Pop am Wochenende: Feine Sahne Fischfilet „Sturm & Dreck“

Feine Sahne Fischfilet legen mit „Sturm & Dreck“ ihr fünftes Album vor. Die vorpommersche Trompetenpunkband von einst tourt heute mit den Toten Hosen und ist zum subkulturellen Exportschlager Mecklenburg-Vorpommerns geworden.

Drei Jahre nach „Bleiben oder gehen“ bringen Feine Sahne Fischfilet ihr neues Album „Sturm & Dreck“ heraus. Die Band hat sich augenscheinlich für das Bleiben entschieden und zum großen Release-Konzert nach Loitz eingeladen. Loitz? Richtig, aber wer Feine Sahne Fischfilet kennt, kann darüber nicht überrascht sein.

Feine Sahne Fischfilet Bandfoto
(Foto: Bastian Bochinski)

Die Release-Veranstaltungen in der Provinz sind inzwischen zur Tradition geworden. Man ist selbst dort aufgewachsen; kennt die Sorgen, den kulturellen Leerstand und nicht selten auch eine rechtsextreme Hegemonie.

„Wir leben dort, wo niemals Ebbe ist“

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Pop am Wochenende: Brigo „Stadt Land Flucht“

Auf jeden Derbe sind zurück, zumindest ein Teil der seit 2016 nicht mehr aktiven Greifswalder HipHop-Band. Rapper Brigo (ex Brigant) meldet sich nun mit der EP „Stadt Land Flucht“ zurück.

Vor eineinhalb Jahren sind Auf jeden Derbe, die bis dato einzige erwähnenswerte Greifswalder HipHop-Band, ins Sabbatical gegangen. Auslandssemester, Projekte und das ganze Brimborium. Wie es später weitergehen würde, wollte oder konnte die Band damals noch nicht voraussagen, verpflichtete sich aber auf ein „Auf Wiedersehen“.

Cover von Stadt Land Flucht, Brigo

Musikgewordener Liegestuhl am Loissiner Strand

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Pop am Wochenende: verschnibbt & zugenäht „harvest gloom“

verschnibbt und zugenaeht harvest gloomLetzte Woche, am Tag zwischen Donald Trumps außergewöhnlichem Wahlsieg und dem alljährlichen Beginn der Karnevalszeit, veröffentlichte das DJ-Duo verschnibbt & zugenäht ein neues Set.

Mit dem fast zweieinhalbstündigen harvest gloom wollen die beiden Klangathleten den schrillen Tönen der Gegenwart tiefere Frequenzen entgegenmischen und offerieren einen kurzweiligen Ausweg aus der allgemeinen Bredouille. Oder um es mit den Worten der beiden Tekknoten auf den Punkt zu bringen: „Lisa Simpson, vier Jahre nur noch — wir zählen auf Dich!“

https://soundcloud.com/verschnibbt/verschnibbtzugenaht-harvest-gloom-november-2016

Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

Pop am Wochenende: Al-Haca „Inevitable“

Dreizehn Jahre nach der Veröffentlichung von Al-Hacas Debütalbum „Inevitable“ wird die Dub-Downbeat-Dancehall-Platte des Greifswalder Soundsystems nun zum kostenlosen Download angeboten.

Al-Hacas Inevitable wurde 2003 beim britischen Electronica/Dub-Label Different Drummer Records von Rockers Hi-Fi veröffentlicht. Fünfzehn Stücke, beziehungsweise Tunes, wie man zu sagen pflegt, fanden auf dem ausgereiften Debütalbum des nordöstlichsten Dub-Satelliten Deutschlands Platz. Zahlreiche Features renommierter wie kontrovers diskutierter Künstler, allen voran die Kooperation mit dem jamaikanischen Dancehall-Sänger Sizzla, sorgten für einen facettenreichen Sound, der dem in den Neunziger Jahren gegründeten Al-Haca-Soundsystem eine für seine Greifswalder Herkunft ungewöhnliche Weltgereistheit bescherte.

al-haca inevitable

Minimalistische Electronica, satte Dubbässe und viel Düsternis dominieren die Atmosphäre von Inevitable, auf der sich neben Sizzla unter anderem Ras MC Tweed, Farda P (beide Rockers Hi-Fi), RQM, He-Man oder Mr. Dead verewigten — Künstler, an deren zurückliegende Auftritte in Greifswald sich ausgehwillige Hansestädter gerne zurückerinnern, sei es im einst besetzten AJZ am Karl-Marx-Platz oder bei den legendären M-Partys in der Mensa. Inevitable ist über weite Strecken clubuntauglich, kaum tanzbar, und auch für die Easy-Listening-Lounge eine absolute Fehlbesetzung. Doch die kongeniale Musikkollage bringt die dichten Rauchsäulen einer stickigen Sommernacht in Bewegung und hält aufmerksamen Zuhörerinnen unzählige Details und Überraschungen bereit, die sich erst nach vielen Umdrehungen auf dem Plattenteller erschließen.

Seit gut zwei Wochen kann die Platte, die nach wie vor als CD erhältlich ist und auch in rarer Vinyl-Auflage Sammlerherzen höher schlagen lässt, kostenlos heruntergeladen werden — eine Möglichkeit, von der man unbedingt Gebrauch machen sollte!

Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

Pop am Wochenende: Artur und Band „Es scheint wahr zu sein“

Neues Video, fast frisches Album und momentan auf Tour: Dieser Tage machen die Greifswalder Schmachtrocker Artur und Band von sich reden. 

Zeile für Zeile heißt das Debütalbum von Artur und Band, das zwar schon im Herbst 2015 herauskam, über das aber irgendwie erst jetzt geredet beziehungsweise geschrieben wird. Die Formation um den aus Demmin stammenden Pianisten, Sänger und Songwriter Artur Apinyan sind seit 2012 in stetig wachsender Besetzung im Greifswalder Kulturbetrieb unterwegs und verspricht frische deutschsprachige Rockmusik, die sie in bewährter und aus den Neunzigerjahren wohlvertrauter Instrumentierung (Piano, Gesang, Schlagzeug, Bass, Gitarre, Saxofon) revitalisiert.

artur und band greifswald

(Foto: Artur und Band)

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Pop am Wochenende: Feine Sahne Fischfilet „Wut“

Feine Sahne Fischfilet zauberten in der vergangenen Woche ein neues Video zu ihrem Album Bleiben oder Gehen (2015) aus dem Hut. In Wut arbeitet sich die Band einmal mehr am großen Thema Polizei und Repression ab, und kommen zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.

Rentner und Studenten, Revolutionäre und Verbrecher, Gitarrenhändler, Genforscher, Soldaten, Chefs und immer wieder Polizisten — Berufe und soziale Gruppen sind die Grundlage unzähliger Songs, doch was die musikalische Auseinandersetzung mit solchen Zusammenhängen angeht, so müsste allein für Lieder über Polizisten ein eigenes Genre konstruiert werden — nennen wir es Cop Rock. Und damit kennen sich Feine Sahne Fischfilet bestens aus: Der nicht mehr zum gespielten Repertoire gehörende Titel Staatsgewalt („Die Bullenhelme, sie sollen fliegen. Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein“, 2009) sicherte der Band mit der behördeneigenen Verspätung einen öffentlichkeitswirksamen Eintrag im Verfassungsschutzbericht 2012.

polizei hunde demonstration-demmin(Polizeieinsatz in Demmin, 2014, Meme: MdL Johannes Saalfeld via Facebook)

In ihrem Video zu Wut zeigen Feine Sahne Fischfilet ohnmächtige Bilder von Staatsmacht und Repressionsorganik, die sich von der visuellen Cop-Rock-Ästhetik mit ihren Polizeiknüppeln, den rigorosen Pfefferspray-Einsätzen und dem martialischen Auftreten der Beamten, wie man sie in ähnlichen Songs dieses Subgenres zuhauf entdecken kann, fundamental unterscheidet. Die Band selbst beziehungsweise ihre kindlichen Stellvertreter sind in dem Video nur einmal zu sehen: auf einem Plakat, dass der adoleszente Sohn eines Polizisten abends zuhause anschleppt. Sein Vater trägt längeres Haar und geht trotz Polizeiuniform als Typ knuffiger Sozialarbeiter durch; als fürsorglicher Familienvater, als guter Ehemann, der nach erledigter Nachtschicht und erfolgreich eingeleiteter Abschiebung leise ins vertraute Bett schleicht, um den Schlaf seiner Partnerin nicht zu stören.

All Cops are Bastards? Niemand muss Bulle sein!

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