Offener Brief von Aktivistinnen zur geplanten Frauentagsparty im Kontorkeller
Hallo liebes Kontorkeller-Team!
Am 11. März wollt ihr mit Bezug auf den internationalen Weltfrauentag eine Party mit dem Titel „Mädelzabend“ feiern. Um für diese Party zu werben, habt ihr tief in die Marketingschublade „Sexistische Frauenbilder“ gegriffen. Mehr wütend als überrascht — denn ihr spielt ja öfter mit heteronormativen Geschlechtsstereotypen — haben sich einige Menschen zusammengefunden, die sich fragen, wie man auf die Idee kommen kann, zum Anlass des Frauentags eine antifeministische Party zu feiern.
Betty Boops charakteristische Merkmale sind auf das äußere Erscheinungsbild beschränkt
Ihr bewerbt eure Party wiederholt mit der Cartoon-Figur Betty Boop. Die Flyer, der Banner und auch die Facebookseite werden von verschiedenen Betty Boop Bildern dekoriert. Häufig posiert die Figur halbnackt und „sexy“, mal im leeren Raum, mal auf einem Sofa, einmal ist sie shoppend unterwegs. Wir fragen uns, warum ihr gerade diese Figur zum Anlass des Frauentages ausgewählt habt, steht Betty Boop nun nicht wirklich für Werte, die am internationalen Weltfrauentag gefeiert werden. Betty Boop mag in den 1920er und -30er Jahren als Flappergirl die geltenden, diskriminierenden gesellschaftlichen Normen hinterfragt haben, heute ist die Cartoon Figur aber alles andere als emanzipativ: Betty Boops charakteristische Merkmale sind ihre kurzen Kleider, welche ihre Körpermerkmale betonen, viel Schmuck, rot geschminkte Lippen und häufig ein aufreizender Blick. All diese Merkmale sind auf das äußere Erscheinungsbild beschränkt. Wird die Figur jemals als klug, stark oder sogar mutig dargestellt? Kaum.
Online-Werbung für die „Frauentagsparty“ im Kontorkeller
Außerdem weist ihr auf eurer Facebook-Seite darauf hin, dass es an dem Abend alles geben wird, was zu einem Frauentag dazu gehört. Dann zählt ihr ein paar Musikstile auf und versprecht attraktive Barkeeper. Soll das witzig gemeint sein? Attraktive Barkeeper also? Meint ihr damit, dass wir Frauen alle heterosexuell sind und wenn wir feiern gehen vor allem auf der Pirsch nach dem nächsten (Sex-) Partner sind? Und dass dieser natürlich unheimlich attraktiv sein muss?
„Es ist klein, es ist sexy und es verschafft dir einen Vorteil“
Kostenlose Anzeigenzeitschriften sind rätselhafte Medienprodukte, die ihren Lesern kaum inhaltlichen Mehrwert bieten und stattdessen auf Schmusekurs mit regionalen Unternehmen gehen — zumindest, sobald diese Anzeigen schalten.
In Greifswald gibt es mit dem Stadtgespräch, das vor einer Weile die Besitzerin wechselte und nun vom gleichen Verlag wie das Vorpommern Magazin herausgegeben wird, nur noch zwei klassische Vertreter dieses publizistischen Genres. Beide Zeitschriften ähneln sich sowohl inhaltlich als auch optisch und haben große Mühe, einzuhalten, was ihr hochglänzender Umschlag verspricht. „Native Advertisment: Anzeigenblätter verwandeln Titelseiten in Werbeflächen“ weiterlesen →
Geistig umweihnachtet, möchte ich mich an dieser Stelle bei allen treuen und neuen Leserinnen und Lesern für die erbrachte Aufmerksamkeit bedanken. Es sind gerade eure Zu- und Widersprüche, eure Ergänzungen und Kommentare, eure Diskussionen und Expertisen, eure Korrekturen und Hinweise, eure freilizensierten Fotos und Videos, eure diskreten Weiterleitungen und Informationen, die den Fleischervorstadt-Blog zu dem machen, was er ist, und ohne die dieses Projekt in jetziger Form nicht funktionieren würde.
Ich möchte mich darüber hinaus auch explizit bei allen Spendern und Werbepartnern bedanken, zu denen im Jahr 2011 neben den Flattr-Nutzerinnen und einem anonymen Spender auch die Stadtwerke Greifswald, die Imkerei-Gerhard, die Koeppentage und das regional-touristische Angebot Seidenpfade gehörten.
Seit November unterstützt außerdem die Greifswalder Kanzlei für Arbeits- und Sozialrecht diesen Blog als feste Sponsorin und beteiligt sich damit an der Finanzierung meiner Arbeit. Hierfür sei ihr nochmal im Besonderen gedankt und gleichzeitig auf deren Internetseite hingewiesen. Dort wird einWiderspruchsgenerator für unliebsame Entscheidungen der ARGE angeboten, den man sich auch als Nichtbetroffene unbedingt einmal ansehen sollte. Für das kommende Jahr suche ich weitere regionale Werbepartner, um den Fleischervorstadt-Blog auf belastbarere Füße stellen zu können und um einige neue Ideen umzusetzen.
Bis dahin wünsche ich euch allen, dass ihr die letzten Tage dieses Jahres auf dem Sofa oder der Ofenbank eurer Freunde verbringen dürft. Nutzt die verbliebene Zeit, um den tatenlosen Ausbruch aus der Leistungsgesellschaft zu proben, engagiert euch höchstens müdlich und kommt dabei auf keinen Fall ins Schwitzen – auf ein weiteres Jahr mit euch!
Die beiden Fachbuchverläge Beck und Vahlen führen derzeit eine Geschenk-Aktion durch, in deren Verlauf sie Thermobecher verschenken. Um eines dieser Hellwach genannten Trinkgefäße zu ergattern, muss man nicht viel mehr tun, als den Coupon auszudrucken und ihn in einer Buchhandlung einlösen.
Die Aktion findet bundesweit statt, in Greifswald kooperieren die Verlage mit den beiden Buchhandlungen Weiland (Am Markt 20) und Rats- und Universitätsbuchhandlung (Lange Str. 77). Auf dem Sparblog und der Facebook-Seite Jurastudent/in Hellwach findet sich außerdem eine Liste mit beteiligten Buchhandlungen in anderen Städten.
Eigentlich sollte man erst Fan dieser Seite werden, ehe man zum Coupon gelangt, der Gutschein ist allerdings auch hier als pdf-Dokument abruf- und ausdruckbar.
Heute darf ein kleines Jubiläum verkündet werden, denn auf dem Fleischervorstadt-Blog ist mit der vorliegenden Meldung der nunmehr tausendste Beitrag veröffentlicht worden! Doch bevor hier vor lauter Selbstgratulation die Sektkorken knallen, soll dieses Jubiläum mit einem verschriftlichten Selbstgespräch zum Anlass genommen werden, einen Blick hinter die Kulissen zu risikieren.
“MAN MUSS ZUMINDEST VERSUCHEN ZU BESCHREIBEN, WAS MAN NICHT VERÄNDERN KANN”
Seit wann existiert der Blog und warum hast du damit anfangen, im Netz zu schreiben?
Der erste Beitrag wurde hier im November 2005 veröffentlicht. Angetrieben vom Willen, selbst zu bloggen und dieses faszinierende neue Medium aus Produzierenden-Perspektive entdecken zu können, begann ich damals die Arbeit an der Seite. Ich versammelte Kuriositäten und orthografische Missgeschicke aus unserer Umgebung.
Und seitdem läuft der Blog so wie heute?
Nein, leider nicht. Zwischendurch gab es immer wieder Phasen, in denen über Wochen nichts veröffentlicht wurde. Erst im Laufe des Jahres 2008 gewann die Seite an Fahrt: Die Beiträge wurden ausführlicher, die Publikationsfrequenz steigerte sich und die Zahl der täglichen Leserinnen begann zu wachsen.
Wieviele Leute erreichst du denn heute täglich und warum sprichst du von Leserinnen und nicht von Lesern? Sind hier nur Frauen unterwegs?
Inzwischen zähle ich hier täglich mehr als 1000 Besucher, deren Zugriffe in über 55% der Fälle aus Greifswald stammen. Den Frauenanteil schätze ich dabei auf ungefähr 40%. Da ich kein Freund des Binnen-I, der Doppelnennung oder des Unterstrichs bin, mich aber trotzdem um eine gewisse gender fairness bemühen möchte, versuche ich, möglichst fließend zwischen generischem Maskulinum und generischem Femininum zu changieren. Geschlechtergerechte Sprache ist mir grundsätzlich sehr wichtig, Lesbarkeit aber ebenso.
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Thema veröffentlichte ich vor einem knappen Jahr unter dem TitelDie Angst vor der Entmannung. Das war eine Replik auf das antifeministische Plagiat eines inzwischen geschassten Lokaljournalisten und späteren Hilfsangestellten im Bildungsministerium.
“IST DAS NOCH BOHÈME ODER SCHON DIE UNTERSCHICHT?”
Wieviel Zeit und Energie investierst du in den Fleischervorstadt-Blog? Ist das für dich sowas wie ein Hobby oder eher eine Arbeit?
Inzwischen beides. Der Blog hat sich für mich zu Beginn des Jahres 2009 von einem Hobby zu einer Art Arbeit entwickelt, und zwar aus drei Gründen: Erstens hat sich — nicht zuletzt durch die selbstgenerierte Publikationserwartung der Leserschaft — der notwendige zeitliche Aufwand massiv erhöht. Dieser war irgendwann so groß geworden, dass ich zweitens beschloss, mit dem Blog auch etwas Geld zu verdienen. Seit März 2009 beschäftige ich mich also auch mit der Monetarisierung der Seite. Und drittens habe ich das Gefühl, mich jetzt in diesem Projekt so fest eingerichtet zu haben, dass ich da auch gar nicht mehr einfach so rauskomme.
Viele Organisationen schicken mir Pressemitteilungen oder möchten gern ihre Veranstaltung angekündigt sehen. Ich empfange täglich knapp 100 solcher E-Mails und habe wirklich tüchtig zu tun damit, zu sortieren, auszuwählen und gegebenenfalls etwas zu den Themen zu schreiben.
Neben einer Arbeit ist der Fleischervorstadt-Blog für mich aber nunmehr eine Aufgabe geworden. Die Seite dient ja nicht zuletzt auch dazu, Subkultur in all ihren Ausprägungen sichtbar zu machen, zu vernetzen, zu informieren und zu mobilisieren. Das erfüllt natürlich auch eine dokumentarische Funktion. So fördern Recherchen nach den vielfältigen Ausprägungen sozialer Bewegungen im Greifswald der Neunziger Jahre bedauerlich wenig zu Tage, hingegen sind viele Aspekte Greifswalder Subkultur hier in den vergangenen zwei Jahren festgehalten und für ein mögliches Später bewahrt worden.
Mussten wir beispielsweise damals noch für die Ausstellung Remember Café Quarks die alten Flyer zusammensammeln, Plakate einscannen und Zeitungsartikel entfalten, liegt nun eine umfangreichere — wenn natürlich keineswegs umfassende — Materialsammlung Greifswalder Subkultur vor. Ansonsten gibt es wenige Seiten, wo sozusagen viel aufgehoben wird, abgesehen von den leider eingeschlafenen Bestrebungen des Lebenwesen-Blogs, der bis dato 11 Ausgaben des Stadtstreichers digital republizierte und damit eine wertvolle Quelle sicherte.
Ja, nun werde aber doch mal bitte konkret! Wieviel Zeit investierst du täglich und wieviel Geld verdienst du mit dem Blog?
Ich bin normalerweise mindestens vier Stunden täglich mit dem Blog beschäftigt. Das beginnt beim Frühstück mit den E-Mails und den ersten Nachrichten des Tages und setzt sich nach getaner Lohnarbeit am frühen Nachmittag fort. Wenn dann kein Plenum ansteht, nicht mit der Band geprobt wird und ich auf keiner Veranstaltung bin, geht es bis zum Abend weiter. „Intern: Der Fleischervorstadt-Blog wird 1000!“ weiterlesen →
Und, ist Ihr Interesse an Politik in den letzten Tagen auch wiedergeweckt worden? Konnte die durch den Wirbel um die vielseits belächelten Plakate der CDU Mecklenburg-Vorpommern freigesetzte Aufmerksamkeit Ihrer politischen Verdrossenheit vorbeugen? Wenn ja, dann seien Sie von Vincent Kokert, seines Zeichens Generalsekretär der CDU M-V, gewarnt: „Das kann nur der Einstieg in eine inhaltliche Auseinandersetzung sein.“
Verhöhnt uns!
Gemeinsam mit der Osnabrücker Werbeagentur Hagenhoff entwickelte die CDU ein Wahlkampf-Plakat, das sie wieder in die Diskussion bringen sollte. Herausgekommen ist ein Motiv, auf dem Spitzenkandidat Lorenz Caffier das bildungspolitische Anliegen seiner Partei formelhaft auf den Punkt bringt: C wie Zukunft. Vincent Kokerts Kollege Klaus-Dieter Götz, Geschäftsführer der CDU M-V, bewertete die Kampagne positiv: „Der Slogan ist ein Erfolg. Durch ihn sind wir bei den Menschen im Gespräch.“
Fraglich ist nur, wie über die Christdemokraten gesprochen wird, denn in den vergangenen beiden Tagen verzichtete kaum eine Redaktion darauf, die Werbestrategie der CDU zu verhöhnen. Die Hamburger Morgenpost schrieb vom „Gaga-Motto“, der Befund von taz und NDR fiel legasthenisch aus und auf allen Kanälen amüsiert man sich köstlich über den Fauxpas.
CDU kündigt noch „weitere Knüller“ an
Einen Honigtopf für Schadenfreudige im Internet richtete alsbald der 19-jährige Schüler Dennis Morhardt mit der Seite c-wie.de ein, auf der er der kollektiven Kreativität Raum gab. Inzwischen sind dort über 23.000 Userbeiträge versammelt. Der Spott bricht sich Bahn und der strategisch-ehrfurchtslose Umgang von Werbetextern und PR-Profis mit der deutschen Orthographie rast mit Karacho gegen die Wand.
Indes kündigte Generalsekretär Vincent Kokert gegenüber dem NDR noch „weitere Knüller“ an, denn die CDU wird bis zur Landtagswahl am 4. September ihre Plakatmotive im Zweiwochentakt wechseln. Raum genug also für den alten Law&Order-Kläffer Caffier und seine Osnabrücker PR-Gang, die Wiedererweckung unseres politischen Interesses voranzutreiben, auf dass wir uns wieder für die Bildungspolitik im Land interessieren mögen.