Ostsee-Zeitung will Pedalritter verschrotten

Versprochen ist versprochen: In der vorletzten Wochenendausgabe der Ostsee-Zeitung kündigte Redakteur Dr. Eckhard Oberdörfer an, zukünftig auf die beiden Begriffe „Pedalritter“ und „Drahtesel“ verzichten zu wollen.

Die Chance, dass diese beiden grausligen Ausdrücke nun in die lokaljournalistische Mottenkiste wandern, ist zum Greifen nahe.

„NIE WIEDER PEDALRITTER, VERSPROCHEN!“ 

Der Redakteur und Überbringer der hoffnungsweckenden Botschaft gehört selbst zur radelnden Zunft. Sein Faible für die beiden welkgewordenen Stilblüten erklärt er damit, nach entsprechenden Synonymen gesucht zu haben. Er äußerte sich betroffen darüber, dass sich andere durch den Begriff „Pedalritter“ als Verkehrsrowdys diskriminiert gefühlt hätten. In dieser Hinsicht darf von meiner Seite aus Entwarnung gegeben werden.

Unangenehmer als der Verkehrsrowdy ist dagegen die Zuordnung zu einer Klasse sozial privilegierter und mordlüsterner Männer mit einem Fetisch für metallene Kleidung — aber das ist vielleicht auch nur so eine persönliche Abneigung, die sicher nicht von allen geteilt wird. Viel wichtiger: die „Pedalritter“ verschwinden endlich, gerne auch zum Preis der befürchteten Wortwiederholungen.

Und wenn es dann doch etwas variantenreicher werden darf, gibt es neben den „Fahrradfahrern“ auch „Radfahrer“ und „Radler“, sowie die geschlechtergerechten „Fahrradfahrenden“, „Radfahrenden“ und „Radelnden“. Der Duden kennt außerdem noch „Biker“ und „Bikerin“, aber das ist dann vielleicht doch etwas zuviel des Guten. Wer aber trotzdem auf weltmännisch machen will, könnte noch mit dem spanisch-italienischen „Bicyclista“, der französischen „Cycliste“ oder den „Velofahrern“ aus der Schweiz liebäugeln.

Nehmen wir den Redakteuer beim Wort: „Nie wieder Pedalritter, versprochen!“

Assimilation in der Lokalredaktion

Die jungen freien Redakteure der Ostsee Zeitung produzierten in der jüngeren Vergangenheit in meinen Augen die lesenswerteren Artikel. Einer von ihnen ist Matthias J., der mich mit mehreren Reportagen begeistern konnte.

Leider scheint die Assimilation in die Lokalredaktion und die Anpassung an den vorherrschenden Wertekanon schneller abzulaufen, als ich vermutete. J. kam heute die zweifelhafte Ehre zuteil, Guten Tag, liebe Leser! zu gestalten. Es ging diesmal weder um Hundekot noch um Pedalritter Fahrradfahrer, nicht um Schandflecken oder Falschparker. Heute wurde sich wieder im publizistischen Greifswalder Lieblingsvolksport geübt: dem Graffiti-Bashing.

Laut J. sind 90% alle illegalen Graffiti „nicht nur häßlich, sondern […] [sorgen] regelmäßig auch für schockierte Haubewohner und leere Kassen bei denen, die es teuer beseitigen lassen müssen.

Eigentlich möchte der Redakteur auf eine Veranstaltung am kommenden Wochenende hinweisen, auf der die Mauern am Ryck eine optische Generalüberholung erfahren sollen. Und eigentlich möchte er auch darauf hinweisen, dass „Graffitikunst und illegale Schmierereien nicht gleichzusetzen sind„. Aber genau das tut er leider, denn sein Kriterium, den künstlerischen Wert der Wandmalereien zu bemessen, ist juristischer, nicht ästhetischer Natur. Schade, zumal der junge Mann doch selber Kunst studiert.

Hauptstadt der Sicherheit

Eckhard Oberdörfer begrüßte heute die LeserInnen des Lokalteils der Ostsee Zeitung. Die Urheberschaft des Textes war schon nach wenigen Zeilen klar. Pointiert ausgedrückt, bearbeitet Oberdörfer eigentlich nur drei Themengebiete: das historische Greifswald, die Universität und jugendliche Kleinkriminalität.

Die erstgenannten beiden Themen sind bei Oberdörfer in guten Händen, keine Frage. Aber über den moralisierenden Stil in den Berichten und Kommentaren über Kleinkriminalität habe ich mich hier schon mehrfach beschwert.

Ich habe häufig einen Wilhelm Busch mit Zeigefinger vor Augen, wenn jugendliche Delinquenten als Banausen oder Rabauken bezeichnet werden. Kleinkriminalität meint in diesem Zusammenhang zum Beispiel das Befahren der Fußgängerzone ebenso wie den Diebstahl von Drahteseln Fahrrädern. Pedalritter FahrradfahrerInnen in Greifswald haben es schwer, eine lange Beziehung zu ihren unmotorisierten Individualverkehrsmitteln herzustellen, denn die Zahl der Fahrraddiebstähle pro Kopf dürfte uns im bundesweiten Vergleich eine Platzierung im oberen Drittel garantieren.

Aber ist es denn ratsam, auf den Titel Hauptstadt der Fahrraddiebe zu verzichten und stattdessen zur Hauptstadt der Sicherheit zu pervertieren, Herr Oberdörfer? Das erinnert mich an britische Städte wie Manchester, in denen jeder Bürger und jede Bürgerin durchschnittlich einhundert mal am Tag von Überwachungskameras gefilmt werden. Und so ganz weit hergeholt ist das alles ja auch nicht, Rufe nach Videoüberwachung des öffentlichen Raums werden immer wieder laut und eine Bürgerwehr einen Bürgerservice gibt es inzwischen auch in Greifswald. Patrouillen also, die Ordnung, Ruhe und Sauberkeit in der Stadt durchzusetzen versuchen.

Was wir brauchen ist nicht mehr Sicherheit, das sind mehr öffentliche Fahrräder!

Verkehrszählung

Im Juli wurde eine umfassende Verkehrszählung in Greifswald durchgeführt. Eruiert wurden dabei die Ströme der Pedalritter FahrradfahrerInnen, die sich über holprige Wege ihren Weg durch die Stadt bahnen.

Die Daten sind inzwischen ausgewertet und liegen seit einigen Tagen vor. Ich möchte auf daburnas Beitrag und das textliche Kollektivprodukt des webmoritz zu diesem Thema hinweisen, um nicht selber noch den dritten Text dazu zu veröffentlichen.

Schwarze Kinderstreiche

CDU-Spendenaffären sind für sich genommen nicht überraschend. Wer dann und wann die Medien verfolgt, bekommt den Eindruck, dass finanzielle Zuwendungen und Steuerhinterziehung zu gängigen Methoden politischer Arbeit gehören. Ebenso wenig überraschte die Nachricht, dass auch die lokale CDU vom Einsatz solcher Methoden profitierte.

Da investierte ein Konzern horrende Summen, Millionenbeträge, in den Aufbau einer arbeitgeberfreundllicheren Betriebsräte-Organisation (soll kürzlich auch 350.000€ von ALDI empfangen haben), die mit der IG Metall konkurrieren soll.Wilhelm Schelsky wurden einst diese Gelder überlassen.

ULRICH ADAM UND ARTHUR KÖNIG WURDEN BEGÜNSTIGT

Der Netzwerker sitzt seit Februar 2007 in Untersuchungshaft. Schelsky soll das Geld großzügig zur Vertiefung persönlicher Netzwerke gebraucht haben. Ulrich Adam (CDU), Mitglied des Bundestages (es sitzen dort nur vier Vertreter unseres Bundeslandes von der CDU) wird vorgeworfen, einen Teil dieses Geldes am Fiskus vorbei angenommen zu haben, um dadurch fällige Schenkungssteuern zu sparen.

Gestern erschien ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung, aus dem hervorgeht, dass Adam zwar mittlerweile angenommene Spenden einräumte, er allerdings die fragliche Summe sehr stark nach unten korrigierte, den Betrag halbierte. Zudem ist herausgekommen, dass auch der Wahlkampf des Greifswalder Oberbürgermeisters Arthur König (CDU) direkt von Schelsky mitfinanziert wurde.

VIDEOÜBERWACHER UND GRAFFITIJÄGER

Das alles finde ich persönlich gar nicht so spektakulär, die Geschehnisse bestätigen meinen Eindruck von Berufspolitik. Verwerflich finde ich allein, dass die Herren Videoüberwacher und Graffitijäger ihrerseits in Unternehmungen verwickelt sind, die eines weit größeren Maßes krimineller Energie bedürfen, als es bei nächtlichem Vandalismus der Fall ist.

Moralische Doppelbödigkeit nennt man sowas gemeinhin. Sie nährt erstens die Politikverdrossenheit und führt zweitens dazu, dass im öffentlichen Bewusstsein die sich zum Volkssport mausernde fiskalische Kriminalität verharmlost wird.

In einer Erklärung der CDU-Fraktion zum Thema Vandalismusbekämpfung heißt es:

Das sind keine Kinderstreiche mehr … Vandalismus und Sachbeschädigung sind Straftaten. Um diesen beizukommen, sollte der Einsatz von Videoüberwachung an schlecht einzusehenden Plätzen, insbesondere in den Abendstunden, geprüft werden. Die Kameras haben eine präventive Wirkung und können bei Straftaten, wie im jetzigen Fall an der Fischerschule, zur Aufklärung beitragen.

DIE OSTSEE ZEITUNG SCHWEIGT

Vielleicht sollten die Kameras an anderen Plätzen stehen, wo ebenfalls keine Kinderstreiche ausgeheckt werden?

Delikat an der Affäre ist darüber hinaus, dass sich die Lokalredaktion der Ostsee Zeitung zum Thema ausschweigt. War die Berichterstattung im April schon sehr defensiv, vorsichtig, subjektiv und unmotiviert, erscheint auch heute keine Meldung dieser Nachricht im Lokalteil. Man braucht kein Lokalverschwörungstheoretiker zu sein, um sich die Beziehungen des hiesigen CDU-Kommandos, einflußreicher Wirtschafter und der Lokalchefredaktion als funktionierendes Netzwerk vorzustellen.

Die OZ hat sich durch ihre einseitige Berichterstattung und ihren agressiven Ton bezüglich der Klage gegen das Prozedere des WVG-Anteilverkaufs erst jüngst von ihrer gewohnten Seite gezeigt, wie der webmoritz ausführlich dokumentierte und kommentierte. Allein im überregionalen Teil der Zeitung findet sich auf der Titelseite ein Artikel und ein Kommentar.

Üblicherweise würde die Lokalredaktion einer Nachricht dieses Wertes zusätzlich Raum und Wort im Lokalteil einräumen; stattdessen gibt es dort einen Artikel über zwei betrunkene Radfahrer Pedalritter und einen Autospiegelzerstörer zu bewundern. Bravo!