Tag der Arbeit in Greifswald: NPD-Demo blockieren!

NPD-Demonstration am 14.01.2001

Der NPD-Landesverband will wie in den vergangenen Jahren den Tag der Arbeit vereinnahmen und hat für den 1. Mai eine Demonstration mit 500 Teilnehmenden in Greifswald angemeldet.

Sie marschieren wieder

Nach Angaben der Greifswalder Stadtverwaltung sollen die beiden NPD-Landtagsabgeordneten Tino  Müller und Udo Pastörs als Redner auftreten. Pastörs wurde 2010 wegen Volksverhetzung zu einer Haftstrafe von 10 Monaten auf Bewährung verurteilt. Eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung  sprach davon, dass sich der Widerstand gegen die Nazi-Demo erst formiere und entsprechende Aktionen bereits in Planung seien.

Einem anonymen Hinweis zufolge, soll die Demonstration am Greifswalder Südbahnhof beginnen und über die Beimler- und Hertzstraße zur Lomonossow-Alle führen. Von dort geht es über den Dubna-, Thälmann- und Liebknechtring durch die Krullstraße zurück auf die Beimlerstraße und schließlich wieder zum Südbahnhof.

NPD Demo Route Greifswald

Das Spiel mit der Angst des kleinen Mannes

Das Motto der Demo, Unsere Heimat – unsere Arbeit. Fremdarbeiterinvasion stoppen, steht ganz im Zeichen des Migrationsmagneten Greifswald, wo sich der Ausländeranteil in den vergangenen fünf Jahren auf einem konstant niedrigen Niveau zwischen 3,1% (2010) und 3,3% (2008) bewegt – von einer „Invasion“ also gar keine Rede sein kann. Die NPD zielt wie so oft auf existentielle Nöte der Bevölkerung, schürt Angst vor „Überfremdung“ und dem Verlust der Lohnarbeit.

Die Stadtverwaltung teilt unterdessen mit, sich der Demo „auf breiter Front entgegenstellen“ zu wollen. Oberbürgermeister Dr. Arthur König kündigt an, in Zusammenarbeit mit der Polizei versammlungsrechtliche Schritte prüfen zu wollen: „Dabei wird auch entschieden, ob Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot vorliegen. Sollte die Chance bestehen, die Demo zu verbieten, werden wir diese natürlich nutzen. Parallel dazu sind alle Greifswalder aufgerufen, sich gemeinsam der NPD entgegenzustellen. Wir wollen den menschenverachtenden Parolen mit bunten und vielfältigen Aktionen antworten. Dazu sind die Ideen aller Demokraten gefragt.“

Oberbürgermeister König verklärt den Protest gegen die NPD

Am Montag soll sich das erweiterte Präsidium der Bürgerschaft zusammenfinden, um „über Parteigrenzen hinweg eine gemeinsame Strategie zu finden. Darüber hinaus lädt der Oberbürgermeister für die kommende Woche Vereine, Verbände, Initiativen und Einrichtungen ins Rathaus ein, um Ideen zu entwickeln und gemeinsame Aktionen zu planen.“ König kündigt an, bei den Vorbereitungen auf die Erfahrungen von 2001 zurückgreifen zu wollen, als sich „7000 Greifswalder erfolgreich dem letzten NPD-Aufmarsch entgegenstellten“. Dass die bürgerliche Demonstration damals einer völlig anderen Route folgte, unterschlägt er leider genauso wie den brutalen Polizeieinsatz gegen jene, die sich tatsächlich den Nazis in den Weg stellten.

Zum damaligen Protest hier ein Auszug eines Demoberichts:

„Zu der offiziellen Gegendemonstration kamen, für viele sehr überraschend, über 7000 Leute zusammen. Da diese Demo an keiner Stelle in die Nähe der NPD-Demo langführte, hielten sich viele Menschen in der Nähe der NPD auf. Etwa 50-60 Menschen versuchten, die Straße zu blockieren, um den Nazi-Aufmarsch aufzuhalten. Die Polizei, sichtlich kopflos und unprofessionell, räumte die Blockade mit einer absolut überraschenden Brutalität. Auch zwei weitere Blockadeversuche einige Meter weiter wurden sofort und brutal abgeräumt. Dabei wurden einige Teilnehmerinnen verletzt und insgesamt zwölf Menschen verhaftet. Von der Reaktion der Polizei überrascht kamen keine weiteren Sitzblockaden mehr zustande und die Nazis konnten ihren Aufmarsch (unter phantasievollem Protest) zu Ende führen. Trotzdem gelang es einigen Leuten noch, Pferdemist auf der Straße zu verteilen.

Im Nachhinein wurde in der regionalen Presse der Tag sehr überbewertet und als grandioser Erfolg gefeiert. Glücklicherweise war die Wahrnehmung der Presse so differenziert, daß die Blockadeversuche als absolut gewaltfrei und der Polizeieinsatz als sehr brutal dargestellt wurde.“

Bis zum 1. Mai sind es noch fast sechs Wochen – Zeit genug, für einen überregionalen und effektiven Widerstand zu werben und die Nazis am Tag der Arbeit erfolgreich zu blockieren. Die Stadtverwaltung will gemeinsam mit verschiedenen Einrichtungen ein Demokratiefest auf dem Markt veranstalten. Ob man mit dieser Art von Aktionismus einen Naziaufmarsch verhindern kann, bleibt zu bezweifeln. Ein Hauch Dresden liegt in Luft. Tag der Arbeit — es gibt viel zu tun!

20 Gedanken zu „Tag der Arbeit in Greifswald: NPD-Demo blockieren!

  1. Man sollte eher an den Protest zum zweiten Aufmarschversuch der NPD anknüpfen. Welcher kläglich scheiterte an der Sitzblockade von 2.000 Geifswaldern. Das solltest du als gutes Beispiel mal im Blogpost updaten.

  2. „Die Stadt will gemeinsam mit verschiedenen Einrichtungen ein Demokratiefest auf dem Markt veranstalten.“

    Albern! Das heißt nichts weiter, als dass man den Neonazis die Straße frei macht und sie unbehelligt marschieren lässt.

    (@jockel Bitte nicht immer von „Stadt“ schreiben, wenn die „Stadtverwaltung“ gemeint ist. Die glauben das wahrscheinlich schon selber…)

  3. „[…]in Zusammenarbeit mit der Polizei versammlungsrechtliche Schritte prüfen[…]“ – und wenn die geprüft sind und sich die Faschos wieder in letzter Instanz durchklagen, tja, dann marschieren sie.
    Vielleicht hält sie aber auch eine der Ostrock-Bands auf, die jährlich beim Präventionstag dudeln dürfen.
    So lange Menschen wie Axel Hochschild in der OZ eine Plattform bekommen, so lange die Präsenz der Nazis verharmlost wird, so lang niemand ihre neuen Strategien kapiert, so lang an der Uni nicht endlich wieder ein Klima von zivilgesellschaftlichem Aktionismus entsteht… so lang werden sich die Faschos ins Fäustchen lachen. Da können versammlungsrechtliche Schritte geprüft werden, bis Pflaumpfingsten ist!

  4. „Ein Hauch Dresden liegt in [der] Luft.“

    Es wäre wünschenswert, wenn es in Mecklenburg-Vorpommern eine Stadt geben würde, in der es so ein breites zivilgesellschaftliches Spektrum wie in Dresden gibt. Aber selbst in Rostock ist das nicht der Fall, wie der letzte erst Mai eindrücklich bewiesen hat. Die Demokraten und Parteien ziehen sich hier lieber auf Bürgerfeste zurück anstatt direkten Widerstand gegen Neonazis zu leisten. Das ist eine traurige Wahrheit. Dresden stellt einen Ausnahme dar und der stete Traum von Dresdener Zuständen kann schnell zur Realitätsverlust führen. Greifswald ist nicht Dresden und benötigt ein anderes Konzept! Allein der Eventcharakter reicht bei Dresden aus, um Tausende zu mobilisieren, den hat Greifswald aber nicht und das was der Bürgermeister will, dass ist Imagepflege für die „ehrwürdige“ Hansestadt.
    Es braucht andere Konzepte und ich hoffe, dass in der Kürze der Zeit adäquate Mittel gegen den Aufmarsch gefunden werden.

    MaG

  5. @mensch:
    Mein „Hauch von Dresden“ ist etwas missverständlich. Ich beziehe das nicht auf diejenigen, die sich den Nazis direkt entgegenstellen, sondern auf die von dir ins Feld geführte Bürgerfest-Fraktion 2010, die – zumindest aus der Ferne betrachtet – als die tatsächlichen Nazi-Verhinderer dargestellt werden bzw. sich auch so darstellen – diejenigen, die sich dort auf die Straßen gesetzt haben, wurden meiner Meinung nach marginalisiert. Und ähnlich sehe ich das mit den „glorreichen 7000“, die jetzt für das zivilcouragierte Greifswald stehen soll, dabei waren es doch jene Menschen aus der kurzen Fotostrecke, die sich die Nazis tatsählich in den Weg stellten.

  6. als erstes die Quelle für Fotos und „Demo-Bericht“ (mal wieder) nachgereicht: Link

    als zweites ein Bericht über den von Sascha empfohlenen Protest beim zweiten Aufmarsch, der sich mit meinen Beobachtungen deckt: likedeeler
    Ich war als Journalist sowohl am 14.1. als auch am 1.9.2001 dabei. (Damals ging es um die neue Strategie der NPD mit dem Kreisverband Greifswald als Versuchsfeld. Die Zahlen sind übrigens maßlos überzogen. bei der Demo am 14.1. waren es bei Weitem keine 7.000 Gegendemonstranten, am 1.9. saßen keine 2.000, sondern etwa 100 auf der Anklamer Straße.) Und ich bin mir nicht sicher, welches die bessere Reaktion ist. Ein verlorenes Häuflein unbeachtet durch die Stadt ziehen zu lassen oder es durch massive Polizei- und Medienpräsenz Aufmerksamkeit zukommen zu lassen mit dem Risiko, dass militante Antifa-Leute („schwarze Block“) noch zusätzlich die „kleinen Leute“ verschrecken. Ich persönlich würde die erstere, und wohl auch von der Stadtverwaltung avisierte Variante bevorzugen (gibt es das „Bündnis gegen rechts“ eigentlich noch?).

    drittens. Um wirksam gegen die NPD-Demo auftreten zu können, muss man aber auch das wirkliche Ziel vorgehen. Es geht nicht um die Vereinnahmung des Tages der Arbeit, sondern um die Ängste in der Bevölkerung aufgrund der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai 2011. Ab 1. Mai können Polen ohne Genehmigung durch die Arbeitsagentur legal in Deutschland beschäftigt werden. Offenbar hat das auch der OB nicht verstanden, worauf das Argument mit den 3 % Migranten in Greifswald hindeutet. Hier besser dargestellt: endstation-rechts

    viertens. was mich aber vor allem bewegt: Warum Greifswald? Was macht die Intelligenz-Hochburg mit dem Antifa-Potenzial für die NPD so interessant?

  7. @edward: Ich wollte gerne darauf verlinken, aber zumindest in meinem Browser geschieht unmittelbar nach Aufruf des Links (danke dafür!) eine Weiterleitung ins Nirvana. Diese Irrfahrt wollte ich niemandem zumuten.

  8. Warum nicht Greifswald? 2006 hat die NPD in Greifswald 5,7% der Wählerstimmen geholt. In Greifswald gibt es nicht nur Studenten und Student sein oder zur „Intelligenz“ gehören heißt nicht, nicht rechts zu sein. Es soll auch intelligente Nazis geben. Bei drittens Stimme ich Edward zu. Im Grunde hast du recht, bietet man den Menschen eine bessere Alternative zum Kapitalismus und zur Bürgerlichen Gesellschaft als die Scheinalternativen der Nazis, ist mehr gewonnen als mit jeder Sitzblockade. Das „Polenargument“ geht allerdings deutlich in die falsche Richtung!
    Lieber den „schwarzen Block“ (verrückte Homogenitätsphantasie die du da hast) im Haus, als 3000 Greifswalder die sich zwar erzählen wie antifaschistisch sie sind, ihren Worten aber keine Taten folgen lassen. Die Nazis werden es danken, wenn sie in aller Ruhe den anderen 47000 ihren Müll erzählen können ohne das wer pfeift oder gar blockiert. Es gibt auch noch was zwischen Steine werfen und auf dem Marktplatz singen.
    „Verlorenes Häuflein“? Also so verloren sind die Neonazis nicht, in der ein oder anderen Gemeinde im Umland wollten die schon Bürgermeister werden und im Landtag sitzen sie auch. Die FDP MV ist da wohl ein verloreneres Häuflein. (LTW 2006, Postlow, 38,2% NPD). Medienpräsenz ist übrigens gut, denn die kritische Berichterstattung ist das, was die Neonazis aus MV sehr ärgert, dass lässt sich leicht erkennen an der Hetze und den Angriffen gegen kritische Journalisten. Medienpräsenz kann nie genug sein, denn wenn keiner hinguckt, können sie seelenruhig gedeihn.
    Also; mehr Blockaden, mehr Medien, mehr „Schwarzer Block“!

  9. Ich sehe das ganz ähnlich wie „mensch“. Zudem scheint noch nicht klar zu sein, was mit so einer angemeldeten Demo der NPD einhergehen kann. Die Veranstaltung ist Anlass und Deckung für autonome Nazis, die unberechenbar sind. Man kann ja mal beim DGB in Dortmund nachfragen, wie das aussieht, wenn friedliche Demos gegen Rechts vom „Schwarzen Block“ der Nazis angegriffen werden. So schlimm muss es nicht kommen, dennoch muss die Gefahrenlage neu bewertet werden – das hat Einfluss auf Demo-Genehmigungen.

  10. [gelöscht: Ich habe dir zweimal per E-Mail und in drei Kommentar-Edits zu erklären versucht, wieso von dir hier keine Kommentare mehr erscheinen]

  11. ostseezeitung lesen hilft (nur manchmal):

    „Widerstand gegen NPD-Aufmarsch

    22.03.2011

    Greifswald. Gegen eine von der rechtsextremen NPD geplante Demonstration am 1. Mai in Greifswald regt sich erster Protest. „Der Widerstand formiert sich noch“, sagte Rathaussprecherin Bärbel Lehnuk gestern in der Hansestadt. Es seien aber bereits Aktionen in Planung. Laut Stadtverwaltung rechnen die Rechtsextremen mit rund 500 Teilnehmern. “

    http://links-lang.de/presse/10916.php

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