Die Greifswalder Grünen gestalten ihren Kommunalwahlkampf zunehmend moderner und scheinen sich von den elektionären Entwicklungen in den USA inspiriert haben zu lassen.
Schon im Februar wies ich auf den eigens eingerichteten Blog hin, auf dem bisher täglich Beiträge publiziert werden. Doch damit nicht genug. Inzwischen ist die Gruppe auch via Twitter aktiv und scheint die Erfahrungen im Umgang mit den neuen Medien sichtlich zu genießen. Fehlen nur noch Podcasting und Videobotschaften an die zukünftige Wählerschaft. Zum Glück bleibt uns das erspart und es kommt sogar noch besser.
Anstatt blind den beispielhaften Vorreitern in Sachen WählerInnen-Aktivierung hinterherzulaufen, wird hier lustvoll Technikaffinität, Politik und parlamentarisch-oppositioneller Duktus verbunden. Es scheint einfach mehr Vergnügen zu bereiten, selbst und unmittelbar zu veröffentlichen, als auf die – im Schlimmstfall gekürzte – Veröffentlichung eines Leserbriefes in der Ostsee Zeitungzu warten.
Was nicht heißen soll, dass keine Leserbriefe mehr geschrieben werden. Gerade heute widerspricht Dr.Ulrich Rose in der Ostsee Zeitung zurecht einem Leserbriefautoren, der scheinbar einige Zusammenhänge der umstrittenen Vertragsverlängerung des Theater-Intendanten Prof. Nekovar mißverstanden hatte.
Der webMoritz berichtete gestern über den neuesten Streich der Grünen Wahlkampagne: das wandernde Telefon. Seit gestern rotiert diese besondere Art der technisch-vermittelten Bürgersprechstunde zwischen den Kandidaten, so dass jeden Tag eine andere Listenangehörige unter 0176 43096623 erreichbar ist. Das ist besser als jeder Live-Chat und eine wirklich hervorragende Idee.
Ideenreich gestaltet sich in meinen Augen das gesamte Auftreten der lokalen Grünen. Bisher konnte beim Kommunalwahlkampf 2009 keine andere Partei in Greifswald so sehr durch Originalität und Zeitgeist glänzen wie die Grünen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit jetzt die anderen Parteien medial nachziehen, zu erwarten ist es nicht.
Beinahe bedauerlich bleibt nur, dass der Ikarus der Hansestadt sein Versprechen nach der verlorenen Bürgermeisterwahl 2008, für die bevorstehende Kommunalwahl ein starkes Bündnis zusammenstellen zu wollen, nicht einhält und abgetaucht ist. Seine Kampagne wäre sicher einige Beiträge wert gewesen.
Der parteilose Einzelbewerber Olaf Tammert (ex-CDU) ist weit über das Ziel hinausgeschossen. Am 31.01. sah er sich noch als möglichen Wahlsieger (32%), der Arthur König überholen kann (30%). Im Interview mit GTV machte er die ZuschauerInnen glauben, die anderen vier KandidatInnen hinter sich lassen zu können.
sollte ich Oberbürgermeister am 13. April werden, und davon gehe ich aus…
Nun ist das vorläufige Endergebnis bekannt und Olaf Tammert lief als letzter ins Ziel (4,9%), wurde sogar vom blassen Rainer Mutke (SPD, 5,7%) überholt. Tammert lässt sich aber nicht einfach so entmutigen, gegenüber der Ostsee Zeitung gab er kämpferisch bekannt:
ich freue mich auch, dass fünf Prozent der Greifswalder Veränderungen wollen. Für die Kommunalwahlen 2009 will ich deshalb ein starkes Bündnis zusammenstellen.
Immerhin scheint sein Anliegen transparenter Politik von ihm umgesetzt zu werden, zumindest punktuell, denn er veröffentlichte am 10.04. seine Wahlkampfaufwendungen:
Werbung in den digitalen Medien: 1700,00 € Printmedien: 1500,00 € Flyer: 100,00 € Plakate: 199,00€ Domainjahresgebühr: 1,92 €
Wahlwerbung in digitalen Medien könnte z.B. die Anzeigen in seiner Online-Zeitung Greifswald News sein, dann wäre das Geld wie in einem Bild von M.C.Escher von A nach B nach A geflossen. Die 1,92€ Jahresgebühr der Domain sind vergleichsweise wenig. Fraglich ist hingegen, ob damit die Seite tammert.de gemeint ist, oder obwahlen2008.de. Ich berichtete am 04.04. schon von merkwürdigen Zusammenhängen beider Seiten.
Den Schritt, seine Wahlkampfkosten vor der Wahl zu veröffentlichen, verstehe ich auch als Wahlkampf, da er sich als transparenter und sparsamer Politiker geriert. Darüber hinaus fände ich es aber sehr spannend, die Wahlkampfaufwendungen der anderen vier KandidatInnen zu kennen. Man darf gespannt sein, wie es mit der Personalia Tammert weitergeht, gerade im Hinblick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen 2009.
Gestern fand im Hauptgebäude der Uni die Podiumsdiskussion mit den Oberbürgermeister-KandidatInnen statt.
Veranstaltet vom AStA-Greifswald und moderiert von einem etwas blassen Thomas Schattschneider und einem manchmal haspeligen, aber trotzdem keck-souveränen Alexander Köcher, der mit selbstbewusstem Witz den KandidatInnen das Wort abschnitt und so mehr oder minder penibel der Einhaltung des zeitlichen Rahmens Sorge trug.
Die Veranstaltung hangelte sich die ersten 90 Minuten durch ein im Vorfeld erstelltes Fragen-Korsett, dass einen flüssigen Ablauf ermöglichte und Unterschiede zwischen den KandidatInnen aufzeigte. Eigentlich gibt es keine Neuigkeiten vom gestrigen Abend zu berichten, alles blieb im erwarteten Rahmen, von wenigen Ausnahmen abgesehen.
König entspannt, aber nicht überzeugend
Der amtierende Oberbürgermeister Arthur König gehört nicht zu den Ausnahmen. Er klopfte sich – einem Märchenonkel gleich – auf die Schulter und verwies auf die Leistungen und Ergebnisse der vergehenden Legislaturperiode. König hat die Wiederwahl beinahe in der Tasche und dieser Umstand verlieh ihm eine sehr entspannte Aura.
Inhaltlich konnte er allerdings nicht überzeugen. Da war die Sache mit dem Verkauf der WVG-Anteile, die Idee, Tourismus zu fördern, ein Steinkohlekraftwerk zu befürworten und zu guter Letzt die Sache mit seinem Prestige-Millionengrab Stadthalle.
Gesichtsloser Geostratege
Zu Rainer Mutke (SPD) müssen nicht viele Worte verloren werden. Viele seiner Antworten zielten ins Leere und verloren sich. Auch Mutke befürwortet das Kraftwerk, allerdings begründete er dessen Notwendigkeit mit geopolitischen und -strategischen Überlegungen. Europas Energiezukunft soll zukünftig von Lubmin aus gesichert werden.
Der Kumpeltyp
Birgit Socher, als Kandidatin der LINKEN, vergaß nie zu erwähnen, dass sie als einzige Frau ins Rennen ginge. Allerdings wirkte sie nicht wie eine Kämpferin emanzipatorischer Ideen, im Gegenteil.
Sportbegeistert und ein wenig gluckenhaft, trotzdem symphatisch, duzte sie mit fester Blickrichtung gen Moderation die imaginäre FragenstellerIn und zeigte die Grenzen des Gestaltungsspielraums für OberbürgermeisterInnen auf; Kommunalpolitik leicht erklärt!
Phrasen des Ringkämpfers
Olaf Tammert muß man eigentlich hoch anrechnen, dass er die studentische Zuhörerschaft weitesgehend ignorierte und seinen Wahlkampf auch an diesem Ort an die nichtstudentischen Bewohner der Neubaugebiete adressierte. Positiveres bleibt über den ehemaligen Ringer nicht zu berichten.
Widersprüchliche Argumentationen (z.b. beim Thema Gewerbesteuer) und sich permanent wiederholende, wahlkämpferische Phrasendrescherei strapazierten die Geduld des höflichen Publikums. Er wirkte an diesem Abend mehr als deplatziert und ließ sich sogar zu kämpferischen Gesten (Faust in die Luft recken), gewürzt mit einer großzügigen Portion Pathos, hinreißen, die man — medial vermittelt — eher von Auftritten hitzköpfiger Populisten kennt.
Oppositionelle Eloquenz
Ulrich Rose hatte den Gestus eines klassischen Oppositionspolitikers inne. Eloquent, informiert, zynisch und von den herrschenden Zuständen sichtlich angepisst, schien es so, als wäre ihm bewußt, dass das Gros seiner Stimmen studentischer Natur sein wird. Umso sympathischer fand ich seine Vorstellungen davon, was mit den — durch das abrupte hauptwohnsitzliche Ummelden von Studenten in die Stadtkasse fließenden — 1,6 Millionen Euro anzustellen sei.
Während die anderen KandidatInnen das Geld (bzw. einen Teil davon) zugunsten der Studenten ausschütten wollten, verwies Rose auf die grassierende Kinderarmut in Greifswald und erklärte die Bekämpfung dieses strukturellen Problems (z.b. durch die Erstausstattung mit Schulmaterialien) zum allgemeinen Interesse der Stadt. Roses Beiträge wirkten normativer und unterschieden sich dadurch von den Anderen. So erklärte er seine Vorstellungen von staatlicher Daseinsfürsorge und leitete aus diesem Verständnis seine Vorschläge ab.
Seine Ideen über die zukünftige Gestaltung des Verkehrs in der Stadt entspringen dem Geist eines modern-ökologischen Vernunftsmenschen und der Erfahrung eines Fahrradfahrers.
Die Veranstaltung war sehr gut besucht, das Publikum höflich, neugierig und duldsam. Nach 90 Minuten moderierter Diskussion wurde von der Möglichkeit der direkten Fragen an die KandidatInnen rege Gebrauch gemacht. Der AStA hat eine rundum erfolgreiche Veranstaltung organisiert und durchgeführt, dafür gebührt ihm Respekt. Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass die BewerberInnen für das höchste Amt der Stadt Gelegenheit hatten, sich und ihre Positionen vorzustellen. Nach meiner Einschätzung gelang es allerdings allein Ulrich Rose, nachhaltig für seine Ideen und Zielsetzungen zu werben.
Mitglieder des CDU-Ortsverbandes Altstadt/Schönwalde haben vor einigen Tagen laut Ostsee Zeitung den Wall von Dreck und Unrat befreit. Das finde ich ganz phantastisch und das gehört sicher auch erwähnt, als eine der wenigen Glanztaten aus diesem Lager. Spannender finde ich es aber, die Rollle der Ostsee-Zeitung an dieser Stelle ein weiteres Mal zu hinterfragen. Böse Zungen vergessen nie zu giften, die OZ würde sehr einseitig und stets zugunsten der lokalen CDU berichten.
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an Artikel wie CDU besucht Nexö-Schule. Am 01.04. fand im Klex eine Veranstaltung statt, bei der die OB-KandidatInnen Jugendlichen Rede und Antwort stehen sollten. Alle fünf AnwärterInnen waren vor Ort und fanden auch im Artikel Erwähnung. Das überdimensionierte Bild zum Artikel und die Bildunterschrift suggerierten allerdings etwas anderes.
Wie aus fünf nur noch einer wird
Wer Olaf Tammert kennt, kann ihn mit Mühe noch im linken Bildvordergrund ausmachen, aber die Aussage des Bildes ist ganz klar, dass sich der amtierende Oberbürgermeister mit Jugendlichen trifft und sich deren Sorgen und Nöte anhört. Eben eine knallharte Gesprächsrunde mit Arthur König und einigen Jugendlichen.
Hätten da nicht die vier anderen KandidatInnen mit aufs Bild gepasst? Mir graut es, wenn ich daran denke, wie OZ-LeserInnen aus Zeitnot schnell die Überschrift lesen, das Bild und anschließend die Bildunterschrift betrachten. Oder etwas polemischer, ein paar Fragen zum Thema 5 KandidatInnen im Gespräch mit den Jugendlichen:
Welche OB-KandidatInnen erkennen Sie?
Welche OB-KandidatInnen sind namentlich in der Bildunterschrift erwähnt?
Zu welcher Partei gehört der abgebildete und namentlich erwähnte Kandidat?
Die CDU räumt die Stadt auf
Bildnachweise sind bei der Ostsee Zeitung sehr wichtig. Die Aktion der Saubermänner wurde privat photographiert und dann auf die zweite Seite des Lokalteils gehievt.
Wer schon mal vormittags über den Wall spaziert ist, hat sicher schon mehrfach die Reinigungskolonnen gesehen. Die lokale CDU gibt hier eine eindrucksvolle Lektion in Sachen Wahlkampf. Unterstützt von der Greifswalder Entsorgung GmbH (das Auto) und von der Ostsee Zeitung (die ganze Aktion wäre ohne Abdruck des Bildes nutzlos) wird hier ein positives Image konstruiert. Die gleichen Saubermänner sind es übrigens, die sich für das Kohlekraftwerk Lubmin aussprechen.
Das Thema Tammert hat in den letzten Tagen den Lokalteil der Ostsee Zeitung erobert und es ist damit zu rechnen, dass der 32%-Überflieger jetzt abstürzt. Das Bedauerliche daran ist eigentlich nur, dass Arthur König sicher am stärksten von der Nichtwahl Tammerts profitieren wird. Anbei noch zwei Artikel aus der OZ zum Thema und ein großes Dankeschön für die rege Benutzung der Kommentarfunktion.
OB-Kandidat reagiert auf die beiden Artikel dieses Blogs nach einer Anfrage von OZ-Redakteur Eckhard Oberdörfer.
Sehr geehrter Herr Tammert!
Wie das so ist, befassen sich sehr viele Leute mit Ihrer Person. So wird nun in Blogs und in Mails an uns behauptet, dass Sie früher im Internet auch Frauen aus Osteuropa gehandelt hätten, die Seite gehöre heute aber einem Russen.
Ist das so richtig?
Mit freundlichen Grüßen
Eckhard Oberdörfer
Tammert holt weit aus und nutzt seine Stellungnahme zum Thema für einen lokalpatriotischen Rundumschlag. Aufgrund der ungeheuren Textmenge und seiner Bitte, nicht einzelne Sätze vom Gesamttext zu lösen, habe ich seine Stellungnahme hier als pdf-Dokument verlinkt. Schnell noch ein paar Worte dazu:
Das Portal, über das sich Menschen treffen sollen und das ihnen eine Chatfunktion einräumt, dass heißt nicht etwa russische-brieffreundschaft.de, stattdessen lautet die Adresse liebe.ru. Ich habe gerade einen Screenshot von der Seite gemacht:
Ich kann beim besten Willen dieser Seite keinen seriösen Touch zugestehen und die Intention ist eindeutig. Es wurde in diesem Blog nie behauptet, dass Tammert mit Mädchen handelt, sondern vielmehr die rhetorische Frage gestellt, ob er nicht bei der Arbeit Herrn Friedmann begegnet sei. Fernab vom üblichen Unsinn, der hier veröffentlicht wird, ist der Unsinn in Bezug auf die Person Olaf Tammert nachweisbar und seine Quellen wurden offengelegt. Das Gros des Unsinnes wurde von ihm auf dem Business-Netzwerk Xing eingetragen.
Das Sonstige, was ihm in diesem Blog vorgeworfen wurde, darunter verstehe ich dann die Gründung von Firmen, die Kandidatur zur OB-Wahl, die Veröffentlichung einer grotesken Umfrage und schließlich die Irreführung in seinem Werdegang (siehe Verein mitinternationalem Hintergrund). Alle genannten Informationen sind für jeden dank der verlinkten Quellen nachvollziehbar.