Greifswald goes Grimme-Preis: DDR ahoi! #1

Aller Vernetzung zum Trotz gehen formidable Nachrichten manchmal einfach unter, als wäre nichts geschehen – so zum Beispiel vor gut zwei Wochen, als der Grimme-Preis 2011 vergeben und eine Greifswalder Produktion mit der begehrten Auszeichnung geadelt wurde. Diese Prämierung soll an dieser Stelle beglückwünscht und gleichzeitig in Kurzform vorgestellt werden.

grimme preis

Mit dem Grimme-Preis werden seit 1964 „Fernsehsendungen und -leistungen ausgezeichnet, die für die Programmpraxis vorbildlich und modellhaft sind. Leitziel der im Grimme-Preis institutionalisierten Fernsehkritik ist eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Fernsehen, das als zentrales und bedeutsames Medium mit vielfachen gesellschaftlichen Bezügen und Wirkungen verstanden wird. In diese kritische Auseinandersetzung sind alle Themen und Formen des Fernsehens einbezogen“ (Grimme-Institut).

KLEINES LAND AUF GROSSER FAHRT, UNTERWEGS AUF ALLEN MEEREN

Im Wettbewerb “Information und Kultur” wurde Lutz Pehnert (Buch, Regie) stellvertretend für sein Team mit dem renommierten Preis für die zweiteilige Dokumentation DDR ahoi! – Kleines Land auf großer Fahrt und DDR ahoi! – Unterwegs auf allen Meeren geehrt.  Hierbei handelte es sich um eine Gemeinschaftsproduktion der in Greifswald, Berlin und Leipzig ansässigen Firma Hoferichter & Jacobs, des MDR und des NDR-Funkhauses Mecklenburg-Vorpommern.

Im Zweiteiler wird der Aufstieg der DDR zur Seefahrernation erzählt. Verfügt der junge Staat am Ende des Zweiten Weltkriegs zwar über eine Küste, jedoch kaum über ein fahrtüchtiges Schiff, so wird der Beschluss, den Ostseezugang wirtschaftlich zu nutzen, dahingehend umgesetzt, dass aus dem Nichts eine Fischerei- und Handelsflotte aufgebaut wird. Absurderweise nimmt man später den 1. Platz in der Reihe der europäischen Seefahrernationen ein.

(Bild: ddr-ahoi.de)

„DIE JAHRE, DIE ICH ZUR SEE GEFAHREN BIN, HABE ICH NICHT IN DER DDR GELEBT“ (HORST SCHURE, WACHINGENIEUR)

In der Begründung der Grimme-Preis-Jury heißt es über DDR ahoi!:

„Mit Hilfe einnehmender Zeitzeugen – allesamt vormalige Seeleute und Seefrauen – und ihrem unprätentiösen und reflektierten Schnack und einer facettenreichen, mehrschichtigen Kompilation aus dokumentarischem und nichtdokumentarischem zeitgenössischen Bildmaterial, zeichnet der Autor [Lutz Pehnert] die historische Entwicklung nach und geht dabei nicht selten aufschlussreiche Ab- und interessante Nebenwege. Aufbauwille und Parteiauftrag, Überwachung oder späte Abwicklung finden ebenso Platz wie Eheprobleme, Frauen an Bord, Sturm oder Tod auf hoher See. Jenseits von DDR-Nostalgie kann er sich so einige Anflüge von Seefahrersehnsucht und Seefahrerromantik leisten. Am Ende macht der Film deutlich: Über die Weltmeere fuhren lauter kleine DDR-Gebilde. Die gesellschaftlichen Normen, Möglichkeiten und Grenzen, die es daheim und im Großen gab, wurden auf jedem Schiff mit auf große Fahrt genommen. Und dennoch existierte jenseits davon für die Menschen an Bord die Perspektive, das Land und seine bedrückende Enge zumindest temporär verlassen zu können. Blendet man den DDR-Hintergrund aus, ist das ein seit Jahrhunderten bestehendes zentrales und damit universelles Motiv für die Seefahrt.“

Die zweiteilige, wärmstens empfohlene Dokumentation wurde das erste Mal im Mai 2010 ausgestrahlt. Nach dem Klick erscheint der erste, bei youtube veröffentlichte Teil, DDR ahoi! – Kleines Land auf großer Fahrt. „Greifswald goes Grimme-Preis: DDR ahoi! #1“ weiterlesen

Judith Schalansky und ihre Inselwelten im Koeppen

Die verlorene Tochter kehrt — zumindest für einen Tag —  zurück. Heute Abend wird Judith Schalansky im Koeppenhaus aus ihrem jüngsten Werk Atlas der abgelegenen Inseln. Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde lesen, das von der Stiftung Buchkunst als schönstes Buch 2009 ausgezeichnet wurde, lesen.

Ihren Faible für das Maritime brachte sie schon mit ihrem 2008 bei mare erschienen Debüt Blau steht dir nicht zum Ausdruck, in ihrem Atlas bleibt die Greifswalderin beim Thema:

judith schalansky autorinDass es immer noch Orte gibt, die schwer zu erreichen sind, erscheint uns heute nicht mehr vorstellbar. Judith Schalansky aber hat sie gesammelt: fünfzig entlegene Inseln, die in jeder Hinsicht weit entfernt sind, entfernt vom Festland, von Menschen, von Flughäfen und Reisekatalogen. Aus historischen Begebenheiten und naturwissenschaftlichen Berichten spinnt Judith Schalansky zu jeder Insel eine Prosaminiatur, absurd-abgründige Geschichten, wie sie nur die Wirklichkeit sich auszudenken vermag, wenn sie mit wenigen Quadratkilometern im Nirgendwo auskommen muss.

Sie handeln von seltenen Tieren und seltsamen Menschen: von gestrandeten Sklaven und einsamen Naturforschern, verirrten Entdeckern und verwirrten Leuchtturmwärtern, meuternden Matrosen und vergessenen Schiffbrüchigen, braven Sträflingen und strafversetzten Beamten, kurzum: von freiwilligen und unfreiwilligen Robinsons.

Außerdem wurde dem Buch im letzten November der Designpreis der Bundesrepublik Deutschland 2011 (Silber) verliehen. Im folgenden Videointerview spricht Judith Schalansky über die Wiederentdeckung ihrer Obsessionen fürs Matrosenhafte, die Wirkung der tiefblauen Uniformen auf sie und ihre collagenartige Arbeitsweise.

Fakten: 04.02. | 20 Uhr | Koeppen | 5 / 3 EUR

Lovis-Jubiläum: Ein über hundert Jahre altes Schiff wird zehn

Staunen, feiern, jubilieren – der Bildungslogger Lovis darf in der kommenden Woche auf sein zehnjähriges Bestehen zurückblicken und lädt aus diesem Anlass zu einer vielseitigen Kulturoffensive ein.

SEGELTÖRN BIS NACH SPITZBERGEN

Die Lovis hat eine bewegte und bewegende Geschichte hinter sich. Sie wurde 1897 als Dampfschiff gebaut und etwa einhundert Jahre später von dem eigens dafür gegründeten Verein BÖE mit dem Ziel gekauft, ein Schiff zu unterhalten, das nicht allein der Fortbewegung auf See dient.

Nach langer Reise wurde die Lovis schließlich bis Greifswald geschleppt und zwei Jahre Bauzeit später konnte sie im März 2000 als zweimastiges Segelschiff den Betrieb aufnehmen. Fast die gesamte Ostseeküste konnte seitdem erkundet werden. Die Fahrten führten aber auch zu den britischen Inseln und bis Spitzbergen.

spitzbergen svalbard lovis(Foto: Lovis)

EINE MISCHUNG AUS REISEN UND AKTIONSFORMEN

Einem utopistischen Ideenmix aus Selbstbestimmung, Ökologie und Aktionismus anhängig, bot der Verein mit der Lovis nun Raum für Gruppen und Initiativen und es entstand eine „Mischung aus sehr verschiedenen Reisen und Aktionsformen“, wie es in der Selbstdarstellung des Projekts heißt, die die Lovis auch als „sozialen Experimentierraum“ beschreibt.

Wie sich Schiffe für umweltpolitische Aktionen nutzbar machen lassen, wurde beim Klimagipfel in Kopenhagen sichtbar, als die Klimapiraten mit mehreren Booten in die dänische Hauptstadt segelten.

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FILME, WERFTFEST & PODIUMSDISKUSSION

Die Lovis liegt jetzt im Greifswalder Museumshafen und lädt diese Woche täglich zu Veranstaltungen ein. So wird zum Beispiel heute Abend Jacques Cousteaus Schweigende Welt (1956) gezeigt – der erste Dokumentarfilm, der in Cannes die Goldene Palme gewann. Auch für Dienstag wird ein umweltpolitischer Film in Anwesenheit der Regisseurin angekündigt.

Am Mittwoch gastiert Kapitän Stefan Schmidt im Koeppenhaus. Sein Name ist untrennbar mit dem Schiff Cap Anamur und den 2004 in Seenot geratenen afrikanischen Flüchtlingen verknüpft. Einen Tag später wird im Pommerschen Landesmuseum eine Podiumsdiskussion über bürgerschaftliches Engagement in Greifswald stattfinden, bis die Jubiläumswoche schließlich mit einem rauschenden Werftfest am Sonnabend endet.

lovis-schiff

BILDUNGSOFFENSIVE MIT DEM LOVIGURATOR

Abschließend sei eine besondere Anwendung auf der Lovis-Homepage hervorgehoben. Wer kann schon spontan Fliegerstag und Großdirk auf dem Schiff verorten? Dem allgemein verbreiteten Unwissen über Segelschiffe wird hier ganz hervorragend entgegengearbeitet. Mithilfe des Lovigurator genannten Werkzeugs lassen sich die einzelnen Teile des Schiffes spielerisch und per Klick erschließen. Das so erworbene Wissen darf dann beim Open Ship am Mittwoch mit eigenen Eindrücken des Schiffes ergänzt werden.

lovis greifswald traditionssegler

Damit sind die wichtigsten Programmpunkte des zehnjährigen Jubiläum aufgezeigt und man darf auf interessante Veranstaltungen gespannt sein. Staunen, feiern, jubilieren – zehn Jahre Lovis und alle klatschen mit.

Greifswalder Traditionsschiff Atlantic geflutet

Heute vermeldete die Ostsee-Zeitung, dass ein Boot im Museumshafen gesunken ist. Wie man auf dem Foto erkennen kann, lag es unmittelbar neben der Schwalbe II.

Im kurzen Artikel wird erklärt: „Die Holzplanken des Kahns seien oberhalb der Wasseroberfläche von Kälte und Wind völlig ausgetrocknet gewesen. Der viele Schnee aber dann das trockene Holz unter Wasser gedrückt. Um das Schiff in dieser Woche bergen zu können, wurde es vom größten Schnee befreit. Eine Umweltgefahr geht vom Schiff nicht aus.“

Wassereinbruch bei der TS Atlantic

In den frühen Morgenstunden des heutigen Tages traf es mit einem Wassereinbruch nun auch das Tradtionsschiff Atlantic. Seitdem ist das THW vor Ort und pumpt gegen die einbrechenden Wassermassen an. Hier einige Bilder der Bergungs- bzw. Rettungsarbeiten.