Auf rechtsextremen Internetseiten liest man regelmäßig Warnungen vor dem drohenden Volkstod, in der die Nachfahren der Dichter und Denker betonen, dass — ganz modern ausgedrückt — der Markenkern deutscher Kultur in ernster Gefahr sei. Solche Verlautbarungen konnte man bislang als tumbe Propaganda abtun und ignorieren, doch vielleicht ist die Lage dramatischer als bislang angenommen.
Ab heute ist die denkmalgeschützte Klappbrücke in Wieck endlich wieder für Autos befahrbar. Zuletzt wurde sie für den motorisierten Verkehr gesperrt, weil der inzwischen als „Superpoller“ überregional bekannte Brückenwärter durch einen Unfall beschädigt wurde und repariert werden musste.
Bausenator Jörg Hochheim (CDU) hat die Faxen nun allmählich dicke: „Ich gehe davon aus, dass der problematische Fehler des Vorgängermodells in dem neu installierten Pollersystem ausgeschlossen ist und nicht wieder auftritt. Ein solches fehlerfreies Funktionieren der Anlage darf ich als Auftraggeber erwarten.“
DAS WIRD MAN JA WOHL NOCHMAL ERWARTEN DÜRFEN
Die Polleranlage soll verhindern, dass Fahrzeuge die Brücke nutzen, ohne dass die dafür fälligen 50 Cent bezahlt wurden. Manche Fahrzeugführer warten, bis jemand anderes die Gebühr für die Nutzung der Brücke bezahlt hat, und versuchen dann rasch, diesem Fahrzeug in dichtem Abstand zu folgen, so dass sie sich auf der Brücke befinden, ehe der Poller wieder an seiner Position ist. Die Bilanz dieses pfennigfuchsigen Manövers: seit dem Sommer 2011 wurden in Wieck mehr als 30 Fahrzeuge durch den für zwei Autos schließlich doch zu rasch hochfahrenden Poller beschädigt.
Bis heute wurden mehr als 180.000 Euro für die unterschiedlichen Anlagen vor der Klappbrücke ausgegeben, doch die in die Poller gelegten Hoffnungen, jetzt endlich an der motorisierten Sondernutzung des Denkmals mitverdienen zu können, blieben unerfüllt — die Sperren entpuppten sich als unwirksam und wurden von den Fahrzeugführern immer wieder durch dichtes Auffahren ausgetrickst.
Der 120.000 Euro teure Superpoller sollte diese Tricksereien ein für alle Mal verhindern. Doch bei seinem dritten Unfall wurde das Hydraulikaggregat der Anlage so stark beschädigt, dass der Superpoller außer Betrieb genommen werden musste — wieder entgingen der Stadt Einnahmen für die Brückenpassage.
Auch wenn Bausenator Hochheim nun die Provinzposse um den Wiecker Brückenpoller, auf den inzwischen sogar das Satiremagazin Extra3 aufmerksam geworden ist, in bester Tradition Ronald Pofallas für beendet erklärt hat, darf man davon ausgehen, dass sich die Probleme mit der Wiecker Klappbrücke auch in Zukunft fortsetzen werden.
Dem Optimismus von Hartmut Hecker, Geschäftsführer des für die Reparatur verantwortlichen Unternehmens innoVent, der sagt, dass Poller und Steuerung jetzt gut aufeinander abgestimmt wären und die Anlage nun technisch fehlerfrei arbeiten würde, kann man folgen, muss man aber auch nicht. Mit Brückenwärtern aus Fleisch und Blut wäre diese ganze Angelegenheit wohl günstiger ausgegangen.
Einweihung der neuen Bahnstrecke zwischen Greifswald und Ladebow. „Schnupperfahrt“ im historischen Museumstriebwagen. Testlauf. VIP-Fahrt mit warmen Worten und kleinem Imbiss. Dann die öffentliche Tour für die gemeine Bevölkerung, die so zahlreich auf den Bahnhof strömte, dass es dort ein ordentliches Gedränge gab, zumindest wenn man den Fotos der Greifswalder Pressestelle vertraut. Der Mitropa-Wagen fehlt. Es fährt ein Zug nach Ladebow.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat den Begriff „Sozialtourismus“ zum Unwort des Jahres 2013 gekürt. Mit diesem Titel machen Sprachwissenschaftler seit inzwischen 23 Jahren auf Begriffe der öffentlichen Kommunikation aufmerksam, die in besonderem Maß gegen das Prinzip der Menschenwürde oder das Prinzip der Demokratie verstoßen, die einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind.
Morgen wird die neue Stadtbahn eingeweiht. Sie führt vom Hauptbahnhof direkt zum Hafen nach Ladebow — beinahe so, wie es im Verkehrskonzept der hansemetro Greifswald vorgesehen war. Doch im Gegensatz zur S1, die auf dem Weg nach Ladebow mehrere Zwischenstopps einlegen sollte, entfallen nun günstig gelegene Haltestellen wie das Nordischen Institut, die Skandinavische Siedlung oder Wieck West — kein Wunder, denn diese Stadtbahn wird vorerst nur einmal fahren.
NACH 11 JAHREN WIEDER GÜTERVERKEHR AM MUSEUMSHAFEN
Nach mehr als elf Jahren können in Zukunft endlich wieder Züge durch den nördlichen Teil der Stadt rollen und der derzeit absurdesten Ampel Mecklenburg-Vorpommerns erneut Sinn verleihen. Die Sanierung des Gleises hat insgesamt nicht einmal 900.000 Euro gekostet, davon stammten fast 730.000 Euro vom Land, während die übrigen 144.000 Euro von der Stadt Greifswald getragen wurden. Oberbürgermeister Dr. Arthur König (CDU) ist zufrieden und und „erhofft sich dadurch ein Wachstum des Hafens und einen stärkeren Umsatz“.
Was bei all dieser Freude untergeht, ist die mangelnde Rentabilität der neuen Bahnverbindung. Auf Nachfrage des webMoritz schätzte Jörg Hochheim (CDU) den zu erwartenden finanziellen Verlust auf 27.000 Euro — wohlgemerkt pro Jahr und bei einer Auslastung von 100 Zugfahrten! Stiege die Zahl der Fahrten auf 150 pro Jahr, soll die Anlage für die Stadt kostenneutral sein.
„STÄRKUNG DER WETTBEWERBSFÄHIGKEIT UNSERES SEEHAFENS“
Die Stadtverwaltung möchte, dass sich der Hafen wieder zu einem nachgefragten Umschlagplatz entwickelt. Bausenator Hochheim (CDU) dazu: „Die Verbesserung der Hafeninfrastruktur ist ein Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Seehafens, da nunmehr effektiver umgeschlagen werden kann.“ Ob man in Greifswald effektiver umschlagen können wird als in den nicht ausgelasteten Nachbarhäfen Vierow und Lubmin, in die vor einigen Jahren Millionenbeträge flossen und die inzwischen natürlich ebenfalls über einen Gleisanschluss verfügen, sei dahingestellt.
Jedenfalls lägen für das Gleis von Ladebow nach Greifswald laut einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung bereits einige Anfragen von Transporteuren vor, die mit dem Schiff angelandetes Holz nur per Bahn weitertransportieren könnten. Wenn es mit dem Gütertransport auf dieser Strecke wirklich losginge, wären die Züge mit einer Geschwindigkeit von maximal 30 Kilometer pro Stunde unterwegs. Im Bereich des Museumshafens soll die Geschwindigkeit auf 10 Stundenkilometer gedrosselt werden.
Die Inbetriebnahme der neuen Bahnverbindung wird von der Stadtverwaltung und der zukünftigen Betreiberin der Strecke — der Regio Infra Nord-Ost GmbH & Co. KG (RIN) — zum feierlichen Anlass genommen, zu einer kostenlosen „Schnupperfahrt“ in einem historischen Museumstriebwagen einzuladen. Die Plätze in der Teilebahn sind rar — nur 90 Personen dürfen mitfahren, wenn der Zug um 13.30 Uhr den Hauptbahnhof verlassen wird. Für die Hin- und Rückfahrt über die 5,5 Kilometer lange Strecke wird eine Fahrzeit von etwa einer Stunde anberaumt.
Mehr dazu:
Unfreiwillige Sanierung des Bahngleises Greifswald-Ladebow (Fleischervorstadt-Blog, 12.03.2013)
Hafenbahn Greifswald – Ladebow wieder in Betrieb: Feierliche Eröffnung am 15. Januar mit Fahrt im historischen Triebwagen (PM Stadtverwaltung, 10.01.2014)
Mit der Pendelbahn nach Ladebow (arbium, 10.01.2014)
Hafenbahn Greifswald-Ladebow geht Mittwoch wieder in Betrieb (webMoritz, 13.01.2014)
Moritz TV erklärt in diesem Intensivkurs die laufende Gremienwahl an der Universität Greifswald und macht schwere Kost genießbar:
Democratic Avengers — klingt hip, modern und supercool, ist aber im Grunde die Junge Union und die ehemalige bürgerliche Liste. Das ist, als würde auf Angela Merkels Wahlplakaten überall #Swag und #Yolo stehen.