Vor einer Woche, in der Nacht vom 14. zum 15. August, erreichte die Polizei um 01.30 Uhr ein Notruf aus der Grimmer Straße. Vor dem Haus hatten sich 15 bis 20 Personen versammelt und die Bewohner dazu aufgefordert, herauszukommen. Die Aggressoren, die der rechten Szene zugeordnet werden konnten, waren teilweise vermummt und mit Stöcken bewaffnet. Nachdem sie eine Scheibe des Hauseingangs zerstört hatten, entfernten sie sich in drei Kleintransportern, die später während einer weiträumigen Polizeifahndung kontrolliert wurden.
Wie der Nordkurier heute berichtet, bestätigten die Sicherheitsbehörden, dass sich unter den rechtsextremen Insassen der Kleintransporter mehrere NPD-Politiker befanden. So waren neben Tino Müller (stellvertretender Vorsitzender der NPD-Landtagsfraktion) auch dessen Bruder Marko (NPD-Landesvorstand), Norman Runge (Mitglied des Kreistags Mecklenburgische Seenplatte) sowie Daniel Ohm (NPD-Stadtvertreter der Stadt Usedom) unter den Verdächtigen, gegen die nun die Staatsanwaltschaft Stralsund wegen Landfriedensbruch und Sachbeschädigung ermittelt.
Mit dem Knüppel in den Wahlkampf? (Nordkurier, 23.08.2013)
Wegen der Zerstörung ihrer Wahlplakate hat nach der LINKEN nun auch die Partei Bündnis90/Die Grünen Anzeige gegen Unbekannt erstattet.
Der Kreisverband Vorpommern-Greifswald vermeldete heute in einer Pressemitteilung, dass in der Hansestadt seit dem 18. August mindestens 70 Plakate der Partei beschädigt oder gestohlen worden seien. Ähnlich erging es auch den übrigen demokratischen Parteien, als in der Nacht von Sonntag auf Montag zahlreiche Wahlplakate zerstört, beschmiert oder heruntergerissen wurden — allein die Werbemittel der NPD blieben von diesen Angriffen unberührt. Die Täter konnten während ihres Treibens beobachtet und erkannt werden — sie sind als Teil der rechtsextremen Szene bekannt und in der Vergangenheit wiederholt aufgefallen.
(Foto: Bündnis Greifswald Nazifrei)
Die Landesvorsitzende der Grünen, Claudia Müller, betont, dass es bei der Anzeige nicht vorrangig um den entstandenen Sachschaden gehe. Vielmehr wolle man demonstrieren, dass die Grünen „eine solche Verletzung des Rechts auf Meinungs- und Wahlfreiheit in unserem Land nicht hinnehmen“ würden. „Sollte sich unsere Vermutung bestätigen, dass es sich um einen gezielten Angriff auf die Wahlwerbung demokratischer Parteien in unserem Bundesland gehandelt hat, dann zeigt dies einmal mehr ganz deutlich, dass die Anhänger der NPD keinen Respekt vor der Vielfalt der Meinungen und Weltanschauungen in unserem Land haben.“
In der vergangenen Nacht haben Neonazis erneut Wahlplakate der demokratischen Parteien zerstört oder beschmiert. Die Täter wurden bei ihrem Treiben beobachtet — nun ermittelt die Polizei.
Wie das Bündnis Greifswald Nazifrei mitteilt, waren die Neonazis entlang der Wolgaster Straße und an der Europakreuzung aktiv und zerstörten in der Nacht von Sonntag auf Montag zahlreiche Plakate der LINKEN, der Grünen, der Piratenpartei, der SPD, der FDP sowie der CDU. Die großen und teuren Stellwände wurden mit Parolen und NPD-Aufklebern beschmiert, die aufgehangenen Plakate wurden zumeist heruntergerissen und zerstört. Allein die Werbemittel der NPD blieben unangetastet und hängen jetzt insbesondere im Ostseeviertel häufig als einzig verbliebene Wahlwerbung an den Laternenmasten.
Die LINKE kündigte bereits an, Strafanzeige wegen Sachbeschädigung stellen zu wollen. Cornelia Schulze, Pressesprecherin von Greifswald Nazifrei, hofft, dass auch die anderen Parteien Anzeigen stellen und die polizeilichen Ermittlungen erfolgreich verlaufen werden. Für diese Hoffnung gibt es einen guten Grund, denn die Neonazis — zwei Männer und eine Frau — wurden von mehreren Augenzeugen bei ihrer Tat beobachtet. Die beiden Männer, die bereits in der Vergangenheit durch rechtsradikale Taten auffielen, gelten als stadtbekannte Neonazis. Die Beschmierung auf einem CDU-Plakat wurde mit ANG, einem Kürzel, das für Autonome Nationalisten Greifswald stehen soll, unterschrieben. Diese Gruppierung dürfte sehr eng — vielleicht sogar bis zur personellen Überlappung — mit den Nationalen Sozialisten Greifswald (NSG) verbunden sein. Beide Gruppen werden im aktuellen Verfassungsschutzbericht 2012 erwähnt.
In Verbindung mit ihrem Kürzel verwendeten die Autonomen Nationalisten Greifswald das Wort „Mauermörder“, wie es seit gestern Nacht auf einem Plakat der LINKEN zu lesen ist, schon einmal im März 2012. Damals besprühten sie den Hauseingang der Landtagsabgeordneten Mignon Schwenke (DIE LINKE) mit einer deutlichen Drohung („Mauermörder-Linkspartei! Schwenke, wir kriegen dich!“). Auch diese Tat fand Eingang in den Verfassungsschutzbericht 2012.
Es bleibt zu befürchten, dass der Bundestagswahlkampf für die Neonazis noch lange nicht vorbei ist. Schon in der vergangenen Woche, als die NPD ihre Plakate in Greifswald anbrachte, wurde Wahlwerbung demokratischer Parteien zerstört oder beschmiert. In derselben Nacht sahen sich auch Anwohner der Grimmer Straße 2 genötigt, die Polizei zu rufen, nachdem sich etwa 15 bis 20 vermummte und zum Teil bewaffnete Neonazis auf der Straße versammelten und die Bewohner dazu aufforderten, ihr Haus zu verlassen.
Das Werben um die meisten Stimmen bei der bevorstehenden Bundestagswahl hat natürlich nicht erst vor wenigen Tagen begonnen, jedoch ist inzwischen auch in Greifswald kaum mehr zu übersehen, dass der Wahlkampf an Fahrt aufnimmt: Laternen werden von Plakaten mit zweifelhaftem Inhalt geschmückt, ab und zu guckt ein Politpromi vorbei und nachts fahren Neonazis durch die Straßen und bringen ihre Wahlwerbung an die Masten. Der sich regelmäßig wiederholende Wahlkrampf kann in seiner jetzigen Phase durchaus auf diese Vereinfachung reduziert werden.
Bewaffnete Neonazis bedrohen Hausbesitzer
Überhaupt mag die Nörgelei darüber, wie die Parteien um die Gunst ihrer Wähler buhlen, seit Wochen nicht abbrechen. In den Feuilletons wird nimmermüde gepredigt, dass die deutsche Bevölkerung den Wahlkampf abkriegen würde, den sie verdiene. Das klingt erstmal einleuchtend, nur bleibt dieser Satz eine Antwort auf die Frage schuldig, womit man so einen 15-20 Personen zählenden Neonazi-Mob verdient hat, wie er gestern Nacht mit Kleintransportern durch Greifswald fuhr und Plakate der NPD aufgehängte. Dabei wurden auch die Werbemittel der demokratischen Parteien in Mitleidenschaft gezogen, die mit Aufklebern überklebt und zum Teil auch entfernt worden sein sollen. Über Twitter wurde zur Umsicht gewarnt, Neonazis würden in Fahrzeugen patrouillieren.
Die Polizei teilt heute mit, dass sie um 01.30 Uhr in die Grimmer Straße gerufen wurde. Vor dem Haus mit seiner bunten Fassade sollen sich 15-20 Personen — teilweise vermummt und mit Stöcken bewaffnet — versammelt haben, die die Bewohner dazu aufforderten, herauszukommen. Nachdem die Aggressoren, die der rechten Szene zugeordnet wurden, die Scheibe der Hauseingangstür zerstört haben, fuhren sie in drei Kleintransportern davon. In weiträumiger Fahndung hielten Polizisten Fahrzeuge an, die den Beschreibungen von Zeugen entsprochen haben sollen. Dabei wurden die Identitäten der Verdächtigen, gegen die jetzt wegen Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung ermittelt wird, festgestellt.
Hipster Antifa Greifswald animiert zum Sammelwahn
Die Hipster Antifa Greifswald ihrerseits macht etwas aus diesem traurigen Wahlkampf und ruft mit dem „Sammelwahn“ ein altbekanntes Spiel in Erinnerung, bei dem es darum geht, bis zur Wahl möglichst viele Plakate und Aufkleber der NPD aus dem Verkehr zu ziehen.
Nachdem in der vergangenen Nacht viele NPD-Plakate wieder so schnell verschwunden sind, wie sie angebracht wurden, ist anzunehmen, dass sich die hippen Antifaschistinnen einen nicht unerheblichen Startvorteil gesichert haben — ihr bei Facebook veröffentlichtes Foto der bisherigen Ausbeute zeigt, dass sie beim gegenwärtigen Punktsystem (ein Nazi Sticker = ein Punkt, ein Nazi Plakat = 5 Punkte, 1 Nazi Sticker überklebt = 2 Punkte) schon gut vorgelegt haben. Wer da noch mitziehen möchte, sollte sich jetzt sputen — am Hansering und den Ausfallstraßen der Stadt gibt es noch ein paar Punkte zu holen!