Schon fünf Wochen her und beinahe untergegangen: Der Fleischervorstadt-Blog geriet in die Sprachkritik und wurde von den kommunalen Grünen kräftig in die Zange genommen. Gregor Kochhan bemängelte, dass die Berichterstattung des Blogs im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Sparkasse im November diskriminierend und mit dem Pressekodex unvereinbar gewesen sei.
Die Berichterstattung über Kriminalität […] unterliegt gewissen Grenzen. Merkmale, die nichts mit der (mutmaßlichen) Tat zu tun haben, sollten im Bericht nicht auftauchen. Alter, Nationalität oder Ähnliches haben in Artikeln nichts zu suchen, wenn diese Merkmale nicht zur Besonderheit der Tat gehören. Auch die Hervorhebung der Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann laut Pressekodex diskriminierend sein […].
Die mehrfache Verwendung des Wortes “Grün” (grünes Fahrrad, grüne Jacke) halten wir in der Berichterstattung des FVB im Zusammenhang mit der Tatausführung (Fahrrad) für diskriminierend. Sicher sind wir für CO²-Reduzierung und -Vermeidung in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen, von dieser Tat distanzieren wir uns.
ÖKOSPIESSERVERBOTSPARTEI NERVT SATIRISCH
Das Ergebnis solcherlei Textproduktion habe man an Kommentaren bei Facebook ablesen können, in denen von einem “umweltfreundlichen Banküberfall” die Rede gewesen sei. Die Grünen hätten sich fragen lassen müssen, ob sie nicht schon immer „prinzipiell für Umverteilung“ gewesen seien und es sich bei dem Banküberfall nicht um eine „Versöhnung von Ökologie und sozialer Gerechtigkeit“ gehandelt hätte. Weil dann auch noch die Bürgerinitiative für die Diagonalquerung diskreditiert wurde („der Räuber sei quer über die Europakreuzung gefahren“), reichte es den linken Ökospießern: Sie entschieden sich für härtere Methoden und forderten vom Fleischervorstadt-Blog, dass dieser sich an den eigenen Maßstäben in Sachen Political Correctness messen ließe.
Zeigt sich hier nun die dröge-moralisierende Verbots- und Bevormundungspartei, vor der die deutschen Medien im Bundestagswahlkampf 2013 so massenhaft gewarnt haben, oder handelte es sich bei den spitzen Worten am Ende nur um einen satirischen Wimpernschlag? Letzterer lag zwar auf der Hand, wollte aber offenbar nicht von allen sofort als solcher erkannt werden. So ging der Nordkurier auf Nummer sicher und erkundigte sich telefonisch bei Gregor Kochhan, wie seine Verlautbarung zu verstehen sei. Und die Kommasäufer der Nationalen Sozialisten Greifswald — zuletzt bei eigenen satirischen Gehversuchen aus den Kinderschuhen gestolpert — zeigten einmal mehr, wie schlimm es um die Liebe zu Vaterland und Muttersprache bestellt sein muss. Volkstod, ick hör dir trapsen!
(Screenshot Facebook-Seite der NSG)
Das Ende vom Lied war dann eigentlich weniger lustig: Gregor Kochhan sah sich genötigt, Intention und Lesart seines Texts einzuordnen und denjenigen, die seine Worte für bare Münze nahmen, eindeutig zu erklären. Der Bankräuber mit dem Faible für Naturtöne wurde übrigens noch immer nicht gefasst, vielleicht radelt er ja in genau diesem Moment mit einem grünen Fahrrad über die Europakreuzung.
- Auf der Flucht: Radfahrer überfällt Sparkasse und tritt in die Pedale (Fleischervorstadt-Blog, 20.11.2013)
- Diskriminierende Berichterstattung im Fleischervorstadtblog?! (Grüne, 21.11.2013)
- Sparkassenüberfall: Radelnder Räuber noch immer auf der Flucht (Fleischervorstadt-Blog, 29.11.2013)
Es ist doch mittlerweile erschreckend, wie abgestumpft der geneigte Leser ist, was den Schreiber doch nötigt, Satire über das feine Maß hinaus zu übertreiben, so dass sie wie ein Holzhammer daherkommt. Die Massencomedyisierung scheint den Sinn fürs ironische merklich überlastet zu haben; eine Herausforderung für die spitzen Federn und flinken Tastaturen, grobe Werkzeuge so elegant zu führen, das Satire erkennbar bleibt, aber trotzdem nicht zum groben Keil wird.
Fehlinterpretationen wird es immer geben. Siehe Literaturgeschichte.