Mit einem Foto vor dem Schweriner Landtag hat die Reise des überdimensionalen Banners begonnen, das der Pfadfinderbund Mecklenburg-Vorpommern im Zuge einer Kampagne gegen die Wiederwahl der NPD in den Landtag durch das Bundesland schickte.
In den vergangenen Wochen und Monaten versammelten sich zum Beispiel bei der Fête de la Musique in Greifswald, dem Stralsunder Rock gegen Rechts oder beim mitLeben auf Rügen unzählige Menschen hinter dem Banner und positionierten sich deutlich, um zum Wahlgang aufzufordern und die NPD mit Karacho gegen die 5%-Mauer rasen zu lassen.
Das mittlerweile mit vielen kleinen Statements versehene Banner ist bis Sonntag am Greifswalder Dom zu begutachten.
In der letzten Nacht wurden in der Greifswalder Innenstadt Plakate angebracht, auf denen die beiden NPD-Kader Udo Pastörs und Holger Apfel abgebildet sind, flankiert von der Forderung nach Gleichberechtigung homosexueller Paare.
Falsche Flagge, wiege dich im Wind!
Das mag auf den ersten Blick verwundern, denn allzu häufig kokettieren Neonazis mit Ressentiments gegen homosexuelle Liebe — für gleichgeschlechtliche Partnerschaft ist im nationalen Weltbild kein Platz, denn sie bedrohe die Gesundheit des Volkskörpers. Erst bei der genaueren Beobachtung des Plakats dämmert es langsam: vor uns hängt das Werk feister Kommunikationsguerillos. Doch ob diese Art der Affirmation den gewünschten Erfolg erzielen wird, darf bezweifelt werden. Zu undeutlich ist die falsche Flagge, der obendrein auch selbst homophobes Potenzial innewohnt, wie daburna kritisiert.
Touristen raus aus Vorpommern!
Um zu erkennen, dass affirmative Aktionsformen keine Erfindung des 21. Jahrhunderts sind, reicht schon ein Blick auf den 1998 in Greifswald geführten Landtagswahlkampf. Über Nacht tauchten damals unzählige Plakate der NPD auf, die in deutlicher Sprache verkündeten: Deutsche Frauen rauchen nicht! Deutsche Männer trinken nicht! Touristen raus aus Vorpommern! Damals zogen die Schergen der NPD tags darauf durch die Stadt, ihre vermeintlich eigenen Werbemittel von den Mästen holend.
Das ist in diesem Fall leider gar nicht notwendig, denn der satirische Hintergedanke ist einfach zu undeutlich herausgearbeitet und kann an die unlängst von der PARTEI in Umlauf gebrachte Adaption eines NPD-Plakates (Gas geben!), das statt des Bundesvorsitzenden Udo Voigt plötzlich den alkoholfreudigen Rechtspopulisten Jörg Haider zeigte, nicht anknüpfen.
Die ersten Plakate wurden inzwischen von den Laternen geholt — schade um die Mühe.
Wie der Tagesspiegel am 23. August berichtete, steht der NPD-Fraktion des Landtags einmal mehr Ärger ins Haus. Die klamme Partei steht in Verdacht, ihren derzeit in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführten Wahlkampf aus Fraktionsgeldern mitzufinanzieren. Das verstößt gegen die vorgeschriebene Trennung von Partei- und Fraktionsgeldern und konfrontiert die Rechtsextremen mit dem Vorwurf der unerlaubten Parteienfinanzierung.
ORDNUNGSRUF + FLAGGSCHIFF = STRAFZAHLUNG
Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider hat inzwischen den Bundestagspräsidenten und den Landesrechnungshof darüber informiert. Konkret geht es dabei um den Einsatz der Fraktionspostille Der Ordnungsruf, die im Wahlkampf massenhaft verteilt wurde. Die presserechtliche Verantwortung für das Blatt trägt Fraktionsvorsitzender Udo Pastörs. Vom abgedruckten Hinweis, dass diese NPD-Veröffentlichung nicht zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden dürfe, nahmen die Wahlkämpfer aber bislang keine Notiz oder ignorierten ihn.
Neben dem unerlaubten Einsatz dieser Zeitung wird der Fraktion vorgeworfen, dass ein fraktionseigenes Fahrzeug von NPD-Abgeordneten unerlaubt zur Wahlwerbung genutzt wurde. Der Bundesgeschäftsführer der NPD, Klaus Beier, schließe laut Tagesspiegel „kategorisch“ aus, dass Bretschneiders Vorwürfe zuträfen.
Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen liebevoll Flaggschiff Waterkant Mercedes-Transporter, der in den vergangenen Wochen auf unzähligen NPD-Wahlkampfterminen zu bestaunen war — in Greifswald zuletzt am 10. August auf dem Fischmarkt. Die Aufnahmen von Greifswald TV belegen das, kategorischer Ausschluss hin oder her. Und nicht zuletzt dokumentieren auch die eigenen Pressemitteilungen der NPD-Fraktion den Einsatz des Fahrzeugs zu Wahlkampfzwecken. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, muss die NPD mit einer weiteren Strafzahlung rechnen.
„BÜRGERLICH IST AN DIESER NPD NUR DIE FASSADE“
Einen kurzen Bericht über den Wahlkampf der NPD in Mecklenburg-Vorpommern strahlte vorgestern der NDR aus. Darin sind einige Facetten der Neonazis abgebildet: vom Kinderfest in Anklam über Provokationen im Schweriner Landtag bis zu freien Kameradschaften und Udo Pastörs‘ Agitationen, den Parteienstaat abschaffen zu wollen.
Das Video ist in guter Qualität auf der Webseite des NDR ansehbar. Außerdem wurde es vom Benutzer Landtagswahl, der ausschließlich NPD-Videos veröffentlicht, bei Youtube hochgeladen — dementsprechend sind die im Video integrierten Links einzuordnen.
Am 11. September findet auch in Greifswald wieder der bundesweit veranstaltete Tag des offenen Denkmals statt. Eines der siebzehn hiesigen Denkmäler, die es zu besichtigen gilt, ist die Museumswerft im historischen Hafen der Hansestadt. Dort werden dann nicht nur Führungen in die Werft und auf einige Schiffe angeboten, sondern auch Kulinaria und ein Boots-Shuttle-Service mit der Technik Sawod.
Das Motto des diesjährigen Denkmaltags heißt Romantik, Realismus, Revolution und hat auf den ersten Blick herzlich wenig mit Bootsbau zu tun. Die Greifswalder Museumswerft will dem Thema aber trotzdem in Form eines Flohmarktes gerecht werden und bietet die Möglichkeit an, sich daran mit Ständen zu beteiligen, an denen zwischen 11 und 19 Uhr „Gegenstände der Seefahrtsromantik, des maritimen Realismus oder bootsbauerischer Revolutionen feilgeboten werden“.
Wer Interesse daran hat, dort am 11. September einen eigenen Stand aufzubauen, kann sich hierfür telefonisch bei Andreas Zimmermann (0176-223 984 77) anmelden. Die Kosten belaufen sich auf 1,50 Euro pro Frontmeter Verkaufsstand — ein vier Meter breiter Tapeziertisch schlüge also mit 6 Euro zu Buche.
Gestern Nacht gegen ein Uhr war eine größere Gruppe teilweise bewaffneter Neonazis in der Fleischervorstadt unterwegs und machte Wahlkampf auf eigene Art.
Zwei Transporter und ein Pick-up, auf dessen Ladefläche vermummte Wahlhelfer Platz fanden, rollten langsam durch die Straßen — eine krude Szenerie, die wie ein Hybrid aus Wikingjugend und amerikanischen Hinterwäldlern erscheint. Hinter dem Tross liefen noch weitere vermummte Neonazis, immer auf der Hut.
Das Zusammenspiel von NPD und freien Kräften funktioniert offenbar noch und entsprechend vielseitig fällt die nächtliche Wahlkampftour aus: Es wurden nicht nur etliche Werbematerialien an den Mast gebracht, sondern gleichzeitig die Plakate etablierter Parteien beschädigt, natürlich nicht ohne dabei die eigene Position mitzuteilen. Das beginnt beim aufgekritzelten Galgen auf einem Plakat der LINKEN und geht weiter mit unverhohlenen antisemitischen Schmiereien am Konterfei des Ministerpräsidenten Sellering. Erst vor etwa zwei Wochen wurde ein Plakat Ulf Dembskis mit einem Fadenkreuz auf seinem Gesicht und dem Aufruf Verräter köpfen! bedacht.
Während der Plakatierung wurde außerdem der Schaukasten des Internationalen Kultur- und Wohnprojekts (IKUWO) mit dem Schriftzug Ikuwo abreissen! ANG! beschmiert.
Aus akutem Anlass und Gründen der Multliplikation ein Text von Nils Dicaz zu den bevorstehenden Kündigungen am Theater Vorpommern.
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Ein Großteil des Schauspielensembles muss 2012 gehen, wird vom neuen Intendanten einfach ausgetauscht. Rechtlich alles sauber, die formalen Fristen wurden eingehalten.
„Noch ist nichts entschieden“, zitierte die OZ im Juni den zukünftigen Intendanten, Herrn Löschner, doch bereits Mitte Mai hatten die Gesellschafter, vertreten durch Herrn Dr.Badrow (CDU), Herrn Dembski (SPD) und Frau Kassner (DIE LINKE) schriftlich die Vollmacht für Entlassungen erteilt. „Blicken Sie hoffnungsfroh in die Zukunft!“ sprach Geschäftsführer Dr. Steffens (CDU) zu Schauspielern auf der Premierenfeier am 30. April, ein paar Tage später unterzeichnete er die Vollmacht. OB Dr. König (CDU) erwähnt in seinem gedrechselten Vorwort im neuen Spielzeitheft die anstehenden Entlassungen mit keinem Wort. Herr Dembski (SPD) wirbt auf seinem Wahlplakat lieber mit dem Slogan: „sozial gerecht“!
Der Rausschmiss trifft überwiegend Väter und Mütter von Kleinkindern, allein erziehend oder familiär an die Region gebunden! Wurde Herr Löschner darüber informiert, dass er seinen neuen Posten hier deshalb erhalten kann, weil diejenigen, die er nun feuert, jahrelang auf Tariferhöhungen, Weihnachtsgeld usw. verzichteten? Christian Holm, Katja Klemt, Anke Neubauer, Marta Dittrich, Eva-Maria Blumentrath, Hannes Rittig, Catrin Darr oder Andreas Kohl inszenieren, organisieren, spielen, lesen, musizieren und moderieren überall dort, wo in Greifswald Kunst und Kultur im wahrsten Sinne des Wortes eine Stimme brauchen und das oft kostenlos für die Veranstalter.
Genau jene sind betroffen, die das zur Institution gewordene Tresenlesen etablierten, die Ausstellungseröffnungen zum zweifachen Erlebnis werden lassen, die Vorträge und Diskussionsrunden mit ihren Beiträgen beleben, sei es im Landesmuseum, dem Krupp- Kolleg oder der Universität, die die Lust am Theaterschauen- und spielen in die Schulen tragen, kurz – verlässliche Kooperationspartner, deren Namen sich in den Programmen des Nordischen Klanges, des Polenmarktes, der INSOMNALE, der Koeppentage finden. Herr Prof. Dr. Joecks (SPD), Vizepräsident der Bürgerschaft und Ausschussmitglied für Bildung und Kultur (!) hat dennoch kein Problem mit Kündigungen oder Nichtverlängerungserklärungen.
Genau zwölf Tage nach seiner Unterschrift unter die Entlassungsvollmacht erhält Aufsichtsratsvorsitzender Nitschke (CDU/FDP-Fraktion) aus den Händen des Ministerpräsidenten Sellering (SPD) das Bundesverdienstkreuz mit den Worten: „Wir …haben viel erreicht. Dabei …kommt es immer auf einzelne Menschen an, die mit ihrem besonderen Engagement… viele andere motivieren und mitreißen.“
Genau das taten die von der Nichtverlängerung Betroffenen. Für den einen den Orden, für die anderen den Fußtritt! Herr Löschner hatte die Möglichkeit, vier Schauspielstellen neu zu besetzen, ohne eine einzige Nichtverlängerung auszusprechen. Das genügte den Ambitionen des designierten Intendanten nicht. Statt dessen wird die Dramaturgenstelle mit Herrn Löschners Bruder besetzt.
Diese ignoranten und unsozialen Entscheidungen „Künstlerische Freiheit“ zu nennen (Position der Kulturamtsleiterin, Frau Hauswald), grenzt an Zynismus. Niemand kann bisher Auskunft geben über das neue künstlerische Konzept des zukünftigen Intendanten, auch er selbst tat dies auf OZ-Nachfrage nicht. Wohl aber können viele Greifswalder die hervorragenden Leistungen der von der Nichtverlängerung betroffenen Schauspieler und Schauspielerinnen als solche beurteilen.
Künstlerische Freiheit kann immer nur eine individuelle sein, die niemanden von seiner moralischen und sozialen Verantwortung entbindet!
(Text: Nils Dicaz, Diplom Maler/Grafiker, Künstlerischer Mitarbeiter am Caspar-David-Friedrich Institut)