Uncovered! Recherchegruppe veröffentlicht Aufklärungsbroschüre über Greifswalder Neonazis

Im Herbst des vergangenen Jahres veröffentlichte eine antifaschistische „Recherchegruppe Greifswald“ die Aufklärungsbroschüre Uncover. Personen und Strukturen der Greifswalder Neonaziszene. Auf 18 Seiten sind hier Informationen über Aktivisten der rechtsextremen Szene vor Ort zusammengetragen.

AUFRÄUMEN MIT DER UNGESTÖRTHEIT

Die Autorinnengruppe beabsichtigte mit der Veröffentlichung dieses Heftes, möglichst vielen Leuten dabei zu helfen, Neonazis zu erkennen und gegen sie aktiv zu werden, damit sie sich in Zukunft nicht mehr „unerkannt und ungestört in der Uni, bei Partys, Vorträgen oder sonst wo bewegen können.“

antifa uncover

Nachdem am 12. März der Hauseingang der Landtagsabgeordneten Dr. Mignon Schwenke mit rechten Parolen und Drohungen beschmiert wurde, entschloss sich die Gruppe, diese Broschüre, die bis dahin wohl eher diskret kursierte, im Internet zu veröffentlichen, und erklärte:

„Wenn Nazis sich so sicher fühlen, dass sie derart offensiv Menschen bedrohen, dann fehlt nicht mehr viel, bis sie ihre Drohungen Tatsachen werden lassen. Daher wollen wir sie aus ihrer Anonymität holen, damit sie ihren vermeintlichen Schutz verlieren und nicht weiter ungestört agieren können“.

ENTWICKLUNGEN UND PORTRAITS 

greifswald uncover nazisIn Uncover wird  in stark komprimierter Form versucht, nachzuvollziehen, wie sich innerhalb der vergangenen acht Jahre die rechte Szene in Greifswald entwickelte. Dieser Prozess ist eng mit ihren — in der Broschüre ebenfalls portraitiert — Protagonisten, wie zum Beispiel dem aus Berlin stammenden Studenten Marcus G. oder dem früheren Wikingjugendlichen Frank K., verbunden.

Wer sich einen unverpixelten Überblick über die Greifswalder Neonaziszene verschaffen will und in Kauf nimmt, dass hierfür die Persönlichkeitsrechte der portraitierten Rechtsextremisten verletzt wurden, wird auf der Suche nach dem professionell layouteten Heft beim indymedialen Portal linksunten fündig.

Das Medienkollektiv Manfred & die Antifa-Demo

Nun also doch noch! Das Medienkollektiv Manfred begleitete die Antifa-Demonstration vom letzten Wochenende und produzierte einen kurzen sehenwerten Beitrag, in dem unter anderem Aufnahmen von den kleineren Eskalationen an der Europakreuzung und vom Entrollen des Transparents von einem Schönwalder Hausdach für die Nachwelt bewahrt wurden.

antifa demo banner

POLIZEI UND ANMELDER ZUFRIEDEN

Dem Aufruf zur Demonstration folgten am 10.12.2011 über 900 Teilnehmer. Polizei und Anmelder zogen positive Bilanz und zeigten sich mit dem Ablauf der Veranstaltung zufrieden.

Ein ausführlicheres Resümee ist in einer auf dem Fleischervorstadt-Blog veröffentlichten Nachbetrachtung  abrufbar.

Auf einem guten Weg: Mehr als 900 Menschen demonstrierten friedlich gegen Neonazis

Die von der Gruppe Defiant organisierte Antifa-Demonstration vom 10.12. ist in mehrerlei Hinsicht als Erfolg zu werten. Die erwartete Teilnehmerinnenzahl wurde weit übertroffen und trotz der martialischen Aufrufe gestaltete sich der Tag fast ausnahmslos friedlich.

Die im Vorfeld der Veranstaltung von Seiten der Ostsee-Zeitung geschürten Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. Gemeinsam und vielfältig wurde ein deutliches Signal gesendet — sowohl nach innen als auch nach außen.

Neunhundert Menschen, sieben Kilometer, zwei Blöcke, eine Idee: Kein Platz für Nazis!

Mehr als 900 Leute, von denen sich etwas mehr als die Hälfte — zumindest vereinfacht — dem klassischen Antifa-Spektrum zugeordnen ließ, versammelten sich am Südbahnhof. Dem vorwiegend von jungen Männern besetzten ersten Block folgte ein zweiter, der bunter zusammengesetzt war und je nach Position mehr oder weniger unausweichlich dem hedonistischen Spaziertanzdiktat unterstand; dazu bekannte kommunalpolitische Gesichter aus den Reihen der Grünen und Mitglieder der Piratenpartei.

Die Demonstration dauerte dreieinhalb Stunden und führte vom Startpunkt Südbahnhof durch die Neubaugebiete Schönwalde I und II bis zur Mensa am Wall. Auf der über sieben Kilometer langen Strecke wurden insgesamt fünf Redebeiträge gehalten, unter anderem von der Antirassistischen Initiative aus Greifswald, die auf die Lebensbedingungen von Flüchtlingen hinwies.

Taktiker in Grün-Weiss: Zurückhaltung und (De)Eskalation

Die Polizei verhielt sich zu Demonstrationsbeginn zurückhaltend, verschärfte dann aber zusehends die Einsatzstrategie und flankierte schlussendlich den ersten Block auf beiden Seiten mit geschlossenen Polizeiketten. Die Route führte unter anderem am Haus eines federführenden Aktivisten der Nationalen Sozialisten Greifswald (NSG) vorbei, zu dessen Schutz sich die Polizei davor mit zwei Wasserwerfern und mehreren Einsatzwagen aufstellte und vermutlich aus Angst vor Ausschreitungen die Demonstration vom Gebäude abschirmte.

Nachdem dieser Teil der Strecke passiert wurde, wich die Anspannung bei den Protestlern und den Beamten, einem ruhigen Ende der Demonstration stand nichts mehr im Wege. Doch kurz vor der Europakreuzung drohte die Situation ein letztes Mal zu eskalieren, als mehrere Polizisten in den Block eindrangen, um Einzelne an diesem späten Dezembernachmittag wegen des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot festzunehmen.

Der Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen (AKJ), der als Beobachter an der Veranstaltung beteiligt war, kritisierte Ort und Zeitpunkt dieser Festnahmen, die „an einem stark frequentierten Ort kurz vor Ende der Demonstration“ durchgeführt wurden:

„Durch die absehbare Unruhe wurde bei den Passant_innen der Eindruck einer äußerst gewalttätigen Demonstration geweckt, was nicht dem bisherigen Demonsrationsverlauf entsprach. Es drängt sich der Eindruck auf, als ob die Polizei diese Maßnahme bewusst an einem der belebtesten Orte Greifswalds durchgeführt hat.“

Zusammenfassend kann bilanziert werden, dass die Demonstration sowohl vonseiten der Polizei als auch der Demonstrierenden weitesgehend unaufgeregt und besonnen verlief. Es wurden vier Personen festgenommen. Auch Polizeisprecher Falkenberg zeigte sich mit dem Ablauf der Demonstration insgesamt zufrieden und bedankte sich für die gute Kooperation und Kommunikation mit den Organisatoren, wie der webMoritz berichtete.

Vermummen statt verstummen!

Die Polizei verstärkte im Verlauf der Demonstration allerdings nicht nur ihr personelles Aufgebot, sondern begann auch damit, Teilnehmerinnen zu filmen. Dies tat sie in Reaktion auf die mehrfach übermittelte Aufforderung, dass Anzünden von Feuerwerkskörpern zu unterlassen. Was dem Einzelnen seine Demonstrationsamtosphäre bedeutet, nahm so vielen anderen das Recht auf das eigene Bild.

Die Beamten waren nicht die Einzigen, die reges Interesse daran zeigten, Foto- und Videoaufnahmen von der Demonstration zu machen So hingen unzählige Anwohner an den Brüstungen ihrer Balkone oder es wurden am Straßenrand die Kameras gezückt, um die aufregensten Momente für die Nachwelt festzuhalten — endlich mal was los! Einige dieser Fotografen traten vermummt an ihre Fenster und zeichneten gewissenhaft auf, wer da unten vorbeimarschierte. Nicht jeder Schaulistige mit gezückter Kamera ist ein Neonazi, jedoch war die politische Zuordnung einige Male, zum Beispiel beim gezeigten Hitlergruß in Schönwalde oder beim Fahrzeug, was neben der Koitenhäger Landstraße parallel zur Demo fuhr und durchgehend filmte, überdeutlich.

Wem will man da verübeln, wenn er Schal und Mütze tiefer ins Gesicht zieht, um die missbräuchliche Verwendung des eigenen Bildes zu verhindern? Noch dazu im Dezember, nachdem die Teilnehmerinnen schon mehrere Stunden im Freien verbrachten? Das Vermummungsverbot scheint angesichts der technischen Ausrüstung mancher Privathaushalte nicht mehr besonders zeitgemäß, wenngleich es am Sonnabend nur gegen Teilnehmerinnen des ersten Blocks durchzusetzen versucht wurde.

Auf Krawall aus: Die Ostsee-Zeitung

Der große Verlierer der vergangen Woche ist traurigerweise die Lokalzeitung, die gleich zwei Themen zur rechtsextremen Problematik versemmelte. Aufregungen und Skandale sind die essentiellen Wesenszüge des Lokalteils, seit Redaktionsleiter Fischer seine Vision eines zeitgemäßen Action-Journalismus zu verwirklichen sucht.

Bei der jüngsten 24-Stunden-Vorlesung dozierte der junge Redaktionsleiter darüber, dass die Leserinnen kaum einen Artikel bis zum Schluss lesen würden und der knalligen Überschrift darüber deswegen eine noch größere Relevanz zukäme. Angesichts solcher Feststellungen sollte er sich vielleicht besser fragen, woran seine Artikel kranken. Vor allem aber wäre ein behutsamerer Umgang mit Überschriften angeraten.

Schon die Ankündigung spiegelt wider, wie sich der Redakteur eine linke Demonstration vorstellt: als Event, in dessen Vordergrund die eingesetzten Polizeikräfte stehen, die „den Demonstrationszug vor Übergriffen zwischen Links- und Rechtsextremisten absichern“ sollen. Wenige Zeilen später räumt man zwar ein, dass es nach OZ-Informationen noch (!) keine  „konkreten Hinweise auf mögliche Auseinandersetzungen“  gäbe, aber bis dahin werden die Artikel der OZ ja nach Aussage des Chefredakteurs kaum gelesen.

Und so fiel dann auch das Resümee der Zeitung aus: „Polizei nimmt vier linke Randalierer fest“. Das ist die Kernaussage, die vom Sonnabend bleibt. Und wie sahen die Demonstranten aus? „Die meisten von ihnen schwarz gekleidet, zum Teil vermummt, mit Bannern, auf denen wütende Sprüche standen“. Die zufriedene Bilanz der Polizei blieb außen vor.

Dabei lobte Fischer nur eine Spalte weiter die hiesige Zivilgesellschaft und malt gleichzeitig an seiner eigenen schwarz-weißen Welt weiter: „In Greifswald sind am Wochenende nicht nur linksautonome Demonstranten aus Berlin und Hamburg, sondern auch junge Menschen aus Vorpommern gegen Rechts auf die Straße gegangen. Nicht im schwarzen, sondern im bunten Block. Sie wollen nicht hinnehmen, dass rechtsextremes Gehabe zur Normalität wird. In keiner anderen Stadt im Nordosten zeigen die Menschen so entschieden Gesicht gegen Rechts wie in Greifswald. Deshalb sammeln wir im Rahmen unserer OZ-Weihnachtsaktion für die Kunstwerkstätten, die einen Teil dieser gelebten Zivilgesellschaft hinaus in den Landkreis tragen.“

Dass der gleiche Chefredakteur sich und die von ihm verantwortete Lokalzeitung hier einzureihen versucht, ist angesichts seines reißerischen Umgangs mit dem Thema eine Schande. Pfui Teufel, Herr Fischer!

Was bleibt?

Demonstrationen verändern fast nie etwas und doch wirken sie nicht selten auch noch nach ihrer Auflösung weiter. Die Gruppe Defiant hat ihre erste große Demo organisiert und die erwartete Teilnehmerzahl weit übertroffen. Viele Leute im bunten Block erweckten zwar den Eindruck, dass sie aufgrund des als martialisch kritisierten Mobilisierungsaufrufs Bedenken bezüglich eines geordneten und gewaltfreien Ablaufs der Demonstration trügen, jedoch verlief die Veranstaltung in Anbetracht der Beteiligung weitesgehend frei von Zwischenfällen. Wer in Greifswald wirkliche Auseinandersetzungen sucht, muss sich schon nachts vor der Mensa oder zum Jahresende auf dem Marktplatz umsehen.
defiant

Aber mit einer Demonstration ist das Greifswalder Neonazi-Problem selbstverständlich nicht gelöst, und das wissen auch die Aktivistinnen von Defiant, die in ihrer Pressemitteilung die Demo zwar als Erfolg bewerten und einen sehr gelösten Eindruck machten, jedoch auch darauf hinwiesen, dass der Kampf gegen die Neonazis „das gemeinsame Zusammenhandeln aller und viel Ausdauer“ braucht. Man kann sich nach diesem Wochenende dem defiantistischen Statement anschließen und ebenso hoffnungsvoll enden: Wir sind auf einem guten Weg!

Mehr zum Thema:

  • Demobeobachtung von der Antifa-Demo (PM AKJ, 10.12.11)
  • Greifswald im Winter (Kombinat Fortschritt, 11.12.11)
  • Wasserwerfer am Wegesrand – Antifa-Demo zieht durch Greifswald (webMoritz, 11.12. 11)
  • 900 Personen bei Anti-Nazi-Demo in Greifswald (daburna, 11.12.11)
  • Antifaschistische Demonstration (Moritz TV, 11.12.11)
  • Schlägereien nach Anti-Rechts-Demo (NDR, 11.12.11)
  • Wer ein Mal lügt (Ostsee-Zeitung-Blog, 12.12.11)
  • Was so berichtet wurde (Pressespiegel Defiant, 12.12.11)

Zieht euch warm an — die letzten Infos vor der Demo

Unmittelbar vor Beginn der Greifswalder Antifa-Demonstration seien an dieser Stelle nochmal die wichtigsten Informationen zusammengetragen. Wie verläuft die Route? Wo finden Redebeiträge statt? Welche Gegenstände lasse ich lieber zuhause und welche sollten unbedingt eingesteckt werden? Und gibt es auch dieses Mal einen Twitter-Ticker?

VOM SÜDBAHNHOF ZUR MENSA: DIE ROUTE

Die Demonstration soll um 13 Uhr am Südbahnhof beginnen. Von dort geht es nach der üblichen Wartezeit durch Schönwalde I und II über die Rathenau-Straße bis zur Mensa, wo am Gedenkstein für den von Neonazis ermordeten Obdachlosen Eckhard Rütz die Abschlusskundgebung stattfinden wird. Drei weitere Redebeiträge werden unterwegs gehalten, und zwar am Ärztehaus (Thälmann-Ring) und an der Kiste (Makarenkostraße und in der Wolgaster Straße.

demo route antifa greifswald(Grafik: J.Wenzel für die OZ)

TICKERST DU NOCH GANZ RICHTIG? ECHTZEIT-INFOS FÜR ALLE!

Bei den letzten größeren Ereignissen hat sich der Twitter-Hashtag #nazishgw bewährt und als nützliches Schlagwort etabliert, unter dem alle Twitter-Nutzerinnen ihre Tweets in einen gemeinsamen Nachrichtenstrom einspeisen konnten, der für alle abrufbar ist. Auf diese Weise kann eine Informationsquelle mit vielseitigen Blickwinkeln entstehen, die auch hier auf dem Fleischervorstadt-Blog abgerufen werden kann (Java aktivieren!).



VONNÖTEN, VERBOTEN, VERHAFTET

Die relativ lange Route und die vier Redebeiträge werden dafür sorgen, dass der heutige Spaziergang nicht nach einer Stunde vorbei sein wird. Daher ist es empfehlenswert, dem Rat der Veranstalterinnen zu folgen, und sich warm anzuziehen. Eine Thermoskanne mit heißem Tee verhindert nicht nur Frösteleien, sondern taugt auch dazu, sich bei anderen Protestlern beliebt zu machen.

Bestimmte Gegenstände sollten allerdings besser nicht mitgeführt werden, dazu zählen zum Beispiel Waffen und Drogen. Es kann passieren, dass Vorkontrollen seitens der Polizei durchgeführt werden. Im Klassiker Was tun wenn’s brennt?, der seit Jahr und Tag von der Roten Hilfe herausgegeben wird, sind die wichtigsten Verhaltensregeln auf Demonstrationen zusammengefasst, inklusive Handlungsanleitungen für den Fall einer Verhaftung.

Auch für die heutige Demo gibt es einen Ermittlungsausschuss (EA), dessen Nummer schon mal vorsorglich aufgeschrieben werden sollte (0151-237 458 08). Der Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen (AKJ) wird als Beobachter der Versammlung unterwegs sein und später einen Bericht schreiben.

NO CAMERA NO PROBLEM? 

Bei den Protestaktionen am 1. Mai fotografierten Neonazis, unter anderem Marcus G., die Demonstrierenden ab und veröffentlichten später die Fotos auf der Internetseite der Nationalen Sozialisten Greifswald (NSG). Auch heute ist damit zu rechnen, dass Neonazis versuchen, am Rand der Demonstration oder von Balkonen zu fotografieren. Wer das nicht gut findet, kleidet sich witterungsgemäß, bindet sich einen Schal um und hat im Idealfall auch noch eine Sonnenbrille dabei, um nicht bei plötzlicher Wetterverbesserung geblendet zu werden.

Die Veranstalterinnen der Demo haben unbedingt einzuhaltende Presserichtlinien veröffentlicht, die sich insbesondere mit Bildaufnahmen befassen:

  • Keine Nahaufnahmen, auf denen Gesichter zu erkennen sind
  • Bei Veröffentlichung von Fotos darauf achten, dass niemand erkennbar ist bzw. diese Personen ggf. unkenntlich machen
  • Den Anweisungen der Ordner_innen ist unbedingt Folge zu leisten.

Schlussendlich sei noch allen geraten, auf dem Hin- und Rückweg vorsichtig zu sein und sich in Bezugsgruppen zu bewegen. Zieht euch warm an und setzt ein lustvolles, kreatives und starkes Zeichen gegen Rechtsextremismus!