Neues aus der Arndt-Debatte

Auf der Vollversammlung im Juni 2009 forderte eine überwältigende Mehrheit der 1200 teilnehmenden Studierenden die Ablegung des kontrovers diskutierten Universitätsnamens Ernst Moritz Arndt.

Eine im Juli eingesetzte Kommission — bestehend aus verschiedenen Dozenten und zwei Studierenden – wird dazu eine wissenschaftliche Anhörung verschiedener Akademiker und Akademikerinnen durchführen. Anfangs monierte die Initiative Uni ohne Arndt noch die Mitgliedschaft dreier Arndt-Befürworter in der Kommission und wies auf das Fehlen mehrerer Historiker der Greifswalder Uni hin. Inzwischen sieht die Lage brenzliger aus, als damals angenommen. Jetzt sind es nur noch drei Tage bis zur ersten Anhörung, die am Freitag, dem 11. Dezember, stattfinden wird.

Die Pressestelle schweigt und hört sich selbst an

Die sonst so aktive Pressestelle der Universität schweigt zum Thema und ohne die Initiative der Arndt-Gegnerinnen hätte man auch kaum von dem Termin erfahren. Der Gruppe wurden sowohl Termin als auch die Namen der eingeladenen Wissenschaftler zugespielt. Die Auflistung sorgt für drei Überraschungen:

Erstens wurden mit Prof. em. Reinhart Staats (Univ. Kiel/Kirchengeschichte) und Dr. Jörg Echternkamp zwei externe Arndt-Befürworter zur Anhörung gebeten. Letzterer arbeitet für das Militärgeschichtliche Forschungsamt der Bundeswehr.

Arndtdebatte

Zweitens gelang es, den Vorsitzenden der Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft e.V., Prof. em. Karl-Ewald Tietz,  zu gewinnen. Drittens plant die Kommission offensichtlich, sich selbst zuzuhören, denn drei der eingeladenen – Dr. Irmfried Garbe (Kirchengeschichte), Dr. Reinhard Bach (Romanistik) und Prof. Dr. Kyra Inachin – sind gleichzeitig Kommissionsmitglieder, die beiden Erstgenannten befürworten klar die Beibehaltung des umstrittenen Namens.

Als einziger Arndt-Kritiker wird Prof. Dr. Thomas Stamm-Kuhlmann anwesend sein; das Verhältnis zwischen Namensbefürwortern und -gegnern ist damit relativ eindeutig festgelegt worden. Aber es bleibt interessant, blickt man von den Zusagen auf die Absagen. Dazu stellt die Initiative Uni ohne Arndt fest: „Was die Absagen der Arndt-Kritiker verursacht hat, wissen wir im Einzelnen nicht. Es fällt jedoch auf, dass nur Arndt-Kritiker absagten. Eine/r sagte uns jedoch, dass er/sie eine Anhörung durch eine Kommission ablehne, von denen einige Mitglieder auch für den unwissenschaftlichen Text auf der Uni-Homepage verantwortlich sind. Eine Bewertung durch Personen, die sich selbst im wissenschaftlichen Betrieb derart disqualifiziert hätten, lehne man ab. Zudem lehne er/sie den nicht-öffentlichen Charakter der Veranstaltung ab. Die Debatte gehöre in die Öffentlichkeit, nicht hinter die verschlossenen Türen einer intransparenten Kommission.“

Wer wird schlimmer: Die Wissenschaftler oder die Greifswalder Bürger?

Schlimm wird es mit Sicherheit auch werden, wenn bei der zweiten Anhörungsrunde im Januar Greifswalder Bürger zum Namenspatron befragt werden sollen.

Die in OZ-Leserbriefen laut gewordenen Pöbeleien und Diffamierungen einzelner Greifswalder und Greifswalderinnen gegenüber den Arndt-KritikerInnen waren beschämend. Man kann sie sich auszugsweise hier zu Gemüte führen. Die Initiative Uni ohne Arndt hat ein wesentlich umfangreicheres Sammelsurium von Bedrohungen und Beschimpfungen veröffentlicht, das leider ein wenig an dem hohen Anteil auf der rechtsextremen Internetseite Altermedia veröffentlichter Kommentare krankt. Die Leserbriefe aus der Ostsee-Zeitung empfinde ich als viel alarmierender, weil sie aus der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft kommen und weil die Leute ihre Beschimpfungen sogar mit ihrem Namen unterschreiben.

Zu den Befürwortern des Namens gehört auch Sebastian Ratjen (FDP), der zeitungsöffentlich wie freimütig verlauten ließ, dass er natürlich kein Arndt-Spezialist sei. Wen also bei der Bürgerrunde befragen? Und wem ist mit einem möglichen Ergebnis gedient? Die Antwort auf diese Frage wird vielleicht noch viel mehr über die Gesinnung der Kommission verraten, als es die Anhörung der mehrheitlich für Arndt positionierten Wissenschaftler tut.

Unterdessen veröffentlichte gestern das Hamburger Abendblatt einen Artikel über die Initiative Uni ohne Arndt. Damit griff nach der ZEIT und SPIEGEL ONLINE nun ein weiteres großes Medium dieses Thema auf. Man darf gespannt sein, wie sich der Disput entwickelt, mein Höhepunkt wird mit Sicherheit die Bürgerbefragung werden.

(Fotos: Luisa Wetzel/webmoritz und daklebtwat)

Greifswalder Arndt-Befürworter

Wer heute den Blick in die Ostsee Zeitung nicht scheut, kann in den Leserbriefen die Befindlichkeiten und Ressentiments überwiegend älterer Mitbürger entdecken. Ein kurzer Blick über die heute abgedruckten Leserreaktionen.

Kritiker können Arndt nicht das Wasser reichen

Prof. Joachim Buhrow empfindet den Namen Arndt als zeitgemäß und gibt zu Protokoll:

Wir armseligen Zeitgenossen können ihm (Arndt) 150 Jahre später allesamt das Wasser nicht reichen. Das gilt aber vor allem für die Zeitgenossen, die ihn kritisieren, diffamieren und seine Lebensleistung reduzieren.

Ist nicht gerade die überschaubare Lebensleistung neben Arndts Antisemitismus ein wichtiger Grund für die geforderte Umbenennung?

Ex-EMAUler Prof. Ulrich Guth mischt sich in die Arndt-Debatte mit völlig neuen Perspektiven und Argumenten ein:

Bitte immer den historischen Kontext beachten!

Historischer Kontext ist eine inzwischen zur Worthülse mutierte, inflationär gebrauchte Konstruktion im Zusammenhang mit Arndt. Hat nicht der Baden-Württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger schon versucht, den historischen Kontext eines Hans Filbingers zu beachten?

Idelogisch vorbelastete Wichtigtuer-Studenten

Der Greifswalder Hans-Jürgen Schumacher findet die

Hysterie ideologisch vorbelasteter Wichtigtuer-Studenten bezüglich einer möglichen oder wahrscheinlichen Umbenennung der alterwürdigen Greifswalder Alma mater […] für die Ur-Greifswalder kaum zu ertragen. Ich denke, wie die Uni heißen soll, ist auch ein wenig eine (zumindest moralische) Angelegenheit der Greifswalder Bevölkerung.

Schumacher knüpft damit unabsichtlich an einen Beitrag Ulrich Roses an. Der Antiquar stellte unlängst die Frage, wie und wann man eigentlich zum Einheimischen wird. Ich als Greifswalder finde die Diskussion wesentlich erträglicher als die heutigen vier Leserbriefe.

Diskutieren oder notbremsen?

Zum Abschluss meldet sich nochmal Bodo Müller aus Potthagen zu Wort:

Wer tatsächlich auf die Website „Uni ohne Arndt“ geht, erhält nicht die Möglichkeit zu diskutieren oder gar gegenteilige Meinungen abzugeben. Einzig und allein darf er abstimmen, dass er gegen den Namen Arndt ist und warum und Basta. Die Universität Greifswald sollte schnellstmöglich die Notbremse ziehen.

Mein liebes Lischen! Bodo Müller ist ja schon einmal mit einem desavouierenden Leserbrief aufgefallen. Jetzt trägt er seine mangelnde Medienkompetenz wütend und zeitungsöffentlich zur Schau, denn auf der genannten Website lässt es sich ganz herrlich mitdiskutieren.

Spannend dürfte es heute Abend im IKUWO werden, denn dort wird um 20 Uhr eine mit der Amadeu Antonio Stiftung organisierte Podiumsdiskussion zum Namenspatron stattfinden. Moderiert von Marcus Unbenannt werden Prof. Dr. Arno Herzig (Hamburg), Prof. Dr. Reinhard Bach (Greifswald), Prof. Dr. Werner Buchholz (Greifswald) und Prof. Dr. Thomas Stamm-Kuhlmann (Greifswald) als Diskutanten erwartet.

Arndt jetzt auch bei Spiegel Online

Hin und wieder schafft es Greifswald in die großen Medien. Jedoch sind diese Erwähnungen in der Regel Missständen zu verdanken und selten findet sich Erfreuliches in den Artikeln, die durch die ungeheure Leserschaft eine sehr große Reichweite haben. 1999 wurde zum Beispiel der geflohene Verbrecher Dieter Zurwehme in der Fleischervorstadt festgesetzt. Die abenteuerliche Geschichte kann hier in einem eigenen wikipadia-Artikel nachvollzogen werden.

Der Spendenskandal der hiesigen CDU um den „Gewerkschafter“ Wilhelm Schelsky und ein sogenanntes „Familiendrama“ um ein misshandeltes Kind waren die letzten beiden Fälle, die Greifswald überregionale Medienpräsenz einbrachten. Vor kurzem erschien auch noch ein Artikel über die Verglasung von Atomsuppe.

Und vor kurzem ist auf Spiegel Online auch ein Beitrag über den Streit um den Namenspatron der Universität Greifswald, Ernst Moritz Arndt, erschienen. Der Artikel portraitiert die Initiative zur Abschaffung des Namens, fokussiert dabei Sebastian Jabbusch und dürfte dazu beitragen, dass das Thema Arndt nicht stillschweigend ausgesessen wird.

Auf dem Blog der Initiative wird sich zu dem Spiegel-Artikel geäußert und es gibt einige Berichtigungen, die auch für Korrekturen am Originalartikel sorgten.

Universität klärt über Arndt auf

Seit kurzem ist auf der offiziellen Internetseite der Universität Greifswald ein Link zu finden, hinter dem sich eine knappe Auseinandersetzung mit dem kontroversen Namenspatron der Hochschule verbirgt. Die grundsätzliche Debatte zu Ernst-Moritz soll nicht an dieser Stelle geführt werden.

Merkwürdigerweise geht es in den Diskussionen ausschließlich um den Namen der Uni, nicht um die Arndt-Schule und die nach ihm benannte Straße.

Arndt Greifswald

In dem Artikel über Arndt werden viele das Wort „Antisemit“ vermissen, jedoch wird auf Arndts fragwürdige Einstellungen  eingegangen:

Zu einer Zeit, als noch darüber gestritten wurde, was und wer überhaupt die deutsche Nation ausmacht, vertraten Arndt und andere die Auffassung, dass Nationen vor allem durch die Sprache und Abstammung definiert werden und sich unvermischt erhalten müssten. Juden sollten in Deutschland keine staatsbürgerliche Gleichstellung erhalten. Über außereuropäische Völker äußerte sich Arndt im Zusammenhang zeitgenössischer Rassentheorien abwertend.

1933 beantragte der Senat auf Initiative des „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ bei der preußischen Staatsregierung, Arndts Namen tragen zu dürfen. An dieser Stelle war das nationalistische Motiv zweifellos ausschlaggebend.

Damit ist ein erstes Ziel der Arndt-Gegnerinnen erreicht.

Aktuelles über den Widerstand gegen den Namenspatron findet sich auf dem Blog der Kampagne für die Umbenennung der Universität Greifswald.

Auch Sebastian Ratjen befürwortet Arndt

Der FDP-Kommunalpolitiker und frühere rechtspolitische Sprecher seiner Partei, Sebastian Ratjen, äußerte sich gegenüber der Ostsee Zeitung für die Beibehaltung des unseligen Namenspatrons.

Das ist nicht wirklich überraschend, da er neben seinen politischen Tätigkeiten auch Vorsitzender des Fördervereins der Universität ist. Insofern ist sein Statement auch eher auf seine institutionelle Bindung und weniger auf profundes Wissen gestützt.

Ratjen räumt auch ein: „Er sei natürlich kein Arndt-Spezialist.“

In den vergangenen Jahren fiel Ratjen häufig durch politische Schnellschüsse auf und agierte medial mehr als einmal glücklos.

Ostsee Zeitung veröffentlicht offenen Brief von verurteiltem früheren Neonazi

Am Donnerstag, dem 18.Juni, wurde im Greifswalder Lokalteil der Ostsee Zeitung ein offener Brief des früheren NPD-Kreisverbandsvorsitzenden Rüdiger Klasen (Kreis Hagenow) veröffentlicht.

Der NPDler war laut Endstation Rechts 1992 an einem versuchten Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim bei Boizenburg beteiligt und wurde später verurteilt.

In dem offenen Brief, an dessen Autorenschaft auch A.Hoffmann beteiligt war und der sich auf die Arndt-Debatte bezieht,  heißt es zum Beispiel:

Jede Art von Extremismus ist eine Bedrohung für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung. Das schließt gleichermaßen neben den Rechtsextremismus auch den Linksextremismus und dessen Kulturbolschewismus mit ein, dessen Auswirkung das Chaos und Zerstörung von Menschen und Kulturen bedeutet.

Hat sich da ein Wolf den Schafspelz übergezogen? Vielleicht ist es zuviel verlangt, jeden Absender eines offenen Briefes vor Abdruck zu überprüfen, jedoch wurde die Lokalredaktion noch am gleichen Tag darüber informiert, wessen Polemik hier ein Podium geboten wurde. Auch der Grünen-Blog hat sich des Themas angenommen und erwähnt, dass sich Klasen nach seiner Verurteilung 1994 von der Szene abgewandt hätte. Auch bei Blogger-Kollegen daburna ist die Arndt-Debatte Thema. Dort wird auch derzeit eine Umfrage dazu durchgeführt.

Zu Wort gemeldet hatte sich auch der frühere webMoritz-Chefredakteur Sebastian Jabbusch. Er wies die OZ nicht nur auf die Besonderheit ihrer Leserbriefautoren hin, sondern antwortete mit einem eigenen Brief. Leider wurde weder gestern noch heute seitens der Redaktion auf Klasens Hintergrund hingewiesen.

Jabbuschs sehr ausführlicher Leserbrief wurde orthographisch ein wenig aufgehübscht und selbstverständlich gekürzt. Zum Glück liegen sowohl die gekürzte Fassung als auch das Original vor, das ich niemandem vorenthalten möchte, hier der weggekürzte Teil:

Arndt verbreite Hass gegen die Franzosen und alles „Nicht-Germanische“ über vierzig Jahre lang in fast allen seinen politischen Schriften – schon vor und auch nach Napoleons Besetzung. Die Namensgebung der Universität aus dem Jahre 1933 durch Göring entsprach dem Zeitgeist der NSDAP. Arndt hielt darüber hinaus Humanismus für eine jüdische Verschwörung. Letztlich waren es aber vor allem die Bürger die mit ihren besorgten Anrufen bei der Polizei wegen „rechtsextremen Parolen“ & „Volksverhetzung“ dafür gesorgt haben, dass Arndt Zweifelsfall untragbar ist. Oder hätte jemand die Polizei gerufen, wenn jemand Goethe-Zitate vorließ?