Rechtsextreme Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern — vom Landtag bis zu Blood & Honour

Die Strukturen der rechten Szene Mecklenburg-Vorpommerns sind seit Jahren eng miteinander verwoben, doch erst der Einzug der NPD in den Landtag 2006 gab den Neonazis die finanziellen Möglichkeiten, ihre Netzwerke so stark aufzustellen wie heute.

RECHTSEXTREMISMUS IN MV MIT KNAPP 7 MILLIONEN EURO SUBVENTIONIERT

Knapp 1.240.000 Euro bezog die Landtagsfraktion der NPD im vergangenen Jahr aus der öffentlichen Hand. Darunter fallen zum Beispiel die Diäten der Abgeordneten, mit denen ihr zur Profession entwickelter Hass stattlich wie staatlich entlohnt wird. NPD-Spitzenverdiener ist dabei Udo Pastörs, der als Fraktionsvorsitzender mit einem Bruttomonatsgehalt von über 10.000 Euro doppelt so viel verdient wie ein normales Mitglied der Fraktion, das mit 5393,10 Euro auskommen muss.

finanzen gelder npd mv

Darüber hinaus  erhalten die antidemokratischen Landtagsmitglieder der NPD zur Gewährleistung ihrer parlamentarischen Arbeitsfähigkeit Zuwendungen für die Unterhaltung ihrer Wahlkreisbüros. 2011 gab es hierfür monatlich 1236 Euro je Abgeordneten sowie knapp 3500 Euro für weitere Personalkosten. Hinzu kamen im vergangenen Jahr noch Fraktionszuschüsse von über 590.000 Euro. Seit ihrem Einzug in den Landtag 2006 flossen auf diese Weise fast 7 Millionen Euro in die Kassen der NPD MV und auf die Konten gut vernetzter Neonazis.

(Tabelle: Endstation Rechts, 08/2011)

DAS GELD WANDERT DIREKT IN DIE SZENE

Was mit diesen Geldern angestellt und aufgebaut wird, das kann man zum Beispiel in Grevesmühlen begutachten. Dort befindet sich mit dem sogenannten „Thinghaus“ ein nationales Immobilienprojekt hinter stacheldrahtbesetztem Palisadenzaun, der nur von einem Wachturm überragt wird. Hier hat unter anderem das rechtsextreme Internetportal Mupinfo seinen Sitz. „Rechtsextreme Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern — vom Landtag bis zu Blood & Honour“ weiterlesen

Wo die Greifswalder NPD-Wähler zuhause sind. Nachbetrachtung zum Wahlmarathon in MV

Vier Tage sind seit dem Wahlmarathon des vergangenen Sonntags vergangen, bei dem die Bürgerinnen Mecklenburg-Vorpommerns dazu angehalten waren, mit jeweils zwei Stimmen über die Zusammensetzung des Landtags zu entscheiden. Dazu gesellten sich außerdem Landrats- und Kreistagswahl sowie ein Votum über den Namen des neugebildeten Großkreises Südvorpommern.

Grüne und SPD sind Wahlsieger, NPD gelingt Wiedereinzug

Auf Landesebene durften sich Ministerpräsident Erwin Sellering und seine SPD über einen relativen Stimmenzuwachs von über fünf Prozentpunkten freuen. Ebenso die Grünen, denen jetzt auch in Mecklenburg-Vorpommern der Einzug in den Landtag glückte. Die CDU musste herbe Stimmverluste hinnehmen und die FDP spielt im Landesparlament vorerst keine Rolle mehr.

Die NPD konnte nicht aus dem Landtag hinausgekegelt werden und wird dank über 40.000 Zweitstimmen auch in der kommenden Legislatur im Schweriner Schloss Platz nehmen dürfen — wenn auch mit mindestens einem der sechs Fraktionsmitglieder weniger als zuvor. Möglich wurde der Wiedereinzug nicht zuletzt durch eine Wahlbeteiligung, die nur knapp über 50 Prozent lag. Am Wahlergebnis der NPD ist aus regionaler Sicht vor allem ihr Zuspruch aus dem grenznahen Osten des Bundeslands alarmierend, aus demografischer Perspektive sind es die Zustimmungsraten der Jungwähler.

Die Rechtsextremen werden aber nicht nur im neuen Landtag vertreten sein, sondern auch im neuen Großkreis, der von nun an den hölzernen Namen Vorpommern-Greifswald tragen wird. Dort erzielten die Neonazis ein besseres Ergebnis als FDP oder DIE GRÜNEN und sind als fünftstärkste Partei mit dabei. Diese Kreistagswahlen wurden von den Christdemokraten gewonnen, mit Matthias Bahner gelang sogar einem Piraten der Einzug.

Bei der Abstimmung über die neue Landrätin entschied sich die Mehrheit für Barbara Syrbe (DIE LINKE) und nicht für die CDU-Kandidatin Uta Maria Kuder — eine Stichwahl wird am 18. September entscheiden, welche der beiden Frauen zukünftig dieses Amt bekleiden wird. Außerdem wird noch im Wahlkreis 33  auf Rügen gewählt, wo der Urnengang aufgrund des plötzlichen Todes eines Kandidaten um zwei Wochen verschoben wurde. Hier fällt die Entscheidung darüber, ob die NPD mit vier oder fünf Abgeordneten im Landtag vertreten sein wird.

Greifswald: Wo wurde die NPD gewählt?

In Greifswald hielt sich der Zuspruch für die NPD in Grenzen und blieb mit 4,6% unter dem Landesschnitt. Dieses relativ schlechte Ergebnis sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass über 1000 Greifswalder Wähler den Rechten ihre Zweitstimme gaben. Grund zur Sorge bereitet auch die schlechte Wahlbeteiligung in der Hansestadt, die mit 51,3% im landesweiten Trend zur Wahlenthaltung liegt und Fragen nach Repräsentativität und Legitimität der gewählten Vertretungen provoziert.

Differenziert man das Greifswalder Wahlergebnis nach den einzelnen Wahlbezirken, so wird deutlich, wie wenig homogen votiert wird, in welchen Gebieten die NPD ihr größtes Wählerpotenzial hat und wo die meisten Nichtwähler leben. Eines der Stadtgebiete, in dem massenhafte Wahlenthaltung und zweistelliges NPD-Ergebnis miteinander einhergehen, ist der Wahlbezirk 38 (Humboldt-Gymnasium). Hier gaben nicht mal ein Viertel der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, die NPD erreichte beängstigende 12,1 Prozent. „Wo die Greifswalder NPD-Wähler zuhause sind. Nachbetrachtung zum Wahlmarathon in MV“ weiterlesen

Festgehalten: „Nazis abwählen!“ auf Reisen

Mit einem Foto vor dem Schweriner Landtag hat die Reise des überdimensionalen Banners begonnen, das der Pfadfinderbund Mecklenburg-Vorpommern im Zuge einer Kampagne gegen die Wiederwahl der NPD in den Landtag durch das Bundesland schickte.

In den vergangenen Wochen und Monaten versammelten sich zum Beispiel bei der Fête de la Musique in Greifswald, dem Stralsunder Rock gegen Rechts oder beim mitLeben auf Rügen unzählige Menschen hinter dem Banner und positionierten sich deutlich, um zum Wahlgang aufzufordern und die NPD mit Karacho gegen die 5%-Mauer rasen zu lassen.

Das mittlerweile mit vielen kleinen Statements versehene Banner ist bis Sonntag am Greifswalder Dom zu begutachten.

Fake im Wahlkampf: NPD fordert Gleichberechtigung homosexueller Paare *Update*

In der letzten Nacht wurden in der Greifswalder Innenstadt Plakate angebracht, auf denen die beiden NPD-Kader Udo Pastörs und Holger Apfel abgebildet sind, flankiert von der Forderung nach Gleichberechtigung homosexueller Paare.

Falsche Flagge, wiege dich im Wind!

Das mag auf den ersten Blick verwundern, denn allzu häufig kokettieren Neonazis mit Ressentiments gegen homosexuelle Liebe — für gleichgeschlechtliche Partnerschaft ist im nationalen Weltbild kein Platz, denn sie bedrohe die Gesundheit des Volkskörpers. Erst bei der genaueren Beobachtung des Plakats dämmert es langsam: vor uns hängt das Werk feister Kommunikationsguerillos. Doch ob diese Art der Affirmation den gewünschten Erfolg erzielen wird, darf bezweifelt werden. Zu undeutlich ist die falsche Flagge, der obendrein auch selbst homophobes Potenzial innewohnt, wie daburna kritisiert.

npd plakate affirmation

Touristen raus aus Vorpommern!

Um zu erkennen, dass affirmative Aktionsformen keine Erfindung des 21. Jahrhunderts sind, reicht schon ein Blick auf den 1998 in Greifswald geführten Landtagswahlkampf. Über Nacht tauchten damals unzählige Plakate der NPD auf, die in deutlicher Sprache verkündeten: Deutsche Frauen rauchen nicht! Deutsche Männer trinken nicht! Touristen raus aus Vorpommern!  Damals zogen die Schergen der NPD tags darauf durch die Stadt, ihre vermeintlich eigenen Werbemittel von den Mästen holend.

Das ist in diesem Fall leider gar nicht notwendig, denn der satirische Hintergedanke ist einfach zu undeutlich herausgearbeitet und kann an die unlängst von der PARTEI in Umlauf gebrachte Adaption eines NPD-Plakates (Gas geben!), das statt des Bundesvorsitzenden Udo Voigt plötzlich den alkoholfreudigen Rechtspopulisten Jörg Haider zeigte, nicht anknüpfen.

Die ersten Plakate wurden inzwischen von den Laternen geholt — schade um die Mühe.

(Foto: knicken)

*Update* 30.08.

Es gab noch weitere, und bessere Motive, die bei den (merkbe)frei(t)en Kräften ansehbar sind.

Ärger mit dem Flaggschiff — der NPD droht Ungemach

Wie der Tagesspiegel am 23. August berichtete, steht der NPD-Fraktion des Landtags einmal mehr Ärger ins Haus. Die klamme Partei steht in Verdacht, ihren derzeit in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführten Wahlkampf aus Fraktionsgeldern mitzufinanzieren. Das verstößt gegen die vorgeschriebene Trennung von Partei- und Fraktionsgeldern und konfrontiert die Rechtsextremen mit dem Vorwurf der unerlaubten Parteienfinanzierung.

ORDNUNGSRUF + FLAGGSCHIFF = STRAFZAHLUNG 

Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider hat inzwischen den Bundestagspräsidenten und den Landesrechnungshof darüber informiert. Konkret geht es dabei um den Einsatz der Fraktionspostille Der Ordnungsruf, die im Wahlkampf massenhaft verteilt wurde. Die presserechtliche Verantwortung für das Blatt trägt Fraktionsvorsitzender Udo Pastörs. Vom abgedruckten Hinweis, dass diese NPD-Veröffentlichung nicht zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden dürfe, nahmen die Wahlkämpfer aber bislang keine Notiz oder ignorierten ihn.

npd waterkant pressemitteilung

Neben dem unerlaubten Einsatz dieser Zeitung wird der Fraktion vorgeworfen, dass ein fraktionseigenes Fahrzeug von NPD-Abgeordneten unerlaubt zur Wahlwerbung genutzt wurde. Der Bundesgeschäftsführer der NPD, Klaus Beier, schließe laut Tagesspiegel „kategorisch“ aus, dass Bretschneiders Vorwürfe zuträfen.

Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen liebevoll Flaggschiff Waterkant Mercedes-Transporter, der in den vergangenen Wochen auf unzähligen NPD-Wahlkampfterminen zu bestaunen war — in Greifswald zuletzt am 10. August auf dem Fischmarkt. Die Aufnahmen von Greifswald TV belegen das, kategorischer Ausschluss hin oder her. Und nicht zuletzt dokumentieren auch die eigenen Pressemitteilungen der NPD-Fraktion den Einsatz des Fahrzeugs zu Wahlkampfzwecken. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, muss die NPD mit einer weiteren Strafzahlung rechnen.

„BÜRGERLICH IST AN DIESER NPD NUR DIE FASSADE“ 

Einen kurzen Bericht über den Wahlkampf der NPD in Mecklenburg-Vorpommern strahlte vorgestern der NDR aus. Darin sind einige Facetten der Neonazis abgebildet: vom Kinderfest in Anklam über Provokationen im Schweriner Landtag bis zu freien Kameradschaften und Udo Pastörs‘ Agitationen, den Parteienstaat abschaffen zu wollen.

Das Video ist in guter Qualität auf der Webseite des NDR ansehbar. Außerdem wurde es vom Benutzer Landtagswahl, der ausschließlich NPD-Videos veröffentlicht, bei Youtube hochgeladen — dementsprechend sind die im Video integrierten Links einzuordnen.

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Mehr zum Thema:

Fleischervorstadt: Plakate der etablierten Parteien von NPD-Wahlkämpfern zerstört

Gestern Nacht gegen ein Uhr war eine größere Gruppe teilweise bewaffneter Neonazis in der Fleischervorstadt unterwegs und machte Wahlkampf auf eigene Art.

Zwei Transporter und ein Pick-up, auf dessen Ladefläche vermummte Wahlhelfer Platz fanden, rollten langsam durch die Straßen — eine krude Szenerie, die wie ein Hybrid aus Wikingjugend und amerikanischen Hinterwäldlern erscheint. Hinter dem Tross liefen noch weitere vermummte Neonazis, immer auf der Hut.

Das Zusammenspiel von NPD und freien Kräften funktioniert offenbar noch und entsprechend vielseitig fällt die nächtliche Wahlkampftour aus: Es wurden nicht nur etliche Werbematerialien an den Mast gebracht, sondern gleichzeitig die Plakate etablierter Parteien beschädigt, natürlich nicht ohne dabei die eigene Position mitzuteilen. Das beginnt beim aufgekritzelten Galgen auf einem Plakat der LINKEN und geht weiter mit unverhohlenen antisemitischen Schmiereien am Konterfei des Ministerpräsidenten Sellering. Erst vor etwa zwei Wochen wurde ein Plakat Ulf Dembskis mit einem Fadenkreuz auf seinem Gesicht und dem Aufruf Verräter köpfen! bedacht.

Während der Plakatierung wurde außerdem der Schaukasten des Internationalen Kultur- und Wohnprojekts (IKUWO) mit dem Schriftzug Ikuwo abreissen! ANG! beschmiert.