Critical Mass: „kreuz ‘n’ quer statt law ‘n’ order“

Kaum befindet sich der Winter auf Rückzugskurs, steht in Greifswald auch schon wieder die erste hedonistische Frühlingsaktion ins Haus. Denn in Anknüpfung an die Entscheidung der Bürgerschaft, das Verkehrsprojekt Diagonalquerung auszubremsen, findet am Freitagnachmittag die erste Critical Mass des Jahres statt.

Für eine entspanntere Diskussionskultur

Mit der Aktion soll aufgezeigt werden, dass eine Fahrradhauptstadt in der Pflicht steht, dem radelnden Teil ihrer Einwohner bessere Verkehrsbedingungen angedeihen zu lassen. Außerdem fordern die Initiatorinnen eine „entspanntere und faire Diskussionskultur, die auch die Interessen der jungen Bevölkerung in Greifswald berücksichtigt“ — offenbar eine Anspielung auf das zeitungsöffentliche Identitätsgehupe, das die hiesige Einwohnerschaft in regelmäßigen Abständen an den Tag legt.

fahrrad revolution(Foto: Salim Virji via Flickr)

Die Critical Mass wird unter dem Motto Lieber kreuz’n’quer statt law’n’order fahren. Mit ihr soll der Unmut über die Entscheidung gegen die Diagonalquerung zum Ausdruck gebracht werden. Der Treffpunkt ist an der Mensa, von wo aus es weiter Richtung Europakreuzung geht.

Move your ass with the critical mass!

Bei der etwa 20 Jahre alten Aktionsform der Kritischen Masse versammeln sich scheinbar unorganisierte, nicht motorisierte Verkehrsteilnehmende, um mit ihren gemeinsamen Protestfahrten auf ihre Anliegen und ihre Rechte gegenüber dem motorisierten Individualverkehr aufmerksam zu machen.

Auch in Greifswald haben in den vergangenen Jahren mehrere solcher Kritischen Massen stattgefunden. Bei einer der öffentlichkeitswirksamsten Aktionen im Dezember 2008 störten einige Fahradfahrerinnen die Einweihung des neugebauten Kreisverkehrs Osnabrücker Straße und protestierten so gegen die vermeintliche Verschwendung von fast 30 Millionen Euro für ein gigantomanisches Bauprojekt.

Der Aufruf zum Lieber kreuz’n’quer statt law’n’order ist auf der Homepage der Hedonistischen Internationalen Sektion Greifswald zu finden.

Fakten: 02.03. | 16.30 | Mensa am Schießwall

Zuversicht am Tag der Befreiung

Die Befreiung Deutschlands vom Faschismus durch die Alliierten jährt sich heute zum nunmehr 65. Mal und bietet somit eine passende Gelegenheit zum Gedenken und Anlass für exaltierte Freudentänze.

„Wer nicht feiert hat verloren!“

Unter dem Motto Wer nicht feiert hat verloren! werden abends im IKUWO die Türen geöffnet und zur Show des Elektro-Polit-Kollektivs School of Zuversicht eingeladen. Der hoffnungsvolle Titel ist umgeben von einem Hauch Genre-Prominenz, denn neben Audiolith-Plemo ist auch DJ Patex mit von der Partie.

Letztere ist bekannt durch ihre musikalische und partnerschaftliche Verzahnung mit dem Hamburger Urgestein (King) Knarf Rellöm (Huah!, Ladies Love Knarf Rellöm, Knarf Rellöm ISM, Knarf Rellöm with the Shi Sha Shellöm, Knarf Rellöm Trinity), zuletzt aufgetreten unter dem klangvollen Namen The Next Big Thing: Knarf Rellöm.

Nach der Show geht es zackig elektronisch weiter mit DJ Headshot (Drum’n‘ Bass, HH) und DJane HaNNaH. Passend zum Grund der Feierlichkeiten sei das Stück Arme kleine Deutsche (AKD) von Knarf Rellöm Trinitys Album Move your ass and your mind will follow (2006) ans Herz gelegt.

Fakten: 08.05. | 21.30 Uhr | IKUWO | 5 EUR

Geht vielleicht noch mehr?

In vergangenen Jahren wurde der Tag der Befreiung auch tagsüber von farbenfroher Ausgelassenheit bestimmt und es ist zu erwarten, dass auch heute wieder etwas besonderes stattfinden wird.

Man munkelt bereits von einer critical mass, von Kulinaria für alle und mobilen Soundsystemen; klingt nach hedonistischem Aktivismus pommerscher Art. Nebenher soll um 15 Uhr das Caspar-David-Friedrich-Denkmal in der Lappstraße offiziell eingeweiht werden. Man darf gespannt sein.

Greifswald zur Fahrradhauptstadt machen!

Sie blockieren nicht den Verkehr, sie sind der Verkehr. Am Freitag wird die schöne Tradition der hanseatischen critical mass weitergepflegt.

Aktueller denn je wird auf die Selbsternennung Greifswalds zur deutschen Fahrradhauptstadt eingegangen und auf das miserable Radwegnetz hingewiesen, natürlich aktiv und auf der Straße.

Zweiradaktivisten wird selten Technikversessenheit unterstellt, die geplante Zusammenkunft wird aber modern über twitter, facebook, studiVZ und verschiedene Blogs beworben. Der gestrige, technisch-vermittelte Informationsfluss bezüglich des NPD-Infostands hat die kommunikative Dichte, die in Greifswald inzwischen zu finden ist, spürbar gemacht.

Zuvor wurde dieses Phänomen schon beim schweren Sturm Ende Juli deutlich. Schon damals rückten die hiesigen Microblogger zusammen und tauschten sich aus. Es eröffnen sich ganz neue Wege, wenn viele miteinander vernetzt sind. Die morgen stattfindende critical mass wird mit Sicherheit nicht die letzte subversive Vergnügung sein, die hier auf Mobilisierung2.0 setzt, aber ohne feste Struktur auskommt:

Wir sind zwar nicht organisiert, fahren aber trotzdem alle auf der Straße!

Fakten: 30.10. | 14 Uhr Bahnhofsvorplatz

Flashmobs in Greifswald

Flashmobs sind seit einigen Jahren zum chic einer vernetzen und urbanen Jugend geworden. Über social networks, Emails und andere neue Kommunikationsformen verabreden sich dabei mehr oder minder große Massen, um gemeinsam für öffentliche Verwirrung zu sorgen.

Die Grenzen zwischen vermasster Kunstperformance und sinnentleertem „Dabei-sein-ist-alles“-Humbug sind hierbei allerdings fließend, wenngleich die Zweckfreiheit dieser Aktionen häufig als Abgrenzungsmerkmal zu ähnlichen Unternehmungen wie critical masses oder smart mobs dient.

ZWECKHAFTIGKEIT ALS ABGRENZUNGSMERKMAL

Bei diesen Formen der spontanen Zusammenkunft wird die koordinierte Unkoordiniertheit der Masse  zur Aktionsform. Beinahe hedonistisch wird vorgeführt, dass Politik und Einmischung Spaß machen kann und nicht zwangsläufig dogmatisch sein muss. Auch in Greifswald haben sich in der jüngeren Vergangenheit mehrmals critical masses zusammengefunden; zweirädig wurden die Kraftfahrzeuge zum Stauverursacher degradiert:

Im studiVZ gibt es die Gruppe „Critical Mass Greifswald„. Hier bleibt man stets über anstehende Unternehmungen auf dem Laufenden.

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