Hedonistische Soliparty: „Atomkraft wegbassen!“ *3xUpdate*

Achtung, die Hedonistinnen gehen wieder um und laden zur Super-Soli-Sause gegen den bevorstehenden Castortransport nach Lubmin. Der hedonistischen Praxis entsprechend, lädt natürlich nicht irgendwer zur feierlichen Zusammenkunft, sondern die Sektion M.u.S.i.K. (M.ensch u.nd S.trahlung = i.rrationale K.ombination).

Mit einer Solidaritätsbekundungsparty sollen Gelder generiert werden, die dem lokalen Atom-Widerstand zukommen sollen. Alle beteiligten Künstler werden dafür ohne Gage auftreten und es darf eine dem Anlass entsprechend verstrahle Dekoration des IKUWOs erwartet werden. Um 18 Uhr wird eine Info-Veranstaltung des Anti-Atom-Bündnis Nord-Ost mit dem markigen Titel Atomkraftanlagen stilllegen! Energiewende sofort! Stopp Castor! stattfinden, zu der alle Interessierten herzlich eingeladen sind. Danach steigt die große Sause.

Party für den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg

Hierfür konnte das Hamburger HipHop-Projekt Jales und Knopf gewonnen werden, das vor Urzeiten schon einmal zu Gast war. Außerdem als lokale und sprechmusikalische Unterstützung eine Formation bekannter Greifswalder Nachtgestalten. Danach geht es zackig elektronisch zu Werke, wenn die Exilanten flexonaut & hautzebautz, die hiesigen Elektrovisten verschnibbt & zugenäht, 239we aus dem Umfeld der Greifswalder Hedonistinnen und schließlich — wesentlich renommierter — por.no aus Berlin vom Pult aus die Meute dirigieren werden.

atomkraft wegbassen miniFür die subkulturellen Verhältnisse Greifswalds fällt die Regelung des Eintrittspreises ungewöhnlich innovativ aus. Keine Happy Hours oder vergleichbar konsumistische Regelungen, nein, hier zählen Uhrzeit und harte Währung, werden die Zustände auf den Kopf gestellt. Denn entgegen der üblichen Praxis wird die Party umso teurer, je später ihre Gäste erscheinen. Bis 22 Uhr sind nur 4 Euro fällig, wer bis 24 Uhr kommt, zahlt schon 5 Euro und danach sind 6 Euro fällig. Die Hedos erklären einleuchtend: „Wer früher kommt, kann mehr spenden und hat mehr Spaß“ und laden zum kollektiven Vergnügen auf die Tanzfläche:

„Dort findet auch das Aktionstraining unseres neuesten Blockadekonzepts statt. Gemeinsam wollen wir mit Euch die Beinarbeit für das Schotterwegtanzen trainieren und testen ob man heiß- und nassgetanzt an schienenartigen Metallteilen im Freien festfrieren kann.“

Fakten:
04.12. | 18 Uhr | IKUWO (Infoveranstaltung)
04.12 | ab 21 Uhr | IKUWO | 4-6 EUR (Soliparty &-Konzert)

*Update* 05.12.

Das Set des gestrigen Abends von flexonaut und hautzebautz ist jetzt auch bei soundcloud abrufbar.
*2.Update* 07.12.

Verschnibbt und zugenäht haben es flexonaut und hautzebautz gleichgetan und ihr Set von der Sause wider die Atomkraft veröffentlicht.

Diese Nachricht ist gleichbedeutend mit 102 Minuten wohlgelaunter Klangelektrifizierung, die sich auch für den heimischen Dancefloor herunterladen lässt.

*3.Update* 07.12.

Jetzt ist der Abend beinahe komplett rekapitulierbar, zumindest was die Musik angeht. Die Hedonistinnen haben nachgelegt und auch noch das Set von Por.no veröffentlicht, das der Szene-Veteran übrigens ausschließlich mit Vinyl und ganz ohne Traktor darbot.

Pop am Wochenende: King Tino „HGW“

Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

Es ist Nacht in Greifswald. Eine Gang sieht Krieg und beginnt eine Schießerei. Ein schwarzer BMW 5er rauscht um die Ecke, der dumpf-schleppende Dröhnbass des aufgerüsteten Autoradios eilt ihm voraus. Frauen auf der Rückbank bewegen sich stöhnend zum Rhythmus der Musik. Mit 100 km/h und dem Fuß auf dem Gaspedal schießt das Auto am Krankenhaus vorbei, auf dem Weg zu einem der unzähligen Clubs, in dem abgehalfterten Gangstern hin und wieder gezeigt werden muss, wer der Boss ist. Schlägereien stehe man offen gegenüber. Nach dem Clubbesuch geht es schnell nach Hause, denn dort soll noch gebumst werden – schließlich ist „banger banger time„.

(Foto: Shutterstock)

HGW-SLANG ROHLEXXXSCHER COULEUR

Dieses Szenario ist keiner drittklassigen, actiongelandenen Ghetto-Verfilmung entnommen –  Wort und Dröhnbass fabrizierte kein geringerer als King Tino, seines Zeichens Greifswalder Rapper mit Rohlexxxschem Stallgeruch, der sich des „HGWer Slangs“ bedient und mit ihm seine „Hood“ bewegt. „Pop am Wochenende: King Tino „HGW““ weiterlesen

Pop am Wochenende: Plattattack “Die Alte Nummer 19 (AJZ)“

Die Reihe „Pop am Wochenende“ versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

Passender geht es kaum. Gerade sind die letzten Beats des rauschhaften Finales der Gedenkwoche We remember Café Quarks! verklungen, wurde auch das letzte Glas geleert und sieben Tage des inzwischen abgerissenen Freiraums kollektiv erinnert.

SPRATTELN FÜR DEN FREIRAUM

Bereits am Dienstag Abend wurde mit einer vom Wahlgreifswalder DJ Lofi Deluxe musikalisch begleiteten Vernissage die Ausstellung zum verlorenen Freiraum im IKUWO eröffnet. Ganz überraschend bereicherte Holler dort die Veranstaltung mit einer spontanen Prise Sprechgesang. Das vorgetragene Stück Die alte Nummer 19 (AJZ) entstand nach der Räumung des Hauses am Karl-Marx-Platz.

Bemerkenswert, dass die Räumung des AJZ/Café Quarks popkulturelle Outputs im weitesten Sinn provozierte, denn erst vor wenigen Wochen wurde das Stück An der Zeit veröffentlicht;  Antriebskraft war hier der Abriss des Gebäudes.

HIP-HOP NIEDERDEUTSCHER ZUNGE

Die alte Nummer 19 (AJZ) fällt aber eigentlich aus dem Rahmen des zugehörigen Albums Plattattack, denn das eigentümliche an der Veröffentlichung ist die Sprache. Wer rappt schon auf Plattdüütsch? Wie gut aber Hip-Hop niederdeutscher Zunge funktionieren kann, beweist das Stück Schicksal, das sich eher in Richtung Hamburg als nach Ostvorpommern aufmacht. Unbedingt anhören und einen festen Platz in der Playlist reservieren!

Schicksal (128 kBit/s)

Das komplette Album in wesentlich besserer Qualität (320 kBit/s) wurde von Holler zum kostenlosen Download freigegeben. Ein kurzer Videomitschnitt von der Vernissage steht ebenfalls zur Verfügung. Achtung Live!

We remember Café Quarks! #6: Videos aus dem Archiv

Die Räumung des Greifswalder AJZ/Café Quarks jährt sich dieser Tage zum zehnten Mal. Aus diesem Grund wird vom 30. Januar bis zum 06. Februar eine Woche der kulturellen Freiräume zwischen Gedenken und Zukunftsvision stattfinden. We remember Café Quarks!

Think about Mutation live im AJZ (1993)

Nochmal Film, aber heute wird sehr tief in die Schatzkiste der Videoarchivare gegriffen. Herausgekramt wurde ein Videomitschnitt vom 17. Mai 1993. Damals — also noch vor der Umbenennung in Café Quarks —  spielten die grenzgängerischen Think About Mutation im AJZ am Karl-Marx-Platz. „Trash Metal meets Happy House im Strobogewitter. Ein frühes Dokument einheimischer Rave-Kultur von hohem Schrägheits- und Energiefaktor, inklusive stadtbekannter Persönlichkeiten in verzückt-hilfloser Bemühung um adäquate Körpersprache!“

Das Nachfolgeprojekt der 2002 verblichenen Band, The Sonic Boom Foundation, fand übrigens im Oktober 2009 noch einmal den Weg nach Greifswald und gab ein Konzert im IKUWO. Das von Think About Mutation veröffentlichte Video zur Maxi-Single Irregular (1998) rotierte sogar bei VIVA ZWEI.

Mr. Dead in der Mensa Cafeteria (2001)

Nach der Räumung des Hauses am Karl-Marx-Platz lebte die quarksige Subkultur noch einige Zeit sehr aktiv weiter und agierte fortan im Exil.

wordsound greifswaldDie zu dieser Zeit noch unrenovierte Cafeteria der Mensa bot zeitweise  – und im Verbund mit ungeheuerlichen Anstrengungen – Raum für Veranstaltungen. Mitunter wurden Wahnsinn und Exzess dort auf bis zu drei Floors zelebriert.

Im Mai 2001 trat auf einer solchen Party die Wordsound Crew mit Mr.Dead, Bimos und Leon Lamont (USA) auf. Aus dem New Yorker Untergrund heraus wurden HipHop, Dub und Live Drum´n´Bass serviert. Schräges Horror-Entertainment und intergenerative Augenblicke des Glücks – von der die verwirrte Oma, die auf die Bühne stürmt, einen Eindruck vermittelt – waren historische Momente von unten!

Das und noch viel viel mehr wird im quasi-historischen Format VHS an die Wand geworfen. Außerdem stellt der Abend die letzte Möglichkeit dar, die komplette Ausstellung We remember Café Quarks! in Augenschein zu nehmen.

Fakten: 05.02. | 21 Uhr | IKUWO | freier Eintritt

Pop am Wochenende: RohlexXx „Halt deine Fresse“

Die Reihe „Pop am Wochenende“ versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

Um eine Woche voller politisch korrekter Fingerzeige würdig abzuschließen, werden diese Woche bei Pop am Wochenende ausnahmsweise weder Greifswalder Bands abgefeiert noch mittlerweile aufgelösten Projekten mit einer Träne im Knopfloch hinterhergeweint. Heute geht es um die düsteren Schattenseiten der Stadt.

Vor zwei Tagen veröffentlichte der Greifswalder Rapper RohlexXx das Album Zwischen Ordnung und Chaos und stellt darauf nicht nur geballte textliche Intellektualität zur Schau, sondern präsentiert zugleich das gefährliche Leben in der Gangsta-City Greifswald. Für das offizielle Video von Halt deine Fresse hat der selbsternannte Star des Greifswalder HipHop-Untergrundes auch gleich noch eine ganze Crew Gleichgesinnter hinter sich postiert, die – ihre Kaugummis im Rhythmus des faden Beats bearbeitend – neben einer gesunden Portion Furcht auch eine Menge Respekt einzuflößen vermag.

RohlexXx macht das survival of the fittest in den Ghettos der Hansestadt – gekennzeichnet von Jugendkriminalität, illegalem Waffenbesitz und Drogenkonsum – erfahrbar und veranschaulicht eindrucksvoll jene abgründige Welt, die hinter den bürgerlichen Fassaden Greifswalds steckt. Das Meisterwerk kann man zum sagenhaften Schnäppchenpreis von 5€ direkt und per Email beim gefährlichsten Musiker der Stadt bestellen.

Mütter und Väter, behütet eure Kinder!