Die Leiden des jungen R.

Dem FDP-Landtagsabgeordneten Sebastian Ratjen droht eine Strafanzeige wegen des Verdachts der verleumderischen Beleidigung des NPD-Abgeordneten Michael Andrejewski.

Was er macht, er macht es falsch. Ratjen äußerte sich in einem Interview mit der Jungle World folgendermaßen: „Wir sitzen ja im Landtag neben denen. Der Herr Andrejewksi zum Beispiel stinkt, weil er sich nicht wäscht. Ich wollte ihm schon mal ein Stück Kernseife schenken mit der Bemerkung: »Ich dachte, ein deutscher Mann wäscht sich.“ Das ist natürlich ein rüder Umgangston und wird nicht reichen, um Ratjens Image auf antifaschistisch zu eichen. Unter dem Titel „Jetzt reicht’s Herr Ratjen“ beschreibt die NPD/MV das Geschehene und erwähnt auch die geplante Anzeige.

Steinar in Greifswald Teil 10

Sebastian Ratjen entschudigte sich heute in der Ostsee Zeitung für seinen jüngsten Kommentar bezüglich der Streichung zweier Arbeitsplätze im Kontext der Thor Steinar-Debatte.

thor steinar greifswaldEr erklärte dazu: „Es war ein Fehler, aber zu viele enge Freunde von mir haben in den letzten Jahren Greifswald wegen Arbeitslosigkeit verlassen müssen, so dass ich bei der Entlassung von zwei jungen Frauen blind vor Wut war und den falschen Baum hoch bellte“ und fügte unglücklicherweise hinzu: „Natürlich sei nicht Frau Dembski schuld an der Entlassung, sondern die Neonazis, die ihre perverse Ideologie jetzt auch in die Modewelt exportierten.“

Und auf ein Weiteres irrt Ratjen durch die Debatte und verdeutlicht mangelndes Verständnis für die Situation. Nicht die Nazis sind verantwortlich für die Schliessung des Ladens, vielmehr ist es die Inhaberin selbst, die sich weigerte, sich öffentlich und vor allem konsequent von der Marke zu distanzieren.

Steinar in Greifswald Teil 9

Heute erschallte ein weiteres Mal das Echo der Leser des hiesigen Lokalblattes Ostsee Zeitung. Darin ein interessanter Leserbrief, der verdeutlicht, wie sehr die Thor Steinar-Debatte am eigentlichen Kern daneben geht.

Im Leserbrief heißt es: „Die Aussagen machen betroffen. Anhand von Textilien werden Käufer und Verkäufer in eine politische Richtung gedrängt, in der wahrhaftig nicht jeder aktiv ist. Es ist richtig, dass Thor-Steinar-Klamotten in Neonazi-Kreisen Nr. 1 sind. Aber auch Kleidung von Helly Hansen steht aufgrund der Abkürzung HH oben auf der Liste der Neonazis. Sind jetzt alle Sportler, insbesondere Segler, die Helly Hansen tragen, Nazis? Ist jeder, der ein Kopftuch trägt, Terrorist?“

Der Kopftuchvergleich macht es noch viel deutlicher als Helly Hansen. Natürlich ist nicht jeder Kopftuchträger, bzw. -um der Realität Einzug zu gewähren- jede Kopftuchträgerin, auch Terroristin. Und natürlich ist nicht jeder Segler mit HH-Jacke ein gewaltbereiter Neonazi. Der große Unterschied ist, dass Kopftücher nicht von Al-Quaida produziert und vertrieben werden, und bei Helly Hansen es sich allenfalls um eine instrumentalisierte Marke handelt. Thor Steinar ist aber im Gegensatz dazu eine von Neonazis ins Leben gerufene Marke, die nicht erst instrumentalisiert werden musste, die schon von Beginn an rechts steht. Das Problem ist ja nicht, dass rechtsextreme Dresscodes en vogue werden, sondern dass der Kauf dieser Produkte rechte Firmen stärkt.

leserbrief thor steinarWeiterhin muss der vorgestrige Beitrag nach einigen Gesprächen ergänzt werden. Erinnern wir uns kurz: Sebastian Ratjen kündigte an, sich aus Solidarität mit den womöglich von Entlassung bedrohten VerkäuferInnen eine Thor Steinar-Jacke zuzulegen. Er hätte sich auch einfach ein Paar Schuhe dort kaufen können, aber so wurde er ein weiteres Mal Gegenstand eines wütenden Leserbriefes. Weiterhin beklagte er, dass insbesondere Frau Dembski „mit dem Terror politischer Überkorrektheit“ zwei Arbeitsplätze zerstört hätte. Der Terrorbegriff ist hauchdünnes Eis und Ratjens glühende Füsse sind mitterweile bekannt. Dieter Nohlens etabliertes Lexikon der Politikwissenschaft kennt folgende Definition zu Terrorismus: „Terrorismus (von lat. terror= Schrecken, Angst und Schrecken auslösendes Geschehen), häufig mit Terror synonym verwendeter Begriff; gemeinsames Merkmal ist die Anwendung von Gewalt (Folter, Mord, gewaltsamer Widerstand) ausserhalb des legalen oder als legitim erachteten Rahmens und die Verbreitung von Angst und Schrecken zu politischen Zwecken.“

Den Begriff mit der kritischen, zivilcouragierten Öffentlichkeit in Verbindung zu bringen, welche die Thor Steinar-Debatte in Greifswald mitproduzierte, ist ein weiterer trauriger Beweis für Ratjens politische Unvernunft.

Steinar in Greifswald Teil 8

Sebastian Ratjen verwirft jede politische Vernunft. Die Besitzerin des MSC Fashionstore wird ihren Laden schließen und zwei MitarbeiterInnen entlassen. Dies hätte einfach verhindert werden können, indem sie sich öffentlich von der Marke Thor Steinar und von der Unterstützung rechter Strukturen distanziert hätte, leider war das Gegenteil der Fall.

Dass sich auch das Management der Dompassage von ihr distanziert, war vorhersehbar. Jetzt bekundet Lieblings-FDP-Mitglied Sebastian Ratjen in der Ostsee Zeitung Solidarität und plant, sich am Wochenende selbst eine Thor-Steinar-Jacke zuzulegen: „Er warf inbesondere der Koordinatorin des Greifswalder Präventionsrates, Christine Dembski vor, mit dem „Terror politischer Überkorrektheit“ zwei Arbeitsplätze vernichtet zu haben.“

Thor Steinar in Greifswald

Nicht Frau Dembski hat Arbeitsplätze vernichtet, es war die Inhaberin des Geschäfts. Wenn Sebastian Ratjen den geplanten Kauf der Jacke in die Tat umsetzen wird, dann ist klar, dass er den Terror rechter Gewalttäter damit unterstützt und potentiell an gewalttätigen Übergriffen auf potentielle Opfer beteiligt sein wird. Man darf gespannt sein. Klar ist jedenfalls, dass man sich derartige Statements als öffentliche Person nicht erlauben darf.

Sebastian Ratjens Rolle in der lokalen Thor Steinar-Debatte zeichnet das Bild eines Mannes, der sich der nachhaltigen Wirkung seiner unüberlegten Kurzschlusskommentare in keinster Weise bewusst sein kann. Die große Frage ist, wie ein solcher politischer PR-GAU rechtspolitischer Sprecher der FDP im Land werden kann. Angeblich haben sich durch seine Verlautbarungen zur Thor Steinar-Debatte schon mehrere FDP-Mitglieder von ihm distanziert und sich von der Partei abgewandt.

Steinar in Greifswald Teil 7

FDP-Kreisvorsitzender Thorsten Hoebel glänzt heute mit einem Gastkommentar in der Ostsee Zeitung und fokussiert die juristische Dimension der Thor Steinar-Debatte, zumindest versucht er es, offenbart allerdings ebenfalls Schwächen im Verständnis der eigentlichen Problematik.

Dabei ist das wirklich verwunderlich, denn ein Blick in die Leserbriefe der Ostsee Zeitung gibt eigentlich schon Hinweise zu richtigen Verstehen. Hoebel wehrt sich gegen Textilzensur und schließt das vermeintliche Instrument der Politik, den Laden zu schließen, bzw. den Verkauf zu unterbinden, aus: „Da es juristisch sowohl hinsichtlich des alten Logos und auch wegen des neuen Logos keinerlei Handhabe gibt, einen Verkauf der Marke Thor-Steinar zu untersagen, unterstützt der FDP-Kreisverband eine Forderung zur Schließung des Ladens oder aber zumindest zum Verbot des Verkaufs nicht. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage. Die teilweise in der Presse geforderte Textilzensur ist also abzulehnen.“

Hoebel hat leider nicht den Kern der Debatte erfasst. Es gab zwar seitens der Stadt die Ankündigung, Rechtsmittel bezüglich eines Verkaufsverbotes zu prüfen, allerdings ist der Misserfolg dieser Idee vorhersehbar. Die sogenannte Textilzensur bedeutet ja nicht mehr als eine gesunde Konsumverweigerung. Folgt man Hoebel, dann kann man als Demokrat diese Waren kaufen. Dann kann man aber auch bei Lidl einkaufen und noch mehr schlimme Sachen anstellen. Es geht ja genau darum, den finanziellen Zufluss in rechte Netzwerke zu stoppen.

Es ging also nicht vordergründig um Neonazis, die diese Kleider kaufen, sondern um Ahnungslose, die ihr Geld nicht in rechtsextremen Strukturen anlegen sollen. Nichtsdestotrotz wurde heute der Auszug des umstrittenen MCS Fashionstore aus der Dompassage bekannt. Ob die Inhaberin dem öffentichen Druck nicht mehr standgehalten hat, oder das Centermanagement einen Imageschaden befürchtete bleibt unklar. Ungeklärt ist auch, ob die restlichen Textilien von Thor Steinar jetzt vielleicht im zweiten Laden verkauft werden, der in Verbindung mit dem MCS Fashionstore steht: im Playaz in der Fleischerstraße.

Steinar in Greifswald Teil 6

Gestern gab es wieder Neuigkeiten zur lokalen Thor Steinar-Debatte. Sebastian Ratjen, FDP-Abgeordenter und Unglücksrabe in Sachen PR wehrte sich in der Ostsee Zeitung gegen die zunehmende Kritik.

„Was mich störte, war die reflexartige, unüberlegte Art, wie man auf die völlig unpolitische Einzelhändlerin eindrosch. Seit 17 Jahren löst ein Antirechtsprogramm das andere ab. Als Ergebnis sitzt heute die NPD im Landtag. Statt zurückzuschrecken, wenn die Neonazis anfangen historische Symbole zu missbrauchen, müssen wir sie ihnen entreißen…Wie wäre es, wenn plötzlich Farbige, Ausländer, Schwule, Lesben und viele andere Thor Steinar trügen? Würden wir damit nicht die Marke entmystifizieren?“

Vielleicht täte es der FDP besser, wenn sie Ratjen einen Maulkorb verpassen würde, denn sein jüngstes Statement beweist eindrucksvoll, dass Ratjen den Kern der Debatte missversteht. Die Kritik am Verkauf dieser Produkte zielt ja nicht darauf ab, zu verhindern, dass Leute durch ihre Kleidung ein undemokratisches Flair verbreiten. Vielmehr geht es darum, dass der Verkauf dieser Produkte rechten Netzwerken finanziell nützt. Wenn plötzlich „Farbige, Ausländer, Schwule, Lesben und viele andere Thor Steinar trügen“ würden wir der Marke vor allem ein Umsatzhoch bescheren. Herr Ratjen scheint nicht gewillt einzusehen, dass finanziell gut aufgestellte rechte Netzwerke gefährliche rechte Netzwerke seien können. Gab es nicht gerade eine Diskussion über ein Kaufersuch von Neonazis in der Nähe von Anklam, die ein rechtsextremes Schulungszentrum einrichten wollen?

Marcus Unbenannt greift diesen Gedanken ebenfalls in einem Leserbrief auf: „Thor Steinar wird nicht nur von Rechtsextremisten getragen, sondern auch von Rechtsextremisten für Rechtsextremisten produziert. Und mit den Gewinnen werden rechtsextreme Strukturen unterstützt. Deshalb ist Ratjens Vorschlag, möglichst alle mögen diese Sachen tragen, an Naivität kaum zu überbieten. Dies wäre nichts anderes als eine großangelegte Unterstützungskampagne für die rechte Szene. Und genau deshalb ist es auch richtig, darauf aufmerksam zu machen, dass diese Marke anders ist als andere und nicht verkauft werden sollte.“

Unbenannt hat natürlich vollkommen recht. Bereits vor einigen Tagen schlug Ratjen vor, man könne ein Diskussionsforum in der Stadt einrichten, um über eine Kursänderung der Marke zu diskutieren. Diese Idee halte ich für hochgradig hanebüchen. Wieso sollte eine rechte Firma plötzlich eine Läuterung erfahren? Wieso sollte sich das politische Bewusstsein dieser rechten Firma verändern? Weil Herr Ratjen ein Diskussionsforum anregt? Wohl kaum. Umso verwunderlicher ist es, dass Marian Kummerow mit auf diesen Wagen sprang und die Idee einer öffentlichen Diskussion unterstützte.

Kummerow zeichnet sich sonst durch seine Kompetenz im Umgang mit Rechtsextremismus aus, insofern verstehe ich seine Unterstützung dieser Idee als Versuch, keine Möglichkeit des öffentlichen Umgangs mit dem Thema Thor Steinar ungenutzt zu lassen. Vielleicht beweist Marian Kummerow allerdings soviel politisches Geschick, dass er Sebastian Ratjen, nach dessen desaströsen Pressemitteilungen und Interviews, nicht allein als Kämpfer gegen Neonazis antreten lassen will; aus Angst vor einem Debakel. Jedenfalls schien es eine Anfrage an Thor Steinar gegeben zu haben. Diese Einladung wurde allerdings abgelehnt. Dazu heißt es: „Da zu vermuten ist, dass wir dort lediglich an den Pranger gestellt werden sollen, haben wir darauf wenig Lust.“