Dieser Eindruck drängte sich auf, wenn man zur zweiten Aufführung des Stücks Clerks – die Ladenhüter in den halbleeren Rubenowsaal gekommen war. Ob dies einer andauernden Publikumskrise am Theater Greifswald geschuldet oder Zeugnis der Unkenntnis von 90er-Jahre-Kultfilmen ist, soll und kann hier nicht näher beleuchtet werden.
Um es gleich vorwegzunehmen: Besetzung, Bühnenbild sowie Kostüme waren zeit- und zweckgemäß. Die schauspielerischen Leistungen waren grundsolide, aber eben auch weit entfernt von grandios oder brillant. Josefine Schönbrodt, als Veronica, verkörperte dabei ihre Rolle noch am überzeugendsten. „Clerks – ein Ladenhüter?“ weiterlesen →
Seichte Unterhaltung und Klamauk ist ja nicht so meins. Zwar hab ich in meinem Leben auch schon mal gelacht, aber das meiste, was der Allgemeinheit als lustig gilt, ertrage ich lieber in grenzdebilen Zuständen und verbinde dies mit der innigen Hoffnung, vom süßen Schlaf erlöst zu werden.
Manchmal kommt man jedoch nicht umhin, sich der Komödie – in diesem Fall eher der Tragikomödie – zu stellen. So geschehen am letzten Wochenende, als mein Chef wieder seiner wahren Berufung folgte und sich beim Sommertheater zum Henry machte. Im Hof des Café Koeppen wurde auch bei der zweiten Aufführung jede Sitzgelegenheit von einem sehr gemischten Publikum in Beschlag genommen, um sich Die geheimen Leben von Henry und Alice anzusehen.
Eigentlich sollte meine erster Gastbeitrag auf dem Fleischervorstadtblog — und damit der Start der Reihe (H.)Ass ist Trumpf — gesellschaftliche Missstände, wie soziale Ungerechtigkeit, die Dominanz ökonomischer Interessen im Allgemeinen oder die Leistungsgesellschaft und ihre Verwertungslogik im Speziellen, anprangern. Doch dann kam ein Sonderling namens Holm und nun ist plötzlich alles ganz anders. Ich, undogmatischer Linker, fühle mich richtiggehend zu Lobeshymnen provoziert, obwohl mir dieses eher fremd sein sollte. Aber am besten ist, ich erzähl erst mal, wie das alles kam.
1. AKT: SONDERHOLM UND ICH
Es ist Sonntagabend kurz vor neun und ich bin — ohne wirklich zu wissen, was mich erwartet — im rappelvollen Café Koeppen, um dem Publikum der Veranstaltung Sonderholm#4 die Getränke zu kredenzen. Das Licht wird gedimmt und irgendwie komm ich mir von Anfang an ein wenig verhohnepipelt vor. Denn das Programm beginnt mit White-Trash-Literatur von genau jenem Untergrundpoeten, mit dem ich mir keine sechs Stunden zuvor die restalkoholgeschwängerten Morgenstunden versüßt habe.
Direkt im Anschluss zückt Sonderholm die Gitarre und will angeblich seinen Frieden mit mir machen, indem er ein Lied aus der trotzigen Phase meiner Lieblingsband spielt. Dadurch wird das Gefühl des Verhohnepipeltwerdens jedoch ins Unermessliche potenziert und der kleine Egozentriker in mir sucht schon die versteckte Kamera. Als der Alleinunterhalter beginnt, den Todeswunsch des Monats vorzulesen, packt mich Panik. Aber dann beruhige ich mich ein wenig, denn er gilt glücklicherweise nicht mir.
Doch Sonderholm kennt keine Gnade und nährt meine Ungewissheit, indem er nun einen Geschichtenerzähler aus meiner Heimat ins Felde führt, dessen Bücher ich regelmäßig von meinen Eltern zum Geburtstag geschenkt bekomme. Soviel Übereinstimmung mit meinen kulturellen Präferenzen kann kein Zufall sein, denke ich und mich beschleicht wieder ein fieses Unbehagen. Dieses Gefühl wird zur ausgewachsenen paranoiden Wahnvorstellung, als mir schlagartig einfällt, dass ich keine 14 Tage vorher Geburtstag hatte und mich diesmal weder bei Erzeugern noch im Freundeskreis hatte blicken lassen. Sollte ich etwa Opfer einer perfiden Überraschung durch Familie, Freunde und Kollegen werden?
Vor lauter Panik vergesse ich zuzuhören, ziehe mich in mein Innerstes zurück und fange an, die Wahrscheinlichkeit des erlebten dreifachen kulturellen Volltreffers zu berechnen. Als ich damit fertig bin, läuft schon die nächsten Nummer — Glück gehabt. „Sonderholm #4 – Scheitern als Chance“ weiterlesen →