogar Ernst-Moritz Arndt und der Widerstand gegen den kontroversen Namenspatron der Universität werden erwähnt. Die Stadtgeschichte Greifswalds wird zusammengerafft und in Relation zu den Niedersachsen gestellt. Hier gibt es einiges zu erfahren — auch für jene, die behaupten, schon alles zu kennen.

Antisemitismus in der DDR

Heute Abend um 18 Uhr wird im IKUWO die Wanderausstellung Das hat’s bei uns nicht gegeben – Antisemitismus in der DDR für das Greifswalder Publikum eröffnet.

Die 36 Farbtafeln und die Fernsehstation sind das Ergebnis der Recherche Jugendlicher in acht ostdeutschen Städten, die bei ihren Nachforschungen mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Mitunter erinnern die Schilderungen Heike Radvans, ihres Zeichens Mitarbeiterin der Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung und Initiatorin der Ausstellung, an Michael Verhoevens Das schreckliche Mädchen.

In der offiziellen Presseerklärung lassen die Initiatoren verlauten: „Erklärungen für heutigen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern suchen Politik und Wissenschaft meist in sozialen Kontexten. Außer Acht gelassen wird jedoch häufig ein anderer Aspekt: Auch der Osten Deutschlands war Teil des nationalsozialistischen Täterlandes. Somit hatte auch die DDR sich mit diesem Erbe auseinander zu setzen. Der Staat aber erklärte die Bevölkerung zu einem Volk von Antifaschisten. So blieb der Bodensatz des Antisemitismus unangetastet. Noch bis heute hält sich der Mythos, es hätte in der DDR keinen Antisemitismus gegeben.“

Radvan wird bei der heutigen Eröffnung der Ausstellung zugegen sein, die bis Ende Juli nachmittags im IKUWO öffentlich einsehbar ist (Mi & Do 12-18 Uhr, Fr & Sa 17 -20 Uhr). Ein großes Dankeschön gilt an dieser Stelle dem Studenten und früheren Stiftungspraktikanten, der die Ausstellung nach Greifswald holte.

Mehr über die Amadeu-Antonio-Stiftung ist zum Beispiel in diesem audio-visuellen Siebeneinhalber erfahrbahr:

Interview mit Rudolf Petershagen *Update*

Die Rudolf-Petershagen-Allee ist allgemein bekannt, aber wer wird durch die Benennung eigentlich geehrt? Der im Januar 1945 zum Stadtkommandanten ernannte Wahlgreifswalder Rudolf Petershagen -er lebte seit 1938 in der Hansestadt- zeichnete 1945 für die kampflose Übergabe der Stadt an die Rote Armee verantwortlich.

Eine Greifswalder Delegation, der unter anderem als Parlamentäre der Rektor der Universität Prof. Dr. Carl Engel, der Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Prof. Dr. Gerhardt Katsch und der stellvertretende Stadtkommandant Oberst Dr. Max Otto Wurmbach angehörten, handelte in der Nacht vom 29. zum 30. April 1945 im brennenden Anklam die Kapitulation der Stadt aus.

in aufruhr - rudolf petershagenPetershagen befand sich anschliessend bis 1948 in russischer Kriegsgefangenschaft, wurde 1955, nach einer vierjährigen Haftsstrafe wegen Spionage, zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Die Verurteilung erfolgte übrigens vor einem amerikanischen Militärgericht. Petershagen verstarb im April 1969.

Der politisch rechte Ehrenbürger der Stadt war allerdings auch 1938 als Kompaniechef an der Besetzung der Tschechoslowakei beteiligt. Nach Kriegsende war er in Greifswald beim Aufbau der Nationaldemokratischen Partei (NDPD) beteilligt, die als politische Heimat ehemaliger Wehrmachtsoffiziere und unverdächtiger Nazis gegründet worden war. Später wurde er Kreisvorsitzender der Partei (lesenswerte Quelle: wikipedia).

Der Beitrag Zerstörung und Rettung in letzter Minute – Das Kriegsende in den Nachbarstädten Anklam und Greifswald (2005) von Deutschlandradio Kultur lässt die damaligen Ereignisse Revue passieren. Petershagens Autobiographie „Gewissen in Aufruhr.“ wurde übrigens 1961 von der DEFA verfilmt.

Das eingebundene Video ist aus dem Jahr 1963. Zu sehen sind ein paar wenige Eindrücke des damaligen Stadtbilds, unter anderem vom Marktplatz und vom Fischmarkt. Zudem gibt es ein Interview mit Petershagen und dem damals offensichtlich ebenfalls beteiligten Matusov. Das Interview fand, wie die feierliche Übergabeverhandlung Greifswalds, im Rathaus  statt.